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mich in gleicher Weise wie-zuvor umheimlich starr, durchdringend ansah. Da ihre Lippen mir ganz vertrocknet schienen, eilte ich in den Vorratsraum, öffnete eine der Milchbüchsen, löste mit dem schlechten Drinkwasser die zähe Masse auf, kletterte, mein Gefäß sorgsam haltend, in das Kapitänslogis zurück und flößte der Kranken diese Milch ein. Nach einigen mißlungenen Versuchen schluckte sie; dann begab ich mich zu dem Kapitän — er saß noch immer so steif da wie vorher — legte ihn der Länge nach hin und versuchte, ihm gleichfalls etwas von der Milch beizubringen. Der Kapitän schluckte nicht, er riß plötzlich die Augen auf, schlug mir das Gefäß aus der Hand und setzte sich mit Heftigkeit wieder aufrecht, wobei er seltsam rauhe, kreischende Laute ausstieß, die aus dem Nebenzimmer mit leisem Seufzen und einem dumpfen, stöhnenden Laut beantwortet wurden.
Es grauste mir, und ich sprang die Treppe empor, hinaus auf das Deck an die frische Luft — dort setzte ich mich' auf den Boden und schaute auf die stille, schimmernde, glänzende See hinaus. Dort alles Friede, Leben, sonnige, fröhliche Heiterkeit des Himmels und des Meeres, und da drinnen ein schreckliches Ringen zwischen Leben und Tod, zwei Menschenleben in die vernichtenden Bande einer furchtbaren Krankheit geschlagen — und hier sollte ich helfen, selbst ein Schiffbrüchiger, ohne jede Kenntnis der Heilkunde, mit meinen schwachen Kräften.
Ich hatte ja menschliche Gesellschaft auf diesem Wrack — aber welche! Waren das noch lebenoe Wesen?
Da kam die Katze freundlich an mich herangesprungen, ich nahm sie und drückte ihren werßen Kops an meine Wange. Dann spähte ich wieder in die See hinaus. Sonnengold und lustiges Meeresflimmern, soweit ich sehen konnte, aber nirgends eine Spur von dem, was an das Dasein von Menschen erinnerte. Wie lange mochte ich wohl hier auf diesen schwimmenden Schiffsleichnam gefesselt sein mit diesen beiden Sterbenden? — So lange sie athmeten, mußte ich sie pflegen — das war Menschenpflicht und diese würde ich auch treulich und nach Kräften erfüllen.
Dieser Gedanke beruhigte und bestärkte mich; ich gewann wieder Mut, erhob mich und stieg in die Kapitänskajüte, dort erneuerte ich den Umschlag für die junge Person und suchte ein Tuch für den Ka- pitän, um ihm die gleiche schwache Hilfe angedeihen zu lassen. Ich entdeckte einen Wäscheschrank, und fand darin, was ich brauchte, dann löste ich wieder Milch auf und flöste der Kranken davon ein. Ich gab mir auf's Neue Mühe, dem Kapitän, der auf dem Sopha völlig teilnahmslos! lag, etwas Nahrung zwischen die fest zu- sammengebiffenen Zähne zu bringen. Mein Bemühen blieb indessen vergeblich, ich war nicht im Stande, dem Kranken den Mund zu öffnen.
Was dringend fehlte, auch für mich, war frisches Wasser, und ich machte mich daran, eine Vorrichtung herzustellen, um Regenwasser zu sammeln. Dann verfertigte ich eine Fahne ans einer roten Bettdecke, die ich an einem Stück Raa, das ich aufstellte, befestigte; darauf ging ich wieder auf Entdeckungen aus, indem ich nun das Schiff in allen Winkeln zu untersuchen begann.
Ich kehrte bald von meiner Wanderung zurück. Es gab nicht mehr viel zu unter-
suchen, da der ganze untere Raum des Schiffes voll Wasser war. Nun machte ich mich daran und zimmerte mir ein geradestehendes Bett im Mannschaftslogis, setzte den Küchenherd in Stand und schob den abgebrochenen Schornstein desselben wieder feuersicher zusammen.
In einer Ecke des Kapitänszimmers hatte ich das medizinische Hilfsbuch des Schiffssührers gefunden; als ick es aufschlug, zeigte es eingekniffen und abgegriffen die Seite: „Typhus". Der Kapitän war sicher nach der Vorschrift hier verfahren. Es wurde in Ermangelung eines Arztes empfohlen, dem Kranken stündlich verdünntes Chlorwasser, ferner Chinin, Kraftbrühe, Wein — letzteren Theelöffelweise — vielmals im Tage zu geben und für Abkühlung namentlich des Kopfes zu sorgen. In einer vielsächerigen Büchse, welche die Apotheke enthielt, fand ich eine Flasche Chlorwasser, eine gewichtige Portion Chinin in einer Porzellanbüchse und ich bereitete nun die Arzneien nach einer sehr verblichenen Erinnerung die mir von einer am Typhus erkrankten Schwester her noch vorschwebte. In der Flasche über dem Bette der Kranken fand ich übrigens Chlorwasser, dessen Stärke mir als Muster diente.
Ich flößte der Kranken die Arzneien ein. Der Kapitän lag wie im Starrkrampfe da und nahm nichts. Aus dem konser- virten Braten stellte ich Kraftbrühe her und unter diesen mannigfachen Geschäften überraschte mich die Nacht, ehe ich's gedacht. (Forts, folgt).
Vermischtes.
— Nichts zieht so leicht gute oder schlechte Gerüche an als die Milch. Versuche haben ergeben, daß Milch im Topf neben Gesöffen mit riechenden Substanzen schon nach acht Stunden den Geschmack der betreffenden Substanz hat und ihn über 40 Stunden festhält. Leuchtgas giebt der Milch einen sehr ausgesprochenen Geruch, Terpentin einen sehr starken, ebenso Zwiebel, dann der Tabakdamps, ferner Paraffinöl, faulende Fische rufen einen sehr schlechten Geschmack der Milch hervor, auch Kampfer wirkt auf die Milch sehr stark, ebenso wie Naphthalin. Darum soll man die Milch möglichst fern von üblen Gerüchen halten. Die Milch wird aber ebenso leicht beeinflußt, wenn die Kühe irgendwelche schlechte oder starke Gerüche ein- atmen. So wurde die Milch einer Anzahl Kühe dadurch verdorben, daß die Kühe täglich, wenn sie zur Weide mußten, an einem faulenden Pserdekadaver vorbeigetrieben wurden und nur für wenige Minuten die miaßmitische Luft einatmeten. Auch die Milch der Kühe, die mit ihnen zusammengemolken wurden, nahm den fauligen Geruch an. Ebenso erhielt die Milch von Kühen einen stinkenden Geruch welche in der Nähe eines Gehölzes wei»' deten, in dem ein Pfergekadaver im Frühjahr verscharrt worden war. Erst nachdem er richtig vergraben worden war, verlor die Milch ihren penetranten Geruch. Häufig bekommt auch die Milch einen Karbolgeruch, wenn milchende Kühe in einem mit Karbol desinfizierten Stall untergebracht werden, ehe derselbe genügend gelüftet ist. Diese Milch ruft beim Menschen Uebelkeit und Erbrechen hervor. Auch das Fleisch solcher Tiere be sitzt einen starken Karbolgernch.
(Einweiblicher „Rekrut". Die Monatsschrift „Der Türmer" teilt in einer Zusammenstellung behördlicher Zopfgeschichten folgenden Vorfall mit: Der Fabrikant L. in der Turmstraße zu Berlin ist der Vater zweier Töchter, von denen die älteste, ein 21jähr. Mädchen, den Vornamen Henny führt. Infolge eines amtlichen Versehens wurde in dem polizeilichen Personenregister der Name Henny in Harry umgewandelt und aus Grund dieses Vornamens wurde Fräulein Henny schon im vorigen Jahre aufgefordert, sich zur Eintragung in die militärische Stammrolle auf dem Polizeibureau zu melden. Von einer zwangsweisen Vorführung der Dame wurde jedoch abgesehen, nachdem sich ein Schutzmann bei wiederholten Besuchen (!) in der Wohnung des Herrn L. überzeugt hatte, daß hier ein amtliches Versehen vorliegen müsse. Die Militärbehörde scheint jedoch auf den aktiven Dienst des Fräulein Henny L. nicht verzichten zu wollen, denn dieser Tage erschien wieder ein Schutzmann in der Wohnung des Fabrikanten, um den weiblichen Rekruten zu stellen. Herr L. weigerte sich jedoch entschieden, seine Tochter dienen zu lassen.
(Sein glücklichster Schuß.) Der Jagdhüter und Obertreiber Seppel Huber war bei der letzten Gemsjagd „«aufgeschossen" worden, so daß er einige Wochen krank und erwerbslos war. Es waren im letzten Treiben auf eine Rudel Gemsen eine Menge Schüsse ziemlich gleichzeitig abgegeben worden, so daß die Ermittelung des unvorsichtigen Schützen kaum möglich gewesen wäre. Aber Seppel wußte sich zu helfen. Er ließ folgende Bekanntmachung im gelesen- sten Blatte der Stadt I. los: „Der Herr Schütze, der mich am 10. d. M. derart angeschofsen hat, daß ich schon seit 14 Tagen in äcztlicher Behandlung und erwerbslos bin, ist mir zwar nicht mit dem Namen aber von Ansehen bekannt. Ich bitte ihn höflich, mir eine Unterstützung zukommen zu lassen. Seppel Huber, Jagdhüter und Obertreiber iu K. bei M." Die Wirkung des Inserats war großartig. Seppel erhielt im Lauf einer Woche von sehr verschiedenen ungenannter Herren Schützen im ganzen 1800 Mk. mit den besten Wünschen für seine baldige Wiedergenesung zugesandt. Bald war Seppel wieder hergestellt. Und mit dem so unerwartet reich geflossenen Schmerzensgeld kam er in die Lage, sein verschuldetes kleines Anwesen frei zu machen und sich wirtschaftlich aufs beste einzurichten. „Dös war mei glücklichster Schuß". Mit diesen Worten pflegte Seppel die Geschichte zu schließen, wenn er sie zu erzählen hatte.
(Anzüglich) Kundin: „Sagen Sie einmal, Ihre Semmeln sind aber so klein, da kann man ja gleich eine ganze in den Mund hineinstecken!" Bäckermeister:
Gemeinnütziges.
(Mäuse kann man durch Ter pentin aus Häusern treiben.) Der Geruch des Terpentinöls ist den Mäusen sehr zuwider. Man kann Lappen damit bestreichen und sie in die Löcher legen oder an solche Orte, wo man die Mäuse gern verscheuchen will. Nach Verlauf von 14 Tagen taucht man die Streifen von neuem ein.
Telephon Nro. 33,
Redaktion, Druck und Verlag von A. Wildb rett in Wildbad