U'rv. 73. Mittwoch, öen 24. Juni 1903. 39. Jahrgang

LokaLes.

Wildbad, 24. Juni. Am Freitag den 26. Juni, Nachmittags 4 Uhr, findet in der evangel. Kirche hier ein Conzert des blinden Organisten u. Sängers Wilh. ausderWiesche u. der Oratoriensängerin Anna Wente aus Hannover statt, auf welches wir hiemit besonders auf­merksam machen. Ueber ein Concert in Lübeck wird geschrieben: In Herrn aus der Wiesche lernten wir einen Orgel» künstler kennen, der die Königin der In­strumente meisterte und der den ihm vo­rausgegangenen Ruf in jeder Hinsicht rechtfertigte. Er trug mehrere schwierige Kompositionen von I. S. Bach, Mendels­sohn, Volkmar, und zum Schlüsse eine freie Phantasie über den Choral:O Haupt voll Blut und Wunden" in vollen­deter Weise vor. Frl. Anna Wente, die langjährige Gefährtin des blinden Orgel­meisters, verfügt über eine Sopranstimme von schönem Klange und seltener Höhe. Ihre Vorträge machten infolge der künst­lerischen Wiedergabe auf die Zuhörer einen tiefen Eindruck. Hervorgehoben sei namentlich die Becker'sche ArieMache mich selig". Den Inhalt der ergreifenden Tonschöpfung brachte die Künstlerin voll zur Geltung. Auch den Arien von Men­delssohn und Bach verhalf sie zu einer durchaus würdigen Wiedergabe.

In der letzten Nr. ds. Bl. ist in dem Ein- gesandtGedanken zur Reichstagswahl" ein Satzteil weggeblieben, was der Klar­heit halber hiermit richtig gestellt wird: Schrempf ist für die Zölle, weil er weiß daß sie zum Schutz der Landwirtschaft und Industrie und um wie vorn ausge­führt Handelsverträge zu ermöglichen, nötig sind.

(Eingesandt.) In einem Ein­gesandt im Montag°Enztäler" wird wie schon oft wieder versucht, die An­hänger der deutschen Partei gegen unfern Kandidaten Schrempf aufzuhetzen und sie von seiner Unterstützung abzuhalten. Der Einsender behauptet, daß Schrempf gegen die deutsche Partei immerrücksichtslos" vorgehe u. s. w. Warum erwähnt er nicht auch, daß die Parteigenossen Schrempf's in andern Wahlkreisen Deutschparteiler unterstützen, daß z. B. mit der vollen Billigung des Herrn Schrempf die Konservativen «nd der Bund der Landwirte im 2. Wahlkreis, wo sie eine starke Stellung haben, mit aller Energie für Prof. Hieder eintreten und damit der deutschen Partei einen großen Dienst leisten!? Der Beobachter" vom 22. ds. schreibt darüber: Der Bund der Landwirte ist für vr. Hieber zuletzt sehr scharf ins Zeug ge- gangen". So war es dort im ersten Wahlgang und so wird es auch bei der Stichwahl sein. Der Fall liegt also an­ders, als der Einsender ihn schildert, und die Deutschparteiler, welche dies wissen, werden sich durch derartige demokratische Verdrehungen den klaren Blick nicht trü­ben lassen, daß sie nicht mehr sehen, wer der wahre Gegner ist: näm­lich der Demokrat. Sie werden sich über kleine Zwistigkeiten hinwegsetzen und das große Ganze im Auge behalten; sie

wissen ja, daß sie in vielen Fragen, vor allem in nationalen, an den Konservativen zuverlässige Bundesgenossen haben. Wir aber wollen die Anhänger der deut­schen Partei daran erinnern, daß es die Demokratie, die sogenannte Volkspartei war, welche am 18. Dezember 1SVV den Sozialisten gegenden deutschparteilichen Land­tagskandidaten, trotzdem letzterer sehr liberal war, mit allen Kräften unterstützte. Merkwürdig ist übrigens, wie der Ein­sender, der sicher ein Demokrat ist, für das Wohl der deutschen Partei besorgt ist!! Wer wird auf einen solchen Leim gehen?! Der übrige Inhalt desEin­gesandt" ist einWiederkäuen" all' der bekannten und schon oft von uns zurück^ gewiesenen Vorwürfe und Verleumdungen. Gesagt mag nur noch werden, daß manche Artikel von demokratischer Seite sich durch einen geradezu gemeinen Ton auszeichnen, daß z. B. derWildbader Anzeiger" hierin alles Dagewesene zu überbieten sucht. Wenn ein Ehrenmann, dem es Ernst mit seiner Sache ist, der für seine politische Ueberzeugung offen und ehrlich eintritt wie der konservative Kandidat, in solch' persönlicher, unflätiger Weise angegriffen und lächerlich gemacht wird, wie z. B. in dem Schandgedicht Erlebnisse eines Touristen", so wird auch der Schild der Partei, die ein der­artiges Treiben zuläßt und gutheißt, be­schmutzt.

DieDeutsche Reichspost" schreibt: InderSchwäbischen Tagwacht" ist zu lesen, daß ein konservativer Land- tagsabgeordneter sich an einen sozialdem. Landtagsabgeordneten wandte mit dem Anerbieten,im 14. Wahlkreis die 3371 Stimmen des Bauernbundes unserem Kandidaten Dietrich zuzuführen, wenn die 3000 Stimmen, die im 7. Wahlkreis der Sozialdemokratie zugefallen sind, zur Wahlenthaltung aufgefordert würden. Der konservative Herr erklärte ausdrücklich, daß er von Freunden aufgefordert worden sei, der Sozialdemokratie diesen Vorschlag zu machen." Nach unseren Erkundig­ungen ist hieran so viel richtig, daß ein konservativer Abgeordneter zu einem An­gehörigen der sozialdemokratischen Fraktion übrigens rein von sich ans, ohne jede Kenntnis seiner Parteifreunde geäußert hat, wenn die Sozialdemokraten im 7. Wahlkreise Wahlenthaltung beobachten, könnten die Bauernbündler im 14. das gleiche tun. Nicht wahr ist hienach die Behauptung derTagwacht", daß der konservative Abgeordnete erklärt hat, er sei von Freunden aufgefordert worden, der Sozialdemokratie den Vorschlag zu machen. Unwahr ist ferner, daß davon gesprochen wurde, die Stimmen der Bauernbündler im 14. Wahlkreis der So- zialsemokratie zuzuführen, es war nur von gegenseitiger Wahlenthaltung die Rede. Der Vorschlag entsprang wohl der nach Lage der Verhältnisse begreiflichen An­schauung, daß es keinen wesentlichen Un­terschied mache, ob im 14. Wahlkreis ein Sozialdemokrat oder ein Anhänger der den Schwanz der Sozialdemokratie bilden­den Demokratie gewählt werde, wenn nur die Wahl Schrempfs gesichert würde. Im

übrigen konstatieren wir, daß es bis jetzt nicht für anständig galt, solche gelegent­liche Privatäußerungen, welche selbstver­ständlich kein Angebot von Parte; zu Partei enthalten, in die Oeffentlichkeit zu bringen. Auch im Punkte der Diskretion stellen sich eben d e Sozialdemokraten außerhalb den Regeln der anständigen bürgerlichen Ge­sellschaft. Da auch imBeobachter" je­nes Gespräch in der falschen Darstellung derTagwacht" wiedcrgegeben und als Thatsache" hingestellt wird, und vor der Wahl unter Umständen noch damit gegen die konservative Kandidatur Stimmung gemacht werden könnte, ist es jedenfalls gut, wenn der wirkliche Sachverhalt wie oben geschildert wird.

Das Alten st eiger Amtsblatt Aus den Tannen" enthält folgendes Eingesandt": Bei den diesmaligen Reichstagswahlen handelt es sich nicht blos um Getreidezölle, sondern auch und davon spricht man weniger, um den Holzzoll. Die Demokratie war und wirkte bisher stets für möglichste Herabsetzung des Holzzolls, die Konser­vativen sind für Beibehaltung, eher noch für Erhöhung. Ein Sinken der Holz­preise durch Herabsetzung des Zolls be­deutet für den Staat, der */» der Wal­dungen besitzt, einen Einnahmeausfall von Millionen, der aus demSteuer- beutel gedeckt werden muß, für waldbesitzende Gemeinden und Stiftungen Abnahme des Bürger- nutzens und Zunahme des Ge­meindeschadens, für Waldbesitzer eine Abnahme des Ertrags und Werts ihrer Waldungen, also Vermögensverlust, für die Waldhaner geringere Ausnutzung des Holzes, also geringeren Verdienst und Arbeitsgelegen­heit. Handel und Wandel, Geldzirkula- tion, Verdienst, Fuhrwesen, kurz alles hängt im Schwarzwald ab von einem ordentlichen Holzpreise; darum keine Herabsetzung!

Wähler! Vergegenwärtigt Euch auch dann das Verhalten der Demokratie bei ihren Abstimmungen im Reichstag in den letzten 15 bis 20 Jahren. Ihr findet sie fast ausschließlich im Verein mit der Sozialdemokratie! Entspricht dieses Verhalten dem allgemeinen Wohl, dem nationalen Gesichtspunkt?! Sollen sodann die Ansprüche der begehrlichen Sozialdemokratie mit Hilfe der Demo­kratie ins Unerträgliche gesteigert werden ? Laßt Euch nicht durch Wahlmanöver und schöne Redensarten länger an der Nase herumführen und gebt Eure Stimme dem Mittelstandsvertreter

Friedrich Schrempf.

WnlsarHctt'tsndes.

Auf derKolumLia".

von H. Rosenthal Bonin.

S) (Nachdruck verboten.)

Ich ging wieder auf Deck, ließ einen Eimer in die See und brachte ihn nicht ohne große Schwierigkeiten in das Schlaf­zimmer. Ich tauchte den Umschlag ein und legte ihn der Kranken auf den Kopf, worauf diese das Haupt bewegte und