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treibe richtet sich der Güterpreis, wenn der Getreidepreis fällt, sinkt auch der Wert jeglichen Grundbesitzes in Stadt und Land.
Daher hat man auch den Zoll für die vier wichtigsten inländischen Getreidearten sestgelegt, und zwar in einer Höhe, wie wir ihn .schon früher gehabt haben, ohne daß eine Brotverteuerung eingetreten wäre. Stärker bedacht ist nur der Mais; aber der Mais ist gar kein Mastfutter, noch weniger ein Kraftfutter! Kein Metzger kauft mit Mais gemästete Schweine gern, und kein Pferd bleibt auf der Höhe seiner Leistungen, wenn es mit Mais gefüttert wird.
Äber die Zölle auf Eisenwaren, Holz, Glas, Leder, Quebracho u. s. w.
Sie sind noch gar nicht bestimmt! Nur hat der Reichstag der Regierung das Recht gegeben, bis zu dieser Höhe hinaufzugehen.
Wer vom Ausland günstige Handelsverträge will, der muß eine Waffe in der Hand haben, mit der er diese erzwingen kann. Die Regierung kann jetzt zum Ausland sagen: „Läßt Du meine Produkte billig herein, so gewähre ich auch deinen Waren billige Zölle, erschwerst du meinen Waren den Eingang, so lege ich auf deine Produkte einen recht hohen Zoll.
Wenn Kanada unserer Einfuhr Schwierigkeiten macht, so droht unsere Reichsregierung mit einem Holzzoll; Amerika wird mit dem Zoll auf Mais und eiserne Werkzeuge zu günstigen Handelsverträgen gezwungen, Argentinien muß unfern Waren günstige Bedingungen gewähren, sonst erschweren wir ihm seine Quebracho-Ein- fuhr.
Es sind also die Zölle recht eigentlich ein Mittel, günstige Handelsverträge durchzusetzen, nicht das Gegenteil, und wer für die Zölle stimmt, hilft günstige Handelsverträge ermöglichen. Warum sollten also unsere Handwerker sich bange machen lassen mit Zollsätzen, die nur auf dem Papier stehen? Je höher diese Zoll- sätze angenommen werden, desto weniger ist die Gefahr vorhanden, daß eine fremde Regierung sie herausfordert, desto eher wird sie sich zu günstigen, für uns günstigen Handelsverträgen herbeilassen.
Noch weniger schlimm sieht es mit der Heeresvermehrung aus, wenn man die Sache ohne Voreingenommenheit betrachtet.
Unser Volk vermehrt sich, die Auswanderung abgerechnet, jährlich um 500 000 Seelen. Wenn wir nun von Zeit zu Zeit die Friedensstärke vermehren, so bilden wir immer mehr Leute militärisch aus. Das hat doppelten Nutzen. Erstens wird kein vernünftiger Mensch leugnen, daß die militärische Schule jedem jungen Mann, körperlich und geistig, eine Wohltat ist. Und dann: Wenn wir jährlich Tausende kräftiger junger Leute frei lassen, so müssen statt ihrer im Kriegsfälle ebenso viele Tausende ältere Reservisten und Landwehrleute ihr Geschäft, ihr Weib und ihre Kinder verlassen um das Vaterland zu schützen, während jene unverheiratete Jünglinge zu Hause bleiben.
Was ist vernünftiger? Ich meine Vernünftiger ist es, junge Leute ins Feld zu schicken und ältere Familienväter zu Hause zu lassen. Und wo bleiben denn die Millionen, die für das Heer und die Marine ausgegeden werden? Alle Bedürfnisse werden im In
lands eingekauft, nichts im Auslande, also fließt alles wieder in die heimischen Produzenten zurück.
Das sollte doch derjenige, der es ehrlich meint, nicht verheimlichen und nicht falsch darftellen, besonders aber nicht einem Manne, der dieser seiner Ansicht gemäß abstimmt, einen Vorwurf daraus machen.
Noch weniger aber sollte man dem einen Vorwurf machen, der sich redlich bemüht, unserem schwerbedrängten Mittelstand zu helfen. Woran leidet denn unser Handwerk, unser bürgerliches Gewerbe? An der übermäßige« Konkurrenz des Großbetriebes und an der schrankenlosen Gewcrbefreiheit.
Warenhäuser, Großindustrie und Großhandel machen dem kleinen Betrieb das Leben sauer, und die Gewerbefreiheit giebt jedem beliebigen das Recht, dem Handwerksmeister Konkurrenz zu machen. Daher haben sich alle Parteien, die einen kräftigen Mittelstand wollen, vereinigt, um mit der Regierung zusammen dem Not leidenden Handwerk zu helfen.
Allerdings haben diese Gesetze nicht überall den erhofften Erfolg gehabt, aber kann man daraus denen, die den besten Willen hatten, einen Vorwurf machen?
Wer es ehrlich meint, muß eher das Tadelnswerte bei denen suchen, die den Notleidenden stets nur zugerufen: helft euch selbst, der Staat kann nichts für euch tun!
Wer das fertig bringt, der hat kein Herz für den Mittelstand!
Und nun kommen wir zur Hauptsache. Wie verhalten sich die beiden Kandidaten zu diesen Fragen?
Schrempf ist für die Zölle, weil er weiß, daß sie zum Schutz der Landwirtschaft und Industrie nötig sind, Nur wünscht er, daß bei diesen Verträgen Landwirtschaft und Industrie in gleicher Weise berücksichtigt werden. Wer Will ihm daraus einen Vorwurf machen ?
Die Demokratie ist im Prinzip gegen alle Zölle; da wir aber ohne diese keine günstigen Handelsverträge erreichen können, so vernichtet die Demokratie geradezu die Handelsverträge.
Schrempf hat für die Militärvermehrung gestimmt und damit unter Umständen Tausende von Familienvätern davor bewahrt, im Kriegsfall ins Feld zu ziehen.
Die Demokratie stimmt dagegen; das mag sie tun, wenn sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren kann; aber sie soll nicht der gewissenhaften Abstimmung Schrempf's einen Vorwurf machen.
Schrempf ist für die staatliche Hilfe gegenüber dem notleidenden Mittelstände gewesen, weil er, der mitten im Volk steht, die Not mit eigenen Augen sieht.
Die Demokratie 'st nicht nur gegen jede Staatshilfe für Handwerk und Kleingewerbe gewesen, sie hat sogar gegen jede Börsensteuer, gegen jedes Wuchergesetz, gegen die Luxussteuern auf Champagner, Pilsener Bier, Cognac, Jmportzigarren gestimmt, aus deren Ertrage man einen großen Teil der Flottenvermehrungskosten hätte bezahlen können und bezahlen wollte.
Wer ist da wahrhaft volksfreundlich? Ein altes Sprichwort sagt: Wer schimpft, ist im Unrecht? Und wer
hat mehr mit persönlichen Beschimpfungen gearbeitet, als Sckwempfs Gegner?
Sie sind im Unrecht, denn, wenn sie ihn mit sachlichen Gründen bekämpfen könnten, würden sie ihn nicht mit persönlichen Beschimpfungen angreifeu.
Wer langfristige Handelsverträge auf gerechter Grundlage will, wer verheiratete Männer möglichst vom Kriegsdienst befreit sehen will, wer einen kräftigen Mittelstand erhalten will, der gebe seine Stimme Dem Redakteur Friedrich Schrempf.
Unterhaltendes.
Auf der „Kolumbia".
von H. Rosenthal Bonin.
5) (Nachdruck verboten.)
Es erforderte einige Kunst, über diesen Berg hinweg zu voltigiren. Als ich dies Hinderniß genommen, stieß ich auf zerstreut am Boden liegende Blechbüchsen, deren Aufschrift anzeigte, daß sie kon- densirte Milch enthielten, und diesen Spuren nachgehend fand ich die Speisekammer mit aufgebrochenen Fässern voll von Schiffszwieback, ferner ein Haufen von Konservenbüchsen, welche die Etiketten von Rostbeef, Gemüse, Sardinen, Bohnen trugen, und ein großes, eisernes emaillirtes Faß, zur Hälfte gefüllt mit übelriechendem Trinkwasser. Verhungern würde ich also vorläufig nicht, diese tröstliche Ueberzeugung gewann ich.
Ich schlug eine Rostbeefbüchse auf, sie enthielt völlig fertigen, wohlschmeckenden Braten, und stillte meinen Hunger. In einem tiefer liegenden Raum fand ich offene Kisten, die noch reichlichen Vorrat gut in Stroh verpackter Flaschen Wein und amerikanisches Bier aufwiesen.
Ich erquickte mich durch einige Züge Bier und kletterte dann wieder auf das Deck zurück und wanderte zur Kaprtäns- kajüte.
Was war das für ein seltsamer Geruch hier, widerlich-süßlich, dumpfig, ein Chlor- und Lazaretgeruch — und meine Füße wurzelten vor Entsetzen am Boden. Auf einem Schlafsopha saß ein Mann, todtenbleich, abgezehrt, mit gesträubten Haaren, er schayte mich mi starren, ausdruckslosen Augen an und erhob jetzt eine knöcherne Faust gegen mich.
War das ein Gespenst? Ein Lebender oder ein Toder?
Doch sank die Faust kraftlos herab und die gräßlichen Augen schlossen sich. Ter Mann lebte.
Ich faßte mich und ging auf ihn zu. Ich sprach ihn an. Auf Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch. Keine Antwort. Die Augen blieben geschlossen und seine Brust hob und senkte sich zitternd. Ich überwand mich, ging näher und fühlte die Stirn des Mannes an. Sie war trocken und brannte. Der Mann, seiner Kleidung nach mußte ich ihn als Kapitän des Fahrzeuges erkennen, war krank, sehr krank, er hatte das Fieber; ein peinlich starrer Ausdruck im Gesicht, eine Art Anschwellung der Nase sagten mir — ich hatte Erfahrung in diesen Dingen — der Mann habe den Typhus.
Ein Schauder überlief mich — ein eigentümlicher geisterhafter Ton, eine Art Seufzen, Stöhnen, schien plötzlich aus dem Nebenzimmer, dem eigentlichen Schlafzimmer des Kapitäns zu kommen,