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Nr«. 72.
Montag, 22. Juni 1903
39. Jahrgang.
R u n d i ch a u.
— In den Urteilen der württem- bergischen Presse über den Ausfall c>cr Wahlen tritt in den Vordergrund einmal die wiederum in vielen Kreisen geradezu miserable Wahlbeteiligung — auch in Stuttgart Sladt unö Amt sind wieder fast 12000 Wähler oder 23"/» daheim geblieben — und der Riesenerfolg der Sozialdemokratie. „Nur eine Partei kann in Triumpfgefühlen schwelgen über die eigene Schlagfertigkeit und über tatenlose Schläfrigkeit des Bürgertums, die Sozialdemokratie," so stellt der „Merkur" die traurige Wahrheit fest. „An allen Wirtstischen wird nun ein Disput an- gehen über Wahlen und Wahlgeschrei, dieselben Leute werden das große Wort führen, die zu träge gewesen sind, einmal auch ihre Beine im richtigen Augenblick in Bewegung zu setzen. Das muß anders werden, sonst geht unser Vaterland an der Faulheit seiner Bürger zu Grunde.
Tübingen, 18. Juni. (Schwurgericht.) Im 1. Fall wurde die Kellnerin Anna Rebholz von Niedernau OA. Rottenburg wegen eines Verbrechens der Kindstötung in nichtöffentlicher Sitzung zu der Gefängnsstrafe von 3 Jahren verurteilt. — Im 2. Fall war der Schneidergeselle Alfred Hemming Holzelsingen, OA. Reutlingen, angeklagt der Fälschung einer öffentlichen Urkunde, des Betrugs i. Rückf. und versuchten schweren Diebstahls. Der Angeklagte war geständig und wurde unter Einrechnung einer noch nicht verbüßten 8 monatlichen Gefängnis-! strafe wegen Betrugs ztt der Gesamtstrafe von 1 Jahr 3 Monaten und Zum Ver-! lust der bürgerlichen Ehrenrechte aaf 4 Jahre verurteilt. — Der 51 Jahre alte Taglöhner Chr. G. Maier von Nagold wurde wegen Mißbrauchs einer geisteskranken Person unter Annahme mildernder Umstände zu 8 Monaten Gefängnis! verurteilt. Der Angeklagte war früher Polizeidiener in Nagold.
Tübingen, 19. Juni. (Schwurgericht.) Auf der T.O. stand heute u. a. die Anklagesache gegen den ledigen Säger Karl Bott von Calmbach, OA. Neuenbürg, wegen eines Verbrechens des Meineids. Deni Angekl. war zur Last gelegt, bei einer schöffengerichtlichen Verhandlung in Neuenbürg seinen Zeugeneid wissentlich verletzt zu haben, um seinem damaligen Kameraden hinauszuhelfen. Die Geschworenen verneinten die Schuldsrage, worauf der Angekl. sreigesprochen und aus der H»ft entlassen wurde.
Ebershardt. 19. Juni. Fuhrmann Burkhardt siel gestern auf der Steige vor Ebhausen von seinem Langholzwagen,
wobei ihm ein Fuß abgedrückt wurde; er wurde in seine Woh.ung verbracht; der Verunglückie hatte sckon vor einigen Jahren ein Bein gebrochen.
Calw, 18. Juni. Der erste Mahlgang ist vorüber; eine definitive Entscheidung aber hat derselbe nicht gebracht. Es ist eine Stichwahl zwischen dem seitherigen Reichstagsabgeord. Schremps und dem Kandidaten Schweikhardt nötig geworden. Am Vorabend des Wahltages hiett Schremps im Badischen Hof hier seine Wählerversammlung ab, die sehr zahlreich besucht war und einen überaus günstigen Verlauf nahm. Bon hiesigen Herren traten mit warmen Worten Me- dicinalrat vr. Müller und Professor Haug für Schremps ein. Letzterer, ein angesehenes Mitglied der deutschen Partei erklärte nach den trefflichsten Ausführungen Schrempss, daß er seither nicht auf Seite Schrempss gestanden war, daß ec nun aber mit seinen Freunden für denselben mit ganzer Kraft ein- treten werde. Laute Beifallsrufe folgten dieser Erklärung. Bei einer bevorstehenden Stichwahl werden nun sämtliche hiesige Anhänger der deutschen Partei die bekanntlich vor der Hauptwahl Wahlent- haltnng beschlossen hatten, nun Schulter an Schulter mit den Konservativen stehen und den nationalen Kandidaten Schremps mit Nachdruck unterstützen.
Kirchberg a. I., 17. Juni. Aus der Hinterlassenschaft des im vor. Jahr verstorbenen bekannten „alten" Pfarrers Sülzer kaufte ein Landwirt in D. ein altes Harmonium. Als dasselbe gestern durch einen Klavierstimmer zum Stimmen geöffnet wurde, fanden sich darin 900 Mk. vor, bestehend aus blanken 20 Mk.» Stücken, se 100 Mk. sorgfältig eingewickelt. Das Geld wurde heute von dem redlichen Finder dem Schultheißenamt zur Ueber- mittlung an die gesetzlichen Erben übergeben.
Ulm, 19. Juni. (Eine Wahlentgleisung.) Die „U. Ztg." schreibt: „Eine Entgleisung ist dem Kandidaten des Zentrums passiert: In der Wahlversammlung zu Ehrenstein kam er natürlich auch auf die Jesuiten zu sprechen und führte aus, daß man sie mit Unrecht als gefährliche und schlechte Menschen hinstelle. „Das sind sie nicht," rief er, „und wenn sie es auch wären, — in Deutschland laufe» so viele Lumpen herum, daß es auf Tausend mehr nicht ankäme!" Der Herr Kaplan, der neben dem Redner saß, soll arg erschrocken sein und ein merkwürdiges Gesicht gemacht haben."
Nürnberg, 19. Juni. Die Zahl der Anmeldungen für das deutsche Turnfest beträgt bereits 22000.
Wien, 17. Juni. König Peter richtete an den Kaiser Franz Joses folgendes Telegramm: Ich beeile mich, Ew. Majestät Ml ine Berufung auf den serbischen Thron mitzuteilen. Durch einstimmigen Beschluß des Senats und der Skupschtina gewühlt, beabsichtige ich, die väterlichen Traditionen wieder aufzunehmen und hoffe, meinem Vaterlands Freiheit und Glück zu bringen. Ich bitte Zw. Majestät ehrfurchtsvoll, auf mich jene Gefühle der Sympathie zu übertragen, welche Aller- höchstdieselben für meinen Vater bis zu seinem Tode gehegt haben. Wenn Ew. Majestät geruhen, mir dieselbe zuteil werdeu zu lassen, wird mir die Erfüllung meiner Pflicht leichter gemacht werden. Ich habe die Absicht und die Gewißheit, sie zu verdienen. Die Antwort des Kaisers lautete: Erkenntlich für die freundliche Mitteilung Ihrer Thronbesteigung, lege ich Wert darauf, sie unverweilr meiner vollen Sympathie und meiner Wünsche für eine lange und glückliche Regierung zu versichern. Möge es Ew. Majestät vergönnt sein, die Ihnen zugefallene edle Mission erfolgreich durchzuführe», indem Sie ihrem unglücklichen, von einer Reihe innerer Stürme schwer heimgesuchten Lande Frieden, Ruhe und Achtung wiedergeben und es nach dem tiefen Fall, den es jüngst infolge eines frevelhaften, allgemein verabscheuten Verbrechens in den Augen der zivilisierten Welr gethan hat, wieder aufzurichten. In der Durchführung dieser Aufgaben können Ew. Majestät auf meine Unterstützung und Freundschaft rechnen und überzeugt sein, daß mir. wie Ihnen selbst, stets am Herzen liegt, die schon seit langer Zeit zwischen unseren Ländermbestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu befestigen.
Gedanken zur Neichstagswahl«
Eine Stichwahl ist immer ein böses Ding! Macht die Hauptwahl schon böses Blut genug, so pflegt der verschärfte Kampf um dir Stichwahl die Erregung bis zur Siedehitze 'zu steigern. Darum möchte jemand, der es gut mit dem deutschen Volke meint und der besonders ein warmes Herz für den Mittelstand besitzt, in ruhiger und leidenschaftsloser Weise die Hauptstreitpunkte beleuchten.
Zolltarif, Heeresvermehrung u. Mittelstandspolitik, das sind die Angeln, um die der ganze Streit sich dreht.
Haben unsere Kleinbauern ein Interesse an höheren Zöllen? Ja, ein sehr großes! Selbst dem, der kein Getreide verkauft, kann es nicht einerlei sein, ob der Preis für das wichtigste landwirtschaftliche Erzeugnis steigt oder sinkt. Nach dem Ge-