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„Mehr bin ich heute leider nicht im Stande Ihnen vorzulegen, Herr," nahm darauf Saref Pascha das Wort. „Ich weiß aber noch mehr schöne, preiswürdige Sachen, und es wird mir Vergnügen machen, Ihre Sammlung vermehren zu können."
Der Pascha hatte nach diesen Worten das Haupt geneigt, und ich erhob mich. Der alte Türke drückte die Elfenbeinklappe neben sich. Der Vorhang des Zeltes war zurückgeschlagen, und der Egypter im blauen Kaftan erschien dort und hielt für meinen Durchgang die Falte offen. Ich dankte dem Pascha, verneigte mich tief und schritt aus dem schwülen Gemach.
Hoher Herr, ich habe noch viel schönere Sachen, als der Pascha und diese viel billiger. Darf ich dieselben einmal zu Ihnen in den Gasthof bringen?" zischelte mir der Egyp;er auf arabisch ins Ohr. „Ich heiße Fingan."
Mit Vergnügen, stimmte ich zu. „Kommen Sie nur," erwiederte ich. „Wann kann ich Sie erwarten?"
„Morgen, Herr, wenn es Ihnen paßt; morgen um zehn Uhr Vormittags schon," flüsterte er hastig und übergab mich mit einer tiefen Verneigung dem Nubier.
Abermals ließ ich je zehn Franken Trinkgeld in die Hände der Diener gleiten und fuhr trotz der hohen Auslagen sehr befriedigt in den Gasthof zurück. Ich hatte heute viel erreicht, ganz wider Vermuten eine Verbindung mit eiaem höheren Diener des Paschas angeknüpft, der für Geld sehr zugänglich schien. Ich war einen großen Schritt in der Verfolgung meiner Angelegenheit vorgerückt. Ich hatte einen Kanal entdeckt, durch welchen ich Kenntniß von dem, was in der letzten Zeit im Palast vorgekommen war, erhalten konnte. Das freute mich ungemein. Wie ein Alp lasteten jedoch sonst die Eindrücke, welche ich heute bei dem Besuche im Palast Mansur empfangen, auf mir. Der Pascha, der doch ein reicher Mann war, hatte, um ein paar tausend Franken zu erschnappen, eine Habsucht gezeigt, die beinahe krankhaft war, er hatte nicht das niedrige Mittel gescheut, durch eine Schönheit seines Harems seinen Handel zu unterstützen. Das war selbst für einen orientalischen Großen des verschwenderischen, geldbedürftigen Egyptens jener Zeit unerhört. Zu welchen Dingen war demnach jener Mann nicht fähig, falls es sich um große Summen handelte! Konnte nicht aus Unvorsichtigkeit der junge Levantiner den Rosabrillanten dem Pascha geze-gt, dadurch dessen Habsucht entflammt haben, konnte nicht der Pascha dasselbe Kunststück wie bei mir angewendet haben, um den jungen Mann zu fesseln oder in einen Hinterhalt zu locken?
Dieser Gedanke drängte sich mir nach dem Besuche auf. Und dieses schöne Weib, das mich anzog und abstieß zugleich, mußte sie nicht dem viel jüngeren Manne doppelt gefährlich werden? Und dann stand vor meinem inneren Auge ihr starrer Blick auf meinen Brillanten.
Es giebt — dies überlegte ich weiter eine tolle Leidenschaft für seltene, große, schöne Edelsteine, namentlich für Brillanten. eine Art Manie, welche durch nichts aufhaltbare und einzudämmende Begierden in den von dieser Sucht Befallenen entfesselt.
Außerdem herrscht in Indien allerlei Aberglaube, der sich an gewisse Edelsteine
j knüpft, deren Besitz nach dem Glauben jener Menschen dem Eigner eines solchen Kleinods besondere Eigenschaften, Kräfte und Vorzüge verleihen soll. Das schöne Weib war offenbar von einer derartigen Leidenschaft besessen. Auf der einen Seite also die Habsucht des alten Türken, auf der anderen die Sucht der Jndierin nach den glänzenden Steinen — das bedeutete für den Levantiner die höchste Gefahr, wenn diese Beiden Kenntniß erlangt hatten von dem Juwel, das er bei sich trug.
Mich störte bei dieser Ueberlegung ein Pochen an der Thür. Der Agent stand draußen, ich hatte ganz vergessen, daß er heute Abend mir Bescheid bringen wollte i» Betreff der Anknüpfungsversuche mit Dienerinnen des Palastes Mansur.
„Nun, wie stehts, Herr Patrodos?" begrüßte ich den alten, stets vorsichtig und leise austretenden Herrn.
„Die Sache macht sich. Sie macht sich sogar sehr gut. Limbabje Kernn, eine sogenannte Amme im Harem des Paschas, will Sie morgen früh um acht Uhr am Attarin, das ist der Gewürzmarkt, im Viertel der Bazare sprechen. Sie möchten bei dem Heraustreten aus dem Gasthofe dies Taschentuch in der Hand halten."
Der Agent übergab mir bei diesen Worten ein mit großen gelben Blumen bedrucktes, dunkclrotes Kattuntaschentuch.
„Das bäuerische Tuch paßt wenig zu meiner Kleidung und wird auffallen," versetzte ich.
„Hier fällt nichts auf," meinte der Agent. „Man ist an die größten Seltsamkeiten, sowohl bei den Fremden wie bei den Einheimischen gewöhnt. Das Tuch wird Niemand beachten."
„Und muß ich es denn durch die ganze Stadt bis am Orte der Zusammenkunft in der Hand tragen?" (Forts, folgt.)
Vermischtes.
(Redaktions-Maikäfer und Schmetterlinge.) Die Nachricht von den „ersten Maikäfern" dieses Jahres veranlaßt einen naturwissenschaftlichen Mitarbeiter der „Tägl. Rundschau" zu folgender Zuschrift: Die Zeit ist also schon da, in der eifrige Zeitungsleser ihr Interesse an „ihren" Blättern durch Einsendung von Maikäfern und Schmetterlingen bekunden. Letztere werden durch ungewöhnlich mildes Wetter und Sonnenschein hervorgelockt, aber nicht, wie viele glauben, aus der Puppenruhe vorzeitig aufgescheucht, sondern nur aus ihren Ver- stecken, die sie beim Eintritt der rauhen Jahreszeit ausgesucht haben, um dort eine Art Winterschlaf zu halten. Die meisten Schmetterlinge gehen Ende des Herbstes zugrunde und lassen ihre Nachkommenschaft als Puppen, Raupen oder Eier zurück. Eine Anzahl indessen, hauptsächlich Füchse und Pfauenaugen, überwintert, um an warmen Tagen zeitweilig wieder erweckt zu werden. Ein Durchsuchen versteckter Winke! in Häusern und Bäumen, besonders auf dem Lande, zeigt dies ganz unzweifelhaft. Es giebt zwar einige Schmetterlingsarten, die erst im Winter aus der schützenden Puppenhülle auskrie- chen, wie der Frostspanner. Diese entziehen sich aber, weil sie meist unscheinbar sind, der Beachtung des Laien. Die ersten eigentlichen Frühlingsboten, frische Falter, erscheinen erst Ende Februar und auch dann nur in spärlicher Anzahl. Maikäfer können zu jeder Zeit im Winter gefunden
werden. Sie liegen seit dem Herbst als vollständig aus gebildete Insekten in der Erde, so daß man diese nur umzugraben braucht. Je mehr sich der Winter seinem Ende nähert, in umso höheren Erdschichten sind Maikäfer anzutreffen.
— Ueber Paul Krüger schreibt Pfarrer Schowalter der „Tgl. Rdsch.": Gegenüber den niederländischen Nachrichten über Krügers Gesundheitszustand bin ich ermächtigt, zu erklären, daß nicht eine Spur von Wahrheit daran ist. Krüger ist auch heute noch ein Mann des Glaubens und der Hoffnung. Auch seine körperliche Kraft ist in Anbetracht seines hohen Lebensalters eine staunenswerte. Entgegen einer Behauptung, daß Präsident Krüger einst Deutschland den Schutz über sein Land angeboten, Bismarck aber den Fehler gemacht habe, dieses Anerbieten nicht anzunehmen, läßt nur Krüger Mitteilen: Es ist nicht ein wahres Wort an dieser ganzen Behauptung. Weder ich noch irgend welche andere verantwortliche Persönlichkeit hat jemals solch einen Vorschlag gemacht."
— Marconis drahtlose Telegraphie entwickelt sich überraschend schnell. Mit ihrer Hilfe können die Schiffe auf dem Meere in fortwährendem Nachrichten-Austausch mit dem Lande bleiben. In Til- tury in England traf dieser Tage der große Transportdampfer Minneapolis von Newyork ein. Mitten auf dem Ozean erhielt er fortgesetzt Marconi-Telegramme. So war es möglich, daß die Passagiere immer über die Vorgänge auf dem Lande unterrichtet waren. Selbst die längsten Telegramme wurden exakt wiedergegeben.
(Aus der Schule.) Lehrer: „Sage mir, wo sitzt das Herz?" - (Schüler ! schweigt.) — Lehrer (auf die Brust deu- 'tend): „Fühlst du denn hier keine Schläge?"
— Schüler: „Nein, die fühle ich immer wo anders."
(Aha!) „Ihr Sohn hat aber ein glänzendes Schulzeugnis erhalten,"
— „Das hat aber auch viel Wichse gekostet."
(Zerstreut). Friseur (zum Pro- fessor): „Wünschen wieder Koteletten, Herr Proseffor?" — Professor: „Ja, aber mit Salat, bitte!"
(Mißglückte Rennomag e.) Erster Kommis : „Unser Schuhgeschäft ist so groß, daß wir eigene Viehzüchtereien zur Gewinnung des Leders haben." Zweiter Kommis: „Wenn'S weiter nichts ist! Unseres ist so umfangreich, daß ein Kunde, der die in der Hinteren Abteilung gelausten Schuhe gleich anzieht, mit durchgelaufenen Sohlen den Ausgang erreicht."
(In die Falle gegangen.) In einem Eisenbahn-Coupe werden Anekdoten erzählt. Alles amüsirt sich; nur ein Ge- schäjtSreisenderbemerkt nach jedem Scherze: „Au, au — das ist ja uralt!" — Einer der Mitreisenden, dem die Allwissenheit des Reisenden etwas verdächtig vorkommt, wendet sich schließlich mit der Frage an ihn: „Können Sie die Geschichte von Friedrich dem Großen und dem Eisenbahn- Kondukteur?" — „Ja natürlich!" sagte der Reisende. — „Ach, das ist ja eigentümlich", erwidern die Andern, „denn zur Zeit Friedrichs des Großen gab es ja noch gar keine Eisenbahnen!"
Telephon Nro. 33.
Redaktion, Druck und Verlag von Albert Wildbrett in Wildbad.