Beilage zur „Wildbader Chronik."
27-s. 2S.
Ireitag, öen 27. Jebruarr 1903
39. Jahrgang.
Die Jorrn öer Aufschrift bei ^ostfeuöungen.
Fremde Gebräuche werden gerne nacb- geahmt auf allen Gebieten, so wird auch neuerdings eine Form der Aufschrift bei Postsendungen beliebt, die vom Ausland kommt und die verdient, vom postalischen Standpunkte aus öffentlich besprochen zu werden.
Leider enthält die Postordnung keine Bestimmungen über die Form der Auf» schrift, sie schreibt nur vor, daß der Empfänger und der BestimmnngSort deutlich und so bestimmt bezeichnet sein müssen, daß jeder Ungewißheit vorgebeugt wird. Indessen hatte sich bei uns allgemein die auch amtlich empfohlene Art der Adressi- rung eingebürgert, daß zuerst der Empfänger, dann unten rechts der Bestim- mungsort und darunter die Wohnung des Empfängers (Straße u. Hausnummer) angegeben wird. Anders im Ausland. Einesteils wird der Bestimmungsort über den Empfänger, also ganz nach oben, andernteils unter die Wohnung, also ganz nach unten gesetzt. In der letztbezeichneten Weise wird namentlich in Frankreich u. England adressiert. In England findet sich noch die weitere Eigentümlichkeit, daß die Hausnummer vor der Straßenangabe niedergeschrieben wird. Diese Gebräuche werden neuerdings auch bei uns vielfach, nicht nur von Privaten, sondern auch von der Geschäftswelt nachgeahmt. Es wird nicht verkannt, daß die eine wie die andere der im Ausland gebräuchlichen Adressierungsweisen gewisse Vorzüge vor der unsrigen besitzt. Bei beiden tritt der Bestimmungsort etwas mehr hervor, ein Umstand der wohl geeignet erscheint, das Sortiergeschäft während der Beförderung zu beschleunigen. Ferner wird dadurch, daß Empfänger und Wohnung näher beieinanderstehen, am Bestimmungsorte die Verteilung der Sendungen und die Bestellung selbst erleichtert.
Zu Gunsten der Deutschen Nachahmer soll angenommen werden, daß sie nicht nur von dem alten Erbfehler der Deutschen, der Vorliebe für alles Fremde, sondern von dem anerkennenswerten Bestreben geleitet sind, der Post ihr oft schwieriges Geschäft zu erleichtern. In Wirklichkeit erreichen sie aber das Gegenteil. Der Beamte, der die für ihn gerade wesentlichen Angaben an der gewohnten Stelle nicht findet, ist gezwungen, die ganze Aufschrift danach zu durchsuchen u. wird in seinen Dienstgeschäften durch jede von der allgemeinen abweichenden Aufschrrftsform nur aufgehalten. Es ist deshalb im Interesse des Postdienstbetriebes dringend erwünscht, daß das Publikum Abweichungen von der jetzt üblichen Adressierungsweise vermeidet, u. dadurch in seinem Teile zur Erleichterung des Sortiergeschäfts und zu rascher Abfertig, ung der eingelieferten Sendungen mithilft. Wesentlich konnte dies auch noch dadurch geschehen, daß der BeitimmungSort durch starke Unterstreichung kenntlich gemacht würde, oder daß insbesondere in der Geschäftswelt solche Briefumschläge Verwendung fänden, auf denen für die
Angabe des Bestimmungsorts ein starker Strich vorgedpuckt ist.
Eine kleine Mühe und ein kleiner Zeitaufwand für den Einzelnen, aber ein großer Vorteil für das Postganze.
Mnterhcrttenöes.
Der Diamant des Levantiners.
Erzählung aus dem Orient von Rosenthal.Bonin.
(7) (Nachdruck verboten.)
Mir kam das plötzliche Erscheinen dieses WeibeS so überraschend, daß mir fast schwindlig ward, und mein Her; pochte derartig, daß ich fürchtete, der dicht vor mir sitzende Pascha könne es hören.
Die Jndierin zog die golddurchwirkte seidene Decke von dem Brette und setzte dasselbe mit den Schälchen, die eS enthielt, auf den niedrigen Tisch, der zwischen unseren beiden Divans sich befand; dann schritt sie zu dem Eingänge und blieb dort, das Gesicht uns zugewandt, stehen. Hierbei bemerkte ich, daß der Blick dieses fremden Weibes mit einem eigentümlichen Glühen auf meine Hand sich heftete. Ich trug einen außergewöhnlichen schönen Brillantring, ein Geschenk des Sultans. Aus den großen, seltsam nachrdunkeln Augen der Jndierin sprühte und loderte ein wildes verzehrendes Feuer, es war, als ob ihre Blicke wie von einer hypno- tisirenden Macht von meinem Steine angezogen würden.
Diese Wahrnehmung war das Werk weniger Sekunden. Ich machte sie bei einer einzigen flüchtigen Kopfwendung, denn eS wäre trotz der auffallenden Vor- urtheilslosigkeit des Paschas hier nicht schicklich gewesen, die Odaliske anzusehen.
„Lolah, komm näher und kredenze dem hohen Herrn die Schale", befahl jetzt der Pascha mit seiner dumpfen, aber eindringlichen Stimme.
Die Dienerin schritt langsam auf den Tisch zu, nahm die eine Schale und setzte sie mir an den Mund, dabei senkte sie einen Blick in meine Augen, daß mir der Athem stockte, und es mir brennend heiß durch die Brust fuhr. Dann kre. denzte sie auf gleiche Weise die andere Schale dem Pascha. Sobald wir die Schälchen in der Hand hielten, um zu trinken, nahm sie wieder ihre vorige Stellung am Eingang des Zeltes ein.
Trotzdem ich es nicht unterlassen konnte, verstohlene Seitenblicke auf die schöne Odaliske zu werfen, brachte ihre Erscheinung jetzt zu gleicher Zeit einen peinlichen Eindruck auf mich hervor, der mir warnend zurief: Hüte dich! Hüte dich! — Der Pascha hat eine versteckte Absicht bei diesem für seine Anschauungen ganz außerordentlichen Thun. Es handelt sich bei ihm sicherlich nicht um eine Klei- uigkeit, wenn er mit solchen Mitteln dir schmeicheln, dich an sein Haus fesseln will!
Ich zwang mich, vor mir nieder auf den Tisch zu sehen, um den Kopf klar zu behalten.
„Lolah," rief der Pascha jetzt wieder.
„Bring das Kästchen her und zeige dem hohen Herrn das Fläschchen."
Die Jndierin brachte auf dies Geheiß ein mit roter Seide ausgeschlagenes Rohrstabkästchen, in welchem ein sehr altertümliches, mit Goldgitterwerk überzogenes bläuliches Achatfläschchen lag, das mit Diamanten besetzt war. Ich bemerkte beim ersten Blick, daß das kleine Gefäß echt, alt und wunderschön, die Diamanten jedoch neu und sehr gering- werthig waren. Die schlanken, rosabläulichen feingeformten Hände der Jndierin hielten das Fläschchen.
„Ein seltenes, herrliches Werk!" sprach der Pascha. „Es hat einen Wert von fünftausend Franken. Durch meine Vermittlung können Sie das Stück um dreitausend haben."
Ungeachtet der wirklichen Schönheit der Arbeit und der Altertümlichkeit war das Stück höchstens fünfhundert Franken wert.
Ich nahm das Fläschchen in die Hand, betrachtete es und legte es mit den Worten: „Herrlich, wahrhaft herrlich!" in das Kästchen zurück. Die Odaliske nahm jetzt daraus einen indischen Dolch von prächtiger Arbeit mit echten Rubinen, Türkisen und weißen Perlen besetzt und hielt ihn mir vor. Ihre Hand zitterte leicht. Ich warf einen Blick auf ihr Gesicht. Sie schaute wie verzaubert auf meinen Brillanten, ihre Augen waren weit geöffnet, und sie atmete schwer. Mir war trotz der berauschenden Nähe des schönen Weibes sehr unbehaglich zu Muthe. Der Blick ihrer Augen erinnerte mich an das Starren einer Schlange, die eine Beute erblickt und sich auf dieselbe stürzen will.
„Diesen Dolch im Wert von mindestens viertausend Franken darf ich Ihnen, Herr, für dreitausend zu Füßen legen," fuhr der Pascha höflich, fast freundschaftlich zutraulich fort.
Zweitausend war der Dolch für jeden europäischen Sammler und Antiquitäten. Händler wert. Etwas kaufen mußte ich, und so viel durfte ich es mir kosten lassen, um mir den Zutritt zu dem Palaste zu erhalten.
„Mit Eurer Excellenz Erlaubniß möchte ich den Dolch zu diesem Preise mein Eigentum nennen," erwiederte ich, mich tief vor dem Pascha verneigend.
Die kleinen stumpfen schwarzen Augen des Paschas funkelten einen Moment blitzartig auf, und die pergamentgelben Wangen röteten sich förmlich. Welch' ein» Habsucht sprach aus diesem Mumiengesicht!
„Lolah, wickle dem Herrn den Dolch ein!" befahl der Pascha.
Die Jndierin nahm einen Streifen blauer Seide aus dem Kasten, hüllte sorg- faltig den Dolch darin ein und überreicht» das Päckchen mir.
Ich öffnete wein Notizbuch und legte drei Tausendfrankenscheine auf das Tischchen.
Der Blick des Paschas durchbohrte die Scheine, er nahm sie einen Moment in die Hand, befühlte sie mit den knöchernen Fingern, hielt sie gegen das Licht und schob sie, sich leicht gegen mich verneigend, in seine Gürteltasche.