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Nimbus des auserwählten Volkes verloren geht, schadet nichts. Der Kern und In­halt bleibt immer derselbe: Gott und sein Wirken. Nie war die Religion ein Er­gebnis der Wissenschaft, sondern ein Ausfluß des Herzens und Sinns des Menschen aus seinem Verkehr mit Gott.

Ein Wort der Verteidigung der Kronprinzessin Luise" ist der Titel einer bei Cäsar Schmidt in Zürich erschienenen Broschüre. Wie aus Wien gemeldet wird, ist gegen dasselbe ein Verbot der Wei­terverbreitung erlassen.

Nach einer Meldung aus Rom wird am Freitag der älteste Kardinal dem Papste die goldene Tiara überreichen, welche die Katholiken der ganzen Welt anläßlich des Jubiläums zum Geschenk darbringen. Die Tiara hat einen Wert von 145,000 Fr.

Washington, 8. Febr. Ueber die Ehescheu in der amerikanischen Frauen- weit hat Präsident Roosevelt jüngst lebhafte Worte fallen lassen. Die Fruchtbarkeit der amerikanischen Rasse ist im Sinken begriffen, das ist eine Thatsache, welche der Präsident in einem Briefe an die Verfasser des LuchesINs ^Vomau vllo toils" ausdrücklich zugibt. Dir amerikanischen Mädchen seien zu selbstsüchtig, um zu heiraten, zu selbstsüchtig um Kinder aufzuziehen, so heißt es in diesem Bucke von der arbeitenden Frau, und der Präsident spricht seine Zustimmung aus. Sein besonderer Schmerz ist es, daß gerade der eingeborene, seit Jahr- ' Hunderten landsäfsige Teil der Nation als ehefeindlich und kinderarm sich erweist, während die fremden Elemente (20 auf 75 Mill. Einwohner) in dieser Hinsicht etwas bessere Gewohnheiten haben. Sie heiraten mehr.Wer immer", sagt dazu der Präsidentso herzlos und hirnlos ist, die Ehe mit Vorbedacht zu vermeiden, muß bei jedem gesunden Volke als ein Gegenitand des Abscheues gemieden werden." Andere Beobachter werden darin die natürliche Folge der in Ame­rika überhand nehmenden Frauenemanzi­pation erblicken. Hat sich doch die amerikanische Frau aller Berufsgatmngen bemächtigt, sie zeichnet sich auf allen Ge­bieten aus, die ehedem als männlicher Reservatbesitz galten, sie ist Arzt, Kauf­mann, Jurist, Professor, ihr Boudoir ist ein Kontor geworden, das häufig durch einen besonderen Draht mit dem Stock- Exchange in Verbindung steht; sie besitzt auch gesetzlich alle Rechte, die der Mann genießt, ist in vielen Staaten wahlfähig und wählbar, hat sich in allen Stücken von der alten Vormundschaft des Mannes losgerissen und kann es heute mit ihrem höchsten Diskant zum Himmel jubeln: Ich bin frei, ich bin selbständig, ich bin emanzipiert, ich bin ich!" Und siehe, nachdem man alles gethan, um die Frau zum Manne zu machen, handelt sie nun auch im Punkte der Ehe, als ob sie keine Frau mehr wäre. Man glaubte, das Edelweib heranzuzüchten, und es gelang bloß, das Weib zu entweiblichen. Das ist das einseitige Ende solchen Kampfes wider die im göttlichen Gesetz und in der Natur begründeten Schranken. An­derswo wird es auch nicht anders sein, wie in Amerika.

Caracas, 19. Febr. Präsident Castro hat durch ein Dekret die Wirkung der Abtretung der 30 Prozent der Zoll- ' einnahmen an die europäischen Gläubiger

Venezuela- mit einem Schlag aufgehoben j indem er auf alle Ausfuhr- und Einfuhr­artikel eine Zollerhöhung von 30 Prozent verfügte, und cwar unter dem Titel einer Knegsabgade. Gleichzeitig legte Castro den Haupt-Exportartikeln noch eine Extra- KriegSsteuer auf und zwar in exorbitan­ter Höhe mit der Motivierung, daß diese Abgaben ausschließlich von den europäi­schen Exporthäusern getragen würden. So ist von jetzt an auf Kakao allein 16 Bolivares per 50 Kilo Extrazoll zu zah- len. Die europäischen Kaufhäuser sind empört, da tatsächlich durch diese Maß- regel die ganze Last und Unkosten der Blockade und der letzten Operationen so gut wie ausschließlich auf die ausländi­schen Kaufleute und den auswärtigen Handel abgewälzt sind.

AnterHcrl.'tenöes.

Der Diamant des Levantiners.

Erzählung aus dem Orient von

Rosenthal-Bonin.

5) (Nachdruck verboten.)

In dem Gasthofe angelangt, zeichnete ich meiner Gewohnheit gemäß Alles auf, was ich ergebt und welche Mutmaßungen und Gedanken sich mir aufgedrängt hat- ten, und verschloß das Tagebuch i» meinem Koffer. Ich hatte gefunden, daß die Befolgung dieser Methode bei dunklen und schnurrigen Sachen sich sehr nützlich erweist, und daß die Jrrgänge, Wechsel- sälle, vorausbedachte und unvorhergesehene vom Ziele ablenkende oder hinführende Ereignisse, welche die Aufzeichnungen wiederspiegelten, mir in vielen Fällen schon gute Dienste geleistet hatten, auch für die Zukunft ein lehrreiches und interessantes Material gewährten.

In der Nacht träumte ich von der dunklen Haremsschönheit, deren Erschei­nung einen seltsam berückenden Eindruck auf mich gemacht hatte. Ich mochte wollen oder nicht, ich mußte an dieses Weib denken, und ihr Bild stand mir trotz meines Ankämpfens dagegen unaus­gesetzt vor Augen und nahm mich wie ein böser Zauber gefangen. Ich erkannte, daß nicht nur der Wunsch, Klarheit über das Verschwinden Josua Ephraisi's mich nach dem alten Palaste zog, sondern ebenso sehr, vielleicht in noch stärkerem Grade, die Sehnsucht, dieses Weib noch einmal zu sehen. Ich war ein Fünfund- dreißiger, hatte viel im Leben gesehen und erfahren, kannte die Frauen fast aller Weltteile und war überhaupt nicht leicht in Flammen zu versetzen. Jetzt aber verwirrte und beunruhigte mich ge­witzigten alten Knaben diese Person, un­streitig ein Haremsgeschöpf, und dem Anschein nach aus Ostindien stammend, vielleicht von Java oder Sumatra. Ich hatte die Pflicht übernommen, einem Verbrechen nachzuspüren, und ich war auf dem besten Wege, in eine heftige Leidenschaft zu verfallen. War ich denn von Sinnen! Ich kämpfte mit mir Alles vergeblich! Trotz der klarsten käl­testen Vernunftgründe und schärfsten ju­ristischen und moralischen Erwägungen stand daS Bild dieser fremdartigen Schön­heit in unvermindeter Zauberkraft vor meinen Augen und verfolgte mich, wo ich ging und stand. Ich konnte die Minute I nicht erwarten, bis eine Meldung des j Paschas mich nach dem Palaste rief.

Trotz der Verwirrung in meinem Inneren war ich in der Angelegenheit, die mich hergeführt hatte, keineswegs unthätig.

Nach der Aussage Wener's war der junge Levantiner die größte Zeit des Ta­ges nicht in dem Gasthofc gewesen. Bei dem Agenten war er ebenfalls nicht ge­wesen, sonstige Bekannte hatte der junge Mann, welcher zum ersten Male in Kairo war, dort nicht. Zum Spazierengehen war die Jahreszeit schon zu heiß, und den ganzen Tag in den Kaffees herum­zusitzen, war höchst langweilig. Immer konnte er doch auch nicht bei Saref Pascha sich aufgehalten haben. Wo also hatte er seine Zeit zugebracht?

Ich erkundigte mich, ob Saref Pascha vielleicht ein Landhaus bei Ka>ro habe, und brachte in Erfahrung, daß er etwa ein Kilometer von der Stadt auf der Insel Roda, zwischen dem Nilstrom und dem Nilarm, einen kleinen von Gärten umgebenen Palast besitze, der jedoch nur zu Ausflügen und als Ergehungsort der Damen seines Harems benützt werde, sonst aber unbewohnt sei. Ich fuhr nach Alt- Kairo, ließ mich über das Wasser setzen und machte einen Spaziergang durch die Insel, weiche größtenteils mit einsamen Landhäusern, die inmitten hochummauer­ter Palmengärten lagen, bedeckt war. Ich fand einen aufgeweckten, gesprächigen Eseljungen, von dem ich herausbrachte, welches das Landhaus Saref Paschas sei, lohnte den Buben mit einem Piaster ab und näherte mich dem Hause. Ich verstand Arabisch und sprach es leidlich, das war ein unberechenbarer Vorteil für mich, denn ich konnte dadurch mich mit Leuten aus dem Volke unterhalten, und der Egypter schwatzt gern, besonders fühlt er sich geschmeichelt, wenn ein Fremder ihn einer Unterhaltung würdigt.

Ich sah an der schmalen, dunkelrot angestrichenen Eingangspforte der endlosen Gartenmauer einen alten Fellachen, der die schadhaften Stellen der Mauer mit Ziegelbrocken fülllö und Mörtel darauf warf.

Saref Paschas Palast?" knüpfte ich ein Gespräch an, dem Mann ein Päckchen Tabak schenkend.

Der seine, hoher Herr."

Bist Du in des Paschas Dienst?"

Seit einem Monat bin ich allein der Hüter des Hauses, früher war ich Gehilfe ves Wächters, hoher Herr."

Wo ist denn der Wächter geblieben? Ist er gestorben?"

Ja, hoher Herr, er siel in's Wasser uud ertrank."

Wie geschah denn das?" fragte ich.

DaS weiß ich nicht", erwiederte der Fellache.Wenn die Weiber da waren, durfte ich nicht in den vorderen Teil des Gartens, der nach dem Nil zugeht. Hoyed, der Wächter, wurde gerufen zum Schlöß­chen zu kommen, nach einer Stunde ver­ließen die Frauen den Garten. Hoyed kam nicht zurück. Er kam auch am Abend und während der Nacht nicht. Ich suchte ihn im Garten, im Hause er war nirgends zu sehen, am nächsten Tag fand man ihn tot im Wasser. Seit der Zeit wohne ich allein in dem Häuschen hier an der Pforte, und es wird auch wohl kein Wächter mehr eingesetzt werden, weil die Frauen nicht mehr in den Garten kommen."