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beläuft sie sich auf 30000. Daß gerade kultivierte Stämme sich am schnellsten vermehren (weil ihre Lebensführung die Sterblichkeit vermindert), beweisen die Tschirokesen, die 1782 nur 3000, jetzt aber 25000 Seelen zählen. Die Tschakta- Jndianer sind von 6000 auf 16 000, die Krik-Jndianer von 3000 auf 14 000 Köpfe gewachsen. Die Gesamtzahl der Rothänte in den Vereinigten Staaten beträgt gegenwärtig rund 250000, und es liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß ihre Zahl vor 200 Jahren höher gewesen ist. Die Erzählungen von Massenausrottungen der Indianer sind als Fabeln zu betrachten. „Der letzte Mohikaner" lebt noch im besten Wohlbe- finden nur ist der Stamm 2400 Mann stark nach Kanada auSgewandert. That- sächlich ist nur »in einziger Fall bekannt, daß ein ganzer Stamm ausgerottet wurde. Das geschah in den 40er Jahren in Kanada, und die Feinde waren eine verheerende Pockenepidemie und die Mordlust eines benachbarten Stammes. In den Kämpfen der weißcn Goldsucher mit den Indianern Kaliforniens und der Nachbargebiete fielen insgesamt etwa 7000 der Eingeborenen; doch kennt die Geschichte der Rothäute kein Gegenstück hiezu."
Lokcrtes.
Wildbad, 6. Sept. Herr Sattlermeister Eberle hier kaufte von Frau Maier We. das neben der Villa Hammer im Stich gelegene Feld im Meßgehalt von 28 ar um die Summe von 3800 Mark. Der Käufer beabsichtigt ein Wohnhaus darauf zu erstellen; ferner kaufte kürzlich Herr Schreinermeister Brach hold hier von den Erben der Flößer Treiber Witwe den in der König-Karlstraße Nr. 77 gelegenen Hausanteil nebst dem dazugehörigen Teil des Hintergebäudes um die Summe von 7 000 Mark.
Wildbad, 8. Sept. (Eiliges.) Am Mittwoch findet im Kgl. Kurtheater ein seltenes Jubiläums-Fest statt: Die lOOOste Aufführung des Märchenschauspiels „Die Königskinder" von Jos. Pohl-Prantl unter dessen persönlicher Leitung. Diese Vorstellungen erregten überall, selbst in den höchsten Kreisen, Staunen und Bewunderung. Das Spiel der Kleinen in ihrer Naivität ist unter Leitung des Herrn Verfassers so originell, so kunstvoll und alle Erwartungen übertreffend, daß niemand diesem Zauber wiedersteheu kann. Tausende und aber Tausende von Kleinen haben schon in diesem Kunstakt mitgewirkt und die teils schwierigen Rollen glänzend interpretiert. Tausende von leuchtenden Kinderaugen haben entzückt die Feenpracht geschaut und ihre unschuldsvollen Herzen den hochpoetischen Worten gelauscht und Tausende Erwachsene waren ebenso entzückt und beglückt durch das herrliche Spiel und sind wieder jung geworden mitdenKlei- nen. Wer sie einmal gesehen „Die Königs- kinder"derkannnichtwiderstehen,er muß sie Wiedersehen. Und Jung und Alt wetteifert stets in stürmischen Beifallsbezeugungen, welche demHerrnVerfasser auch inhunderten schriftlichen Anerkennungen zu teil wurden. Gern gesehen von Jung und Alt, in Palast wie in Hütte, soll es nun dem Verfasser vergönnt sein, hier in Wildbad die lOOOste Aufführung zu feiern. Wir hoffen und
wünschen, daß sich Jung und Alt einfinden j vorgebracht zu haben. In seiner Brust
wird, um dem Künstler seinen Ehrenabend durch zahlreichen Besuch verschönern zu helfen, was gewiß Niemand gereuen wird.
MnterHcrttenöes.
Am der Mitgift willen.
Roman von Arthur Zapp.
(Fortsetzung) (Nachdruck verboten.)
Wäre Klara nicht so sehr mit ihrem eigenen Gemütszustand beschäftigt gewesen, es wäre ihr vielleicht nicht entgangen, daß in dem ganzen Wesen und in der äußeren Erscheinung Herrn Guntermanns etwas Gehobenes lag, gleich als wenn ihre Gegenwart in seinem Bureau erhebend auf ihn wirkte. Jetzt brachte er aus dem großen, eisernen Schrank, der in einer Ecke des Zimmers stand, ei« großes Geschäftsbuch herangeschleppt, das er vor Klara auf den Tisch legte. Und während er dicht neben Klara stand und mit zitternden Fingern das Buch durchblätterte, strahlte ein eigentümlicher Glanz aus seinen Augen und eine feine Nöte stieg in die von der Stubenluft gebleichten Wangen.
Das Konto „Klara Wenk" war bald gefunden und nun deutete er mit seinem Zeigefinger auf die einzelnen Posten, die Klara still nachlas. Das „Kredit" auf der einen Seite enthielt die einzelnen Posten gute Hypotheken und sichere Papiere, in denen ihr Vermögen angelegt war, während auf der andern im „Debet" die Zahlungen, die vom Kapital und den Zinseneingängen geleistet worden, verzeichnet waren. Da standen vor allem vier Hauptposten, die alle im ersten Jahre ihrer Ehe bezahlt worden waren, unter dem Titel: „An Herrn v. Düringshofcn zur Meliorierung von Karlshagen," die den Gesamtbetrag von vierzigtausend Mark ausmachten. Eine andere Eintragung aber war eS, auf die Klara's Blick jetzt fiel und die bewirkte daß ihr das Blut heiß ins Gesicht schoß, daß ihre Augen plötzlich aufblitzten und daß eine Erschütterung durch ihren ganzen Körper ging. Da stand in den großen, klaren, deutlichen Buchstaben der kaufmännischen Handschrift Herrn Guntermanns : „Für Rechnung des Herrn v. Düringshofen an Herrn Haberkorn zehntausend Mark."
Als Datum war der zweite Tag nach Axel's Trauung mit Klaea angegeben.
Klara beherrschte sich mit großer Mühe, um nicht einen Schein der Ueberraschung, des Schreckens entschlüpfen zu lassen. Das Zucken in ihrem Gesicht unv der schnelle Wechsel ihres Teints, der bald rot, bald blaß wurde, entging Herrn Guntermann, denn er stand hinter ihr. Nur der heißere, klanglose Ton ihrer Stimme verriet die innere Erregung, die sie beherrschte, als sie jetzt nach tiefem Atemholen fragte: „Was bedeutet dieser Posten? Woher hatte Herr Haberkorn diese Forderung an meinen Mann?"
Herr Guntermann zuckte leise zusammen und mit einer unwillkürlichen Bewegung richtete er sich aus seiner gebückten Stellung in die Höhe. Ein bitterer Zug spielte sich um seine Lippen und in seinen Augen blitzte ein Ausdruck ingrimmiger Genug- thuung. Er öffnete den Mund, aber er schloß ihn wieder, ohne einen Laut her
vollzog sich ein heftiger, schwerer Kamps. Sollte er ihr zur Antwort geben: „Das ist der Preis, um den Sie an den Verschwender verkuppelt wurden, der vor dem Ruin stand und der zu dem geschäftsmäßigen Heiratsvermittler seine Zuflucht genommen hatte, um sich zu retten."
Sie saß leicht vornübergebeugt und starrte noch immer mit flimmernden Augen die nichts mehr unterscheiden konnten, auf das Buch. Herr Guntermann sah auf sie hernieder und ein unendlicher Mitleid regte sich in ihm. Sie liebte diesen Mann, der sie kaltherzig, nur aus materiellem Vorteil gewählt hatte. Sollte er ihres Mannes krassen Egoismus in.seiner ganzen Erbärmlichkeit vor ihr enthüllen? Sie that ihm leio, unendlich leid, sie, deren ernstes, schlichter, natürliches Wesen längst seine innigste Sympathie gewonnen hatte. Und noch etwas war in ihm, das ihn abhielt, das, was er als Vertrauensmann des Verstorbenen in Erfahrung gebracht hatte, zu verraten. Es widerstrebte seinem geraden, ehrenhaften Sinn, den Denunzianten zu spielen. Klara wandte sich jetzt voll zu dem hinter ihr Stehenden herum und sah verwundert, fragend zu ihm auf. Er mußte ihr endlich Rede und Antwort stehen.
„Darüber bin ich nicht informiert," sagte er ausweichend. Der Herr Konsul gab mir seinerzeit den Auftrag, den Posten zu buchen und den Betrag an Herrn Haberkorn zur Auszahlung zu bringen. Vielleicht stellte der Betrag die L>umme der Verbindlichkeiten dar, die Herr v. Düringshofen seinem Gläubiger aus früheren Jahren schuldete. Die Erträgnisse von Karlshagen waren, soviel ich weiß, nur gering und sie reichten wohl nicht hin, die Ausgaben des Herrn Leutnants zu decken."
Klara sah den vor ihr Stehenden mit forschenden, durchdringenden Blicken an. Er fühlte, wie ihm unter ihrem Blick das Blut ins Gesicht stieg und es war eine instinktive Bewegung, mit der er ihr jetzt den Rücken wandte und an den Geldschrank trat, dessen Thür er offen gelassen und die er nun langsam schloß. Noch ehe er zurückkam hatte sich Klara erhoben.
Herr Guntermann war sehr erstaunt, daß Frau v. Düringshofen sich schon anschickte, zu gehen.
„Wollen Sie nicht die Effekten und Hypothekeninstrumente übernehmen, gnädige Frau?" fragte er, „in denen der Herr Konsul Ihr Vermögen angelegt hat?"
Sie wehrte mit einer flüchtigen Handbewegung ab.
„Ein ander Mal, Herr Guntermann," sagte sie. „Es eilt ja nicht. Sie haben wohl die Freundlichkeit, die Papiere einstweilen noch in Ihrer Verwahrung zu behalten."
Er verbeugte sich.
„Sehr gern, gnädige Frau, wenn Sie es wünschen."
Er legte einen Nachdruck auf das „Sie", der der jungen Frau jedoch vollständig entging. Ihr brannte der Boden unter den Füßen. Sie verabschiedete sich mit einem flüchtigen Händedruck. Auf der Treppe mußte Klara eine halbe Minute rasten und sich am Geländer festhalten, um nicht zu Boden zu sinken. Kein Zweifel mehr, ihre Heirat war von Axel's Seite keine Liebesheirat, und die in ihrem Konto