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65 verschiedene Dienstleute gehabt — ein einziger Diener blieb länger als sechs Monate, und verschwand plötzlich, und mit ihm einige Kostbarkeiten. Wir haben die Wohnung vorderhand vermietet, und wenn ein Käufer kommt, der ein halbwegs annehmbares Angebot macht, kann er alles billig haben. Wir werden zeitlebens nur mehr im Hotel leben." Ein Grund- eigentumsagent erzählte, er habe nicht weniger als 165 in den elegantesten Stadtteilen gelegene Wohnungen zu Spottpreisen zu vermieten, alle Herrschaften gehörig,die zumeist der Dienstbotenfrage halber ausreißen, auf Reisen gehen oder das Hotel aufsuchcn. Der erwähnte Mann hatte vor einigen Tagen eine Prachtwohnung, deren Einrichtung über 250 000 Mk. gekostet hatte, aus drei Jahre für 7 500 Mk, jählich vermietet. Dabei muß man bedenken daß das kostbare Möblement in einem oder höchstens zwei Jahren so gut wie abgebraucht ist!
LokcrLes.
Wildbad, 3. Sept. „O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!" Wer hätte dies gestern Nachmittag nicht gedacht, wenn er in das fröhliche Getriebe auf dem Festplatz hineinsah und sich mit freuen mußte mit all den freudestrahlenden Kindern! Wie ist es doch so trefflich eingerichtet, daß nicht nur Krankheit und Sorge ansteckend sind, sondern in noch höherem Maße auch Frohsinn und Freude. Deshalb gestaltet sich das Kinderfest stets zu einem allge- meinen Volksfest, bei dem auch die Alten einmal recht herzlich vergnügt sein können. Für die Jugend wurde wieder vorzüglich gesorgt: Obst, Bretzeln und der obligate Kaffee, der an diesem Tage doppelt gut schmeckt, warteten schon auf die jungen Leckermäuler, als der Festzug, der sich diesmal durch die schattigen Anlagen bewegte, den Windhof erreichte. Jubelnd war die ganze Kinderschaar durch die Stadt gezogen,geführtvon derTurnerkapelle und nun ruckten die einzelnen Klassen mit ihren Lehrern zu fröhlichen Spielen aus ihre Plätze ab. In reichem Maße hatte die Stadt wieder für hübsche Preise gesorgt u. Hr. Stadtschultheiß B ä tz n e r machte auch den Allerjüngsten, die noch keine Schule besuchen, und mit gierigen Blicken ihre älteren Geschwister ihre Hochgenüsse verzehren sahen, eine große Freude, indem er selbst auch unter sie noch Bretzeln und Birnen verteilte. Im Windhofgarten spielte die Musik, daneben ließ die unermüdliche Orgel des Karussels ihre süßen Melodien im stärksten fortiffimo ertönen und die Wiesen hallten wieder von allen nur denkbaren Tönen, welche die liebe Jugend den verschiedensten Musikinstrumenten entlockte. Um 3 Uhr führten die Realschüler ein kleines vaterlärchisches Schauspiel aus. Daß die kleinen Mimen mit Leib und Seel bei ihrem Spiele waren, sah man auf den ersten Blick; sie führten ihre Rollen auch ganz hübsch durch und ernteten allgemeinen Beifall. Das herrliche Wetter erlaubte einen ziemlich langen Aufenthalt im Freien und erst nach 8 Uhr gab Hr. Stadtpfleger B ätz ner das Zeichen zum Aufbruch. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung und erreichte durch die Anlagen die Trinkhalle, wo noch einmal Halt gemacht wurde und aus tausend fröhlichen Herzen stieg ein Danklied zu Gott empor, ehe sich die Kinderschaar zerstreute.
Unter HaLLenöes.
Um der Mitgift Mm.
Roman von Arthur Zapp.
(Fortsetzung) (Nachdruck verboten.)
Es war Axel, der in Begleitung eines Freundes sein Arbeitszimmer betreten hatte, um wie es schien, hier ungestört bei einer Zigarre plaudern zu können. Klara hatte auf ihrer Flucht die Thüre nur angelehnt und so konnte sie einen großen Teil dessen, was im Nebenzimmer gesprochen wurde, verstehen. Schon die ersten Wechselreden, die sie vernahm, veranlaßten sie aufzustehen, sich an die Thür zu schleichen und ihr Ohr an den offenen Spalt zu legen, um sich kein Wort der Unterhaltung entgehen zu lassen.
„Sage einmal, Düringshofen," fragte Axel's Freund, „wie kam es eigentlich, daß Du damals den Abschied nahmst, Du, der Du immer mit Leib und Seele Soldat gewesen?"
Axel ließ ein lautes Auflachen hören, bevor er antwortete.
„Es geschah auch durchaus nicht frei- willig," sagte er.
„Nicht freiwillig? Wer in aller Welt hätte Dich zwingen können? Dein alter Herr hatte sich doch schon längst zu seinen Vätern versammelt."
„Mein Schwiegeroukel."
„Dein Schwiegeronkel?"
„Der Onkel meiner Frau, Konsul Rehfeld, zugleich ihr Vormund. Der machte es zur Bedingung, daß ich den Offizierssäbel in die Ecke stellen und mich in die ländliche Einsamkeit von Karlshagen zurückziehen sollte."
„Ah!" Axels Freund lachte. „Der kannte Dich, Düringshofen. Alle Achtung. Der Konsul war, wie eS scheint, ein gewiegter Menschenkenner."
„Das war er auch," pflichtete Axel gemütlich bei. „Na, schadet nicht, hab's nicht zu bereuen gehabt. ^ Zuerst freilich erschient mir hart, kolossal hart und ich wollte schon nein sagen. Aber das Messer saß mir an der Kehle. Ich mußte mich fügen."
„Verstehe, Deine Frau hat Dir wohl einen höllischen Mammon mitgebracht?" Axel ließ einen Ton tiefsten Behagens hören.
„Ich danke," beschied er." Bin zufrieden — so ziemlich eine halbe Million."
„Donnerwetter! Apropos, sag' mal Düringshofen, kannst Du mir nicht auch solch einen Goldfisch Nachweisen?
Der Gefragte lachte.
„Bist Du auch schon so weit? „Willst Du Dir auch durch eine Heirat aushelfen? Na, 's ist ein probates Mittel."
Klara horchte in fieberhafter Spannung. Sie vernahm jetzt ein Geräusch, wie wenn der Eine seinen Sessel an den des Andern heranrückte. Gleich darauf ertönte wieder Axel's Stimme, diesmal im Flüsterton: „Will Dir was sagen, aber gieb mir zuvor Dein Ehrenwort, daß Du nicht davon sprichst."
„Gut! Ehrenwort!"
„Kennst Du den sogenannten Rentier Haberkorn? In der Hauptstraße wohnt er."
„Der Biedermann soll ja wohl Geld
ausleihen gegen zwanzig ^Prozent und noch mehr!"
„Stimmt!" Abermals erfolgte ein Ruck mit dem Sessel und Axel's Stimme dämpfte sich noch mehr zum Flüsterton. „Aber der Manichäer thnt noch mehr als das. An den wende Dich mal, der hat vielleicht für Dich ein reiches Mädel
— hahaha — auf Lager."
„Auf Lager — ist gut. A! Nun versteh' ich. Darum also! Wir waren damals alle baff, wie Du plötzlich zu der Bekanntschaft kamst. Das erklärt alles. Also durch die gütige Vermittelung des Herrn Haber —"
Mitten im Wort brach der Sprechende plötzlich ab, als wenn ihm der Andere seine Hand auf den Mund gelegt hätte. Dann ertönte wieder Axel's Stimme: „Pst! Davon spricht man nicht. Uebrigens
— komm', laß uns ein bischen das Tanzbein schwingen. Wir gehören ja doch noch zur Jugend."
Die Herren entfernten sich. Klara stand hinter der Thüre wie betäubt. Ihre Pulse hämmerten zum Zerspringen. In ihrem Kopfe wirbelten die Gedanken durcheinander. Reden und Gegenreden waren so schnell einander gefolgt, daß sie doch nicht recht klar zum Verständnis alles dessen, was sie auf dem Lauscherposten vernommen hatte, gelangt war. „Haberkorn — sogenannter Rentier — Hauptstraße — Geldausleiheu — zwanzig Prozent—" Und dann kam das Unverständliche, Unfaßbare. Der Mann hatte Mädchen auf Lager. Was soll das heißen? So hatte Axel gesagt im Anschluß an seinen dem Freunde gegebenen Rat, sich an Herrn Haberkorn zu wenden.
Klara preßte beide Hände an ihre Stirn und sann nach. Plötzlich durchfuhr es sie wie ein erhellender Blitz. Mit einem dumpfen Aufstöhnen brach sie in ihre Kniee zusammen und mit dem Oberkörper warf sie sich über das in der Nähe stehende Bett. Ihre Erschütterung war so stark und die Kniee zitterten ihr so heftig, daß sie sich mit beiden Händen an der Bettkante festhalten mußte, um nicht zugleich umzusinken und mit dem Gesicht auf den Fußboden aufzuschlagen.
Als Klara zehn Minuten später sich wieder unter die Fröhlichen mischte, äußerlich ruhig und gleichmütig, wenn auch ein wenig blasser als vorher, schien niemand ihre Abwesenheit bemerkt zu haben. Nur Herr Guntermann, der an der Thür des Saales stand, trat mit der Frage auf sie zu: „Sind Sie nicht wohl, gnädige Frau? Sie sehen leidend aus und — ich habe den Eindruck, als wäre Ihnen die Einsamkeit lieber als das Gewühl Ihrer heiteren Gäste."
„Sie irren, Herr Guntermaun," erwiderte die Gefragte munter, aufgeräumt. „Sie verläumdcn mich. Ich habe mich nie wohler gefühlt und nie hat mich der Anblick lieber Gäste freudiger gestimmt als heute. Aber warum tanzen Sie denn gar nicht, Herr Güntermann? Da drüben sehe ich zwei junge Damen, die sehnsüchtig nach einem Tänzer ausblicken. Wollen Sie sich nicht ihrer erbarmen?"
Sie nickte ihm lächelnd zu und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, weiter,
Herr Guntermann sah ihr nachdenklich mitleidsvoll nach und in seinem Herzen von dem niemand wußte, wie tief und