gründet dieselbe und wendet sich gegen diejenige Presse, die einen solchen, zu­nächst im Hinblick auf die Traditionen des deutschen Beamtentums unmöglich erschienenen Vorgang als selbstverständ­lich hinzustellen versuchte. Reichskanzler Graf Bülow sagt in der Beantwortung der Interpellation, Panama sei wirklich anders gewesen als die besprochenen Vor­gänge. (Heiterkeit.) Allerdings müsse nach seiner Meinung jede deutsche Regie­rung auch den bloßen Anschein der Ab­hängigkeit von besonderen Gruppen ver­meiden. Darum stehe er nicht an, trotz dem guten Glauben der beteiligten Be­amten, den eingeschlagenen Weg als einen Mißgriff zu bezeichnen. (Bravo!) Im vollen Einverständnis mit dem Staats­sekretär des Innern, dessen Thätigkeit und Karakter ich trotz aller Angriffe hochschätze, bin ich dev Ansicht, derartige Wege dürfen nicht wieder eingeschlagen werden. Diese Auffassung ist den beteiligten Kreisen mit­geteilt worden. Persönliche Folgen werde ich der Angelegenheit nicht geben.

Berlin, 22. Nov. Ein Werk von Oberst Schiel, dem in St. Helena ge­fangenen tapferen Transvaalkämpfer, wird in nächster Zeit in holländischer und deut­scher Sprache erscheinen. Es führt den Titel:In den Händen der Engländer" und bringt wertvolle Erinnerungen aus dem Burenkrieg und wahrheitsgetreue Schilderungen aus der Gefangenschaft.

Die Allg. Ztg. veröffentlicht eng­lische Privatbriefe, die in krassester Weise darlegen, wie die Engländer in Südafrika Hausen und die Verwüstung on Aros be­treiben. Ein Sergeant in der Aeomanry schrieb,wie folgt, an seinen Vater in Sussex: Wir machen 1- bis 3mal in der Woche kleine Märsche von unserm Quartier aus, wechseln ein paar Schüsse mit den Buren, brennen einige Farmen nieder und^nehmen alles, was wir an Schlachtvieh, Geflügel, Korn rc. finden können, mit uns zurück. In der vor. Woche waren wir 3 Tage unter General Barton unterwegs. Wir haben während dieser Zeit ungefähr 20 Farmen niedergebrannt, viele mit sehr schöner Ausrüstung an Möbeln rc., mit herrlichen Pianos und Orgeln, so daß es uns oft in der Seele weh that, so die Mordbrenner spielen zu müssen. Es war oft mehr als wir ertragen konnten, wenn wir die armen Mütter mit zuckenden Ge­sichtern vor ihren brennenden Heimstätten stehen sahen, wobei sie manchmal ihre kleinen Söhne, jdie sich ganz wild und tapfer gegen uns betrugen, mit ein paar Worten beruhigten. Von Bothas Farm nahmen wir für über 100000 Mark an Wert mit uns fort, d. h. au Vieh, Ge­treide, Fourage, Wagen rc. Später am Tage führte ich den Befehl über eine kleine Abteilung, die eine andere Farm in der Nähe zu besuchen und zu ver­nichten hatte. Wir fanden dort eine alte Dame mit schneeweißem Haar, 3 aller­liebste junge Mädchen, die jeder engl. Gesellschaft Ehre gemacht hätten und einen blondköpfigen kleinen Buben, der trotzig seine Fäustchen gegen uns ballte, als die armen Frauen uns thatsächlich auf den Knieen baten, von unserem grau­samen Beginnen abzustehen. Aber was konnte das helfen; ich muß bekennen, daß mir selbst die dicken Thränen die Backen herunterliefen, als ich sah, wie meine Kerle, wenn auch nur sehr widerwillig,

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das ganze prächtige Mobiliar, einschließ­lich eines großen Flügel, vorschriftsmäßig mit Aexten in Stücke schlugen und dann Feuer an das verwüstete Haus legten. Das ist keine ehrliche Soldatenarbeit, und ich werde im Leben nicht vergessen, wie die alte Dame mit den 3 jungen Mäd­chen weinend sich in das unvermeidliche schickten und schließlich in ihrer Bibel Trost suchten."

Wien, 21. Nov. Das Wiener Landes­gericht hat, wie das Amtsblatt bekannt giebt, das Werk:Das Papsttum in seiner sozialen und kulturellen Wirksamkeit" von Graf v. Hoensbroech, 1. Band:Inqui­sition, Aberglaube, Tcufelsspuk u. Hexen­wahn", Leipzig, Breitkopf und Härtel, verboten. Bekanntlich die beste Reklame und wahrscheinlich darum dem bekannten Exjesuiten nicht unangenehm.

Paris, 26. Nov. DerTemps" schreibt anläßlich der Rede Bülows bei der 12 000 Mark-Interpellation Albrecht und Genossen : Dem Reichskanzler gelingt es, durch seine Geschicklichkeit manches zu Wege zu bringen, was selbst Bismarck nur mit Gewalt und dem Gewicht seiner Persönlichkeit erreichte. Zweifellos ist Bülow etwas Anderes als bloß ein hoch- gestellter Beamter. Es ist ein wirklicher Protazonist (darstellender Künstler) auf der Bühne der hohen Politik.

Livadia, 25. Nov. Der Kaiser ver­brachte den gestrigen Tag ruhig. Morgens war das Befinden und der Kräftezustand befriedigend. Irgend welche Komplikati­onen sind nicht bemerkbar. Der den Zaren behandelnde Arzt ist der vr. Tichouow, trotz seiner Jugend ein in Rußland bereits populärer Arzt. Seine Popularität datirt seit der Typhusepi­demie im Gouvernement Rjäsan. Rührend und großartig ist, wie die Fr. Ztg. von einem Korrespond. in Konstantinopel er­fährt, die Pflege, welche die Zarin ihrem Gemahl angedeihen läßt. Mit zwei Lieb­lingskammerdienern des Zaren weicht sie weder Tags noch Nachts von seinem Krankenlager, wie sehr auch die Aerzte ihr selbst wegen ihres Zustandes Schon­ung empfehlen. Der Zar war trotz der ernsten Erkrankung stets bei klarem Be­wußtsein und verlangte wiederholt die Vorlage von China betr. Akten, was aber die Aerzte auf das entschiedenste verboten. Die täglich einlaufenden An­fragen non Souveränen und hochstehen­den Personen erledigt die Kaiserin per­sönlich.

London, 26. Nov. Aus Maseru wird gemeldet: Ein Leutnant und vier Mann, welche während einer Necognos- cirung auf Buren stießen, wurden um­zingelt. Drei derselben wurden getödtet uud der vierte nach Thabanchu gesandt, um eine Ambulanz zu holen. 500 Buren­frauen wurden in Thabanchu in Haft genommen, weil sie beschuldigt sind, den Buren Brod geliefert zu haben.

MnterHactenöes,

Der weiße Hirsch.

Eins Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. v. Zastrow.

(Fortsetzung.)

Was mich betrifft, ich hätte nicht ein Stück trockenes Brot von ihnen genommen, i mit dir ist das etwas anderes. Rüdiger darf nicht zu schwer belastet werden, er

bringt ohnehin Opfer genug. Er deutete mir schon gestern an, daß er unseretwegen mit seinem Vater Unannehmlichkeiten ge­habt hat."

Gott segne ihn tausendmal tausend," erwiderte sie mit Inbrunst,und schenke ihm ein Glück, das so groß ist, wie unser Elend! Er schenke ihm ein besonderes Glück, wie es bisher auf Erden nicht dagewesen ist.

Wenn ich fort bin," sagte er weich, geh zu seinem Vater. Erzähle ihm alles. Ich habe die Menschen gehaßt, aber es war einer unter ihnen, Rüdiger der hat mit seiner Liebe und Treue meinen Haß umgeschmolzen, daß ich oft selbst nicht mehr weiß, was ich bin und was ich will. Er steht unter den Reihen meiner Gegner das macht jetzt nichts aus, durchaus nichts." lieber den Ab­grund hinweg reichen wir uns die Hände, und die Tropfen in unserem Blut, ob sie gleich nach verschiedenen Richtungen strömen müssen, streben einander zu. Wirkt da nicht das Geheimnis der Bluts­brüderschaft, die wir als Knaben schlossen?"

Ach Robert, alle Menschen sind Bluts­brüder, aber Rüdiger ist ein Auserwählter. Es erquickt, an ihn nur zu denken! Wie er io rein und still unter den Tannen lebt, und die Geige ist seine liebste Freundin. Seine Augen sind wie schöne blaue Blumen, so ernst und so freundlich! Wenn dn meinst, daß ihm die Last, welche er von uns hat, erleichtert werden könnte, will ich gern noch einmal schreiben."

Hast du unfern Aufenthaltsort an­gegeben?"

Ich konnte nicht anders. Doch bat ich, ihn geheim zu halten."

Wie unbedacht! Wenn nun die Briefe nicht an ihre Adresse gelangt sind?"

Dann wären sie doch zurückgekommen. Ich hatte ja unsre Chiffre, unter der wir von der Post abholen lassen, ange­geben. Ich habe auch gebeten, sie zu verbrennen, nachdem (sie gelesen worden, und das weiß ich von meiner Mutter, sie sind gute und zuverlässige Leute, die uns um keinen Preis ein Leid anthäten."

Hast du ihnen auch von Rüdiger geschrieben?"

Das mußte ich wohl. Wie hätte ich ihnen sonst erklären können, wovon wir leben. Sie wissen nun auch, wie edel er ist."

Er wagte nicht, sie zu schelten, be­kümmert dachte er daran, wie hart es für sie sei, daß sie fortan ohne seine Unterstützung leben mußte, es lag etwas kindliches, weltunerfahrenes in ihrem Wesen.Aber wenn sie nicht so wäre, hätte sie mich geheiratet", gestand er sich im Stillen. Er fing eben an, sich ein wenig mit Selbsterkenntnis zu beschäftigen.

Aller Sorgen ungeachtet schlief er end­lich ein, während sie noch lange bei dem Schein des müde flackernden Lämpchens dasaß. Dann kam der Morgen rosenrot über die Berge, und der Tag brach an, so frisch und köstlich, so voll von Vogel- rufeu, Blätterrauschen, voll Licht, Glanz und Leben, als ob Schuld und Jammer nichts als Gespenster wären, die mit den Nebeln über den Wiesen entfliehen wür­den, nur der sprudelnden Lust am Dasein Platz zu machen.

Johanne hatte endlich auch geschlafen und arbeitete dann mit fieberhafter Hast weiter. So armselig war alles, was sie besaßen und doch galt es, ein Köfferchen