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ung von Buren nach Deutsch - Südwest- Afrika wird den „B. Neuest. Nachr." berichtet, daß im Kolonialrat die Zahl der Transvaalburen, die durch die Kalahari-Wüste auf deutsches Gebiet auswandern wollen, auf ca. 15 000 bemessen wurde, und daß auf vorherige Anfrage an die deutsche Regierung, wie sie sich dieser Einwanderung gegenüber verhalten werde, die Antwort erfolgt sei, daß diese Einwanderer auf deutschem Gebiet freund- lichst ausgenommen werben würden.
Berlin, 13. Nov. Die vor etwa Jahresfrist von ruchloser Hand verstüm- melten Nebenfiguren in der Siegesallee wurden heute durch neue Marmorbüsten ersetzt.
Paris, 12. Nov. Die Gebäude der Weltausstellung wurden heute nachmittag endgültig geschlossen. Abends wohnte noch eine zahlreiche Menschenmenge der letztmaligen Beleuchtung des Wasser- schlosses und der Ausstellungsgebäude bei.
Paris, 15. Nov. Im Senat brachte der Senator Piot einen interessanten Gesetzesantrag ein, der bezwecken soll, die Entvölkerung Frankreichs aufzuhalten. Die Quintessenz des neuen Gesetzes ist ungefähr folgende : Vom 1. Jan. 1901 ab sollen die „Junggesellen beiderlei Ge- schlechts, die über 30 Jahre alt sind, be- steuert werden, indem sie eine Taxe bezahlen, die dem 15. Teile des Betrags der direkten Steuern entspricht, den sie entrichten müssen. Anch die kinderlosen Eheleute sollen zu dieser Steuer mit herangezogen werden und zwar haben sie den 20. Teil ihres Steuerbetrags vom 5. Jahre ihrer Verheiratung ab zu entrich- ten. Ferner eröffnet das ueue Gesetz dem Ministerium des Innern einen Kredit von 20 Mill. Fr., um die Lage der Familien mit mehr als 4 Kindern durch Unterstützung zu erleichtern. Jedes Jahr bis zum 1. Juni haben die Präfekten an die Bürgermeister ihrer Departements einen Fragebogen zu richten, auf dem über die Väter oder Mütter mit über 4 lebenden Kindern zu berichten ist. Sodann sollen in ihrer Augusttagung die Generalräte des Departements die Höhe der zu gewährenden Unterstützung bestim- men, die entweder in barem Zuschuß oder Stipendien skr die Kinder oder im Steuer- laß bestehen sollen. Das neue Gesetz soll auch auf Algerien Anwendung finden.
Petersburg, 15. Nov. Der Kaiser von Rußland ist an Unterleibstyphus erkrankt. Es werden jeden Tag Bulletins ausgegeben. Der Verlauf der Krankheit ist bis jetzt ein befriedigender.
Peking, 14. Nov. Die „Times" meldet von hier unterm 11. ds.: „Es scheint, daß China alle in der Note der Mächte enthaltenen Bedingungen annehmen werde, ausgenommen die Forderung, an gewissen Prinzen und Würdenträgern die Todesstrafe zu Vollstrecker,.
Htnts vHatt enöes.
Der weiße Hirsch.
Eine Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. von Zastrow.
(Fortsetzung.)
Er schritt so ruhig unter den Eichen hin, als wäre der Friede auf Erden nie durch Blut und Feuer entweiht worden, als blüten die zierlich schönen Blumen, welche sein elastischer Fuß streifte, für ihn,
als lokte ihn schmeichelnd das feine saftige Gras zu frohem Genuß. Hoch das Haupt erhoben, das sanfte schwarze Auge von behaglichem Glanz lenchtend, durchbrach er langsam ein Gebüsch, als freute sein freiheitsdürstendes Herz sich ebenso wohl wie das des Oberförsters an dem Eichengrund mit seinem prachtvollen Bestand.
Hildebrand hielt den Atem an. ,,S' ist ein kolossaler Kerl," dachte er, und dann wieder fiel ihm Rüdiger ein. Gestern noch hätte er in stolzer Vaterfreude die beiden verglichen, und sich gesagt, daß jeder in seiner Ärt sich mit dem andern messen könne, aber der Hirsch schritt dahin in Unschuld und Ehren, und sein Sohn?
Schon den Schatten eines Verdachtes auf ihn fallen zu sehen, dünkte ihm unerträglich.
Er erhob sich, der Hirsch sah sich nach ihm um nnd beschleunigte seinen Schritt. Der Oberförster schlug eine ent- gegengesetzte Richtung ein. Er kam auch an dem Baum vorüber, den die beiden vorhin betrachtet hatten und blieb da- vor stehen und sah ihn sich an. Er war von so gewaltiger Ausdehnung, daß viele Männer ihn nicht hätten umklammern können. Lustig grünte das frische Laub der mächtigen Krone, während zwei Seitenäste, bereits abgestorben, ihr totes Geäst starr in den Wald shinausstreckten. Der Oberförster umging den Stamm, die Öffnnng befand sich seitwärts, und war so groß, daß ein Mann bequem eintreten konnte und das that Hildebrand, vielleicht nur um sich zu zerstreuen. So im Herzen des alten Riesen zu stehen, schuf ihm eine eigene Empfindung, wars doch, als müßte er dasselbe klopfen hören, und er vernahm es auch, aber es konnte doch nur das Bohren des Wurmes sein, der sich vom mehligen Mark der Eiche nährte.
Er kam wieder hervor. — hatte er gedacht, daß auch in seinem Innern fortan der Wurm des Mißtrauens und der gekränkten Männerwürde zehrten, bis er zusammenbrechen mußte? Aber das ist kraftvollen Naturen eigen, sie können sich nicht ergeben, nicht in Gednld sich schicken, es muß der Pfeil, der Giftpfeil aus der Wnnde gerissen werden, gleichviel ob sie hinterher sich verbluten. Der Anblick des Müllers hatte alle Schmerzen doppelt brennend gemacht.
„Ich wills zu Ende bringen", mur- melte der Oberförster, „Licht muß hinein, gleichviel wie es steht", und er biß die Zähne anfeinander.
„Ich will ihn beobachten," fuhr er bei sich selbst fort, „Tag für Tag, Stunde um Stunde, es kann doch nicht unbemerkt bleiben, wenn er das Haus verläßt. Die Hunde freilich geben nicht an, aber er muß doch die Treppe hinunter. Muß er das wirklich? der Oberförster erinnerte sich, daß das Giebelfenster des Hauses, welches Rüdigers Kammer erhellte, über dem Dach des Altans angebracht war, den zwei plumpe Säulen trugen. An dem aus festen Latten gezimmerten und von wildem Wein stark berankten Gitterwerk, welches die Veranda umkleidete, konnte ein geübter Turner ohne Schwierigkeit herabsteigen. Er nahm sich vor, eine genaue Untersuchung anzustellen, und um diese ausznführen, mußte er alsbald heim-
kehren, denn schon war die Sonne hinter j dem Dachsberg entschwunden und der glührote Schimmer, welcher an den Stämmen hing, kündete ihren raschen Untergang. Er ging mit starken Schritten.
— Auf dem Bauche kriechend, flehende Demut im langohrigen Antlitz, machte sich Diana herzu, aber er achtete zu ihrer eigenen Verwunderung nicht auf sie. Nun hielt sie sich mit gesenktem Schweif dicht hinter ihm, es war nicht wie sonst in alten guten Tagen; gab es da auch zuweilen eine Züchtigung,
— gerecht und vernünftig, sie mußte das in ihrem Hundeverstand zugeben, — sie kamen doch immer wieder heimatfroh zusammen in der Oberförsterei an. Heute blieben beide bedrückt, der Herr und sein Hund. Es war noch nicht ganz dunkel, als der Oberförster die Veranda und ihre Umgebung prüfend untersuchte, nach vorn zu, da wo der Platz mit der Bank und den Armsesseln sich anschloß, war nichts zu bemerken, hinten jedoch erschienen die üppig wuchernden Ranken zer- zaust und auf einer Stelle des Holzwerkes erkaunte er den frischen Abdruck eines Stiefels. Etwas Lehm, den es in der Nähe des Gehöftes nirgends gab, klebte daran, und höher und höher aufsteigend setzte sich die Spur fort, bis sie unter den Blättern verschwand.
„So gut, wie gewiß" murmelte Hil- debrand, und dann seufzte er schwer. Still und in sich gekehrt nahm er das Abendessen ein. Wohl hatten er und seine Frau nur den einen Gedanken, aber sie wagten nicht zu fragen: „Ist er zurück?" Nacht umhüllte den Wald, ein Käuzchen hatte seinen Schlupfwinkel verlassen, saß auf dem abgestorbenen Ast der Ulme, welche der Oberförsterei zunächst stand, und rief sein: „Komm mit" im kläglichen Ton, und dann legte Diana, welche draußen wartete, ihre Schnauze an den Boden und heulte laut hinaus. Es war ganz
schauerlich in der Oberförsterei.-
Nun stand der Mond über den Tannen, Nebel stiegen auf und hüllten Thal und Berg in märchenhafte Schleier. Es war spät geworden, rings umher hielt die Natur den Atem an, um so lauter plauderte die Waldstimme. Weithin vernehmlich drang das Murmeln und Rauschen durch die hereinbrechende Nacht. Da klopfte es unten an der Thür des Müllerhauses zwei, — dreimal. Die müden, unglücklichen Meuschen -rinnen schliefen bereits, für sie war das Bett eine Zuflucht, in dem man, ähnlich wie im Grabe, sein Elend vergißt. Endlich öffnetestchobeneil^enster^Frts^folE;;)
SLcrnöesbuch-GH r onik.
derlStadt Wildbad. vom 9. bis 16 Nov. 1900.
Aufgebote.
10. Nov. Huber, Fortunat, Mechaniker in Karlsruhe und Susanna August» Eichholz Haushälterin in Karlsruhe.
Eheschließungen:
10. „ Tubach, Christof Philipp, Ziegler in
Ziegelhütte mit Anna Marie Walz von Aichelberg O.A. Calw.
Geburten:
8. „ Günthner, Johann Jakob, Taglöhner
von Sprollenhaus 1 Tochter.
4. „ Klauß, Jakob Heinrich, Taglöhner
von hier 1 Tochter.
Gestorbene:
13. „ Neuweiler, Johanna Kathnna m
Sprollenhaus, Tochter des Obersägers Jakob Friedrich Neuweiler von Unterreichenbach, 2 Monate alt.