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Nr. 79.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
94. Jahrgang.
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Freitag den 4. April ISIS.
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Amtliche Bekanntmachungen. Oberamt Calw.
Betr. Stand und Aussichten unserer Bekleidungs- wirtfchast.
3n weiten Kreisen der Bevölkerung ist die Ansicht oerbreitrt, daß, nachdem die Kriegführung eingestellt ist, in kurzer Zeit eine wesentliche Verbesserung in der Versorgung mit Webstoffen und Leder, insbesondere mit Kleidern und Lchuhzeua. eintreten werde. Diese Ansicht gründet sich auf die Annahme, daß nunmehr aus den freigegebenen Beständen der Heeresverwaltung gewaltige Mengen von Textilien, Leder und Schuhzeug in den Handel kommen und daß diese Gegenstände nach Abschluß des Friedensverlrags sofort reichlich zur Einfuhr gelangen werden.
Dieser irrigen Auffassung kann nicht ernstlich genug entgegengctreten werden, da sie geeignet ist, den bisherigen — noch für lange Zeit unbedingt gebotenen — sparsamen Verbrauch in Gegenständen der Bekleidungswirtschaft nachteilig zu beeinflussen.
Gewiß waren bei Eintritt des Waffenstillstands in den militärischen Lagern reiche Mengen an Miiitärtucheu, Uniformen und sonstigen Textilien, sowie an Schuh- und Leder- beständen vorhanden; diese sind jedoch durch willkürliche Eingriffe erheblich vermindert worden. Hiedurch wurden große Bestände einer geregelten Versorgung der Bevölkerung entzogen. Einen großen Teil benötigt die Heeresverwaltung selbst zur Ausstattung der entlasst neu und noch zu entlassenden Krieger und zur Aufstellung von Neuformationen, besonders für Zwecke des künftig aufzustellenden Volkshceres. Was hienach noch für die Versorgung der bürgerlichen Bevölkerung übrig bleibt und durch die Lan- desbekleidungsstelle, bezw. die Reichstextilaktiengesellschast und die Reichsstelle für Schuhversorgung in den Verkehr gebracht wird, deckt bei weitem nicht den friedensmäßigen Bedarf unseres Volkes. Daran, daß dieser Mangel in den nächsten Jahren dnrch Einfuhr auch nur einigermaßen behoben werden könnte, ist nicht zu denken; denn wir können für lange Zeit noch unseren tatsächlichen Einfuhrbedarf nicht bezahlen,
Was wir an Text! lien im eigenen Lande erzeugen bildet nur einen recht bescheidenen Beitrag zur Versorgung unserer Bevölkerung. Die heimische Zasererzeugung betrug in den letzten Kriegsjahren insgesamt — nach amtlicher Mitteilung — nur 2 v. H. unseres Einfuhrbedarfs. Die bisherigen Versuche, eine heimische Pflanzenfaser zu gewinnen, haben dis heute ein recht bescheidenes Ergebnis gezeitigt.
Die künstliche Herstellung von Fasern, der sog. Stapelfaser, die als Beimischung zur Wolle und als Wollersatz zweifellos eine Zukunft hat, liefert zwar heute schon unserer Textilindustrie beachtenswerte Mengen und soll auch ;n den nächsten Zähren noch erheblich steigerungsfähig sein, wird aber trotzdem — auch zusammen mit der sonstigen heimischen Fasererzeugung und mit Kunstwolle und Kunst- baümwolle — nicht ausreichen, um unserer Textilnot zu steuern.
Fn der Lederversorgung sind die Aussichten gleich trübe. Für die Einfuhr von Rohware und Fabrikaten aus dem Ausland gilt das gleiche, was oben über Texlileinfuhr gesagt wurde. Sodann hat die feindliche Besetzung der linksrheinischen Gebiete dem deutschen Volk 40 v. H. seiner gesamten Schuherzeugung. sowie in der Ledererzeu- gung namentlich die größten Öberlederfabriken genommen. 8m Innern erschweren die Verkehrsvcrhältnisse und die Not an Kohlen. Elektrizität und Gas die Fortführung einer geregelten Produktion.
So ist der Stand der Schuherzeugung heute der, daß kaum der vierte Teil der Bevölkerung jährlich mit einem Paar neuem Lederschuhwerk versehen werden kann; auch bei weiterer günstiger wirtschaftlicher Entwicklung ist noch auf lange Zeit hinaus damit zu rechnen, daß höchstens etwa die Hälfte der Bevölkerung jährlich ein Paar neues Lederschuhwerk erhalten kann.
Insolange die geschilderte Knappheit in den wichigsten Gegenständen unserer Bekleidungswirlschaft andauert, kann das neuerdings von vielen Seiten und nachdrückltchst verlangte völlige Anfhören der Zwangsbewirtschaftung, wie such des Bezugsscheinwesens nicht erfolgen, vielmehr kann
deren Abbau nur allmählich in dem Umfange eintreten, in dem die Deckung des notwendigsten Bedarfs der Zivilbevölkerung in freier Wirtschaft gesichert ist. Mit dem Abbau der Bezuqsscheinpflicht konnte neuerdings begonnen werden, indem sie u. a. für die Oberkleidung von Mädchen und Frauen im wesentlichen aufgehoben wurde; in Männeroberkleidung mußte sie noch aufrecht erhalten werden. da hier wohl noch für längere Zeit die vorhandenen Vorräte gestreckt werden müssen.
Aus obigen Darlegungen ergibt sich; daß sparsamster Verbrauch und sorgsamste Einteilung und Ausnützung dessen, was wir an Textil- und Lederrohware und Fabrikaten, an Wäsche. Kleidung und Schuhzeug noch Herstellen können und besitzen, das ernste Gebot der heutigen und auch der kommenden Zeit ist, daß wir an die in den Verkehr gelangenden Waren heute nicht mehr die früheren sriedens- mäßigen Anforderungen stellen dürfen, daß wir uns in unserem Bekleidnngswescn noch mehr als bisher werden an Ersatz-Fabrikate gewöhnen müssen und endlich, daß wir uns auch nicht ablehnend verhalten dürfen gegen die in den Verkehr gelangenden, wieder inltandgeletztrn Altsachen oder die aus solchen hergestelllen Gegenstände.
Eine Versündigung am Volkswohk aber ist es geradezu. wenn heute, wie es leider vielfach geschieht, wichtige Stoffe unstrer Bekleidungswirtschast für Zwecke verwendet werden, wofür auch recht wohl die vorhandenen Ersatzstoffe Verwendung finden können. Es darf also heute z. B. nicht mehr Vorkommen, daß Stoffe, welche für Zwecke der Oberkleidung von der Bevölkerung dringend benötigt werden, zu anderen Verwendungszwecken ausgeschnitten werden, für welche heute durchaus geeignete und brauchbare Ersatzstoffe in Menge im Handel zu haben sind.
Calw, den 24. März 1919. Oberamtmann: Gös.
Bekanntmachung.
Betreff: Freigabe des Absatzes der Kaffee- Ersatzmittel und neue Höchstpreise für Kaffee-Ersatzmittel aus Getreide und Malz.
Die Freigabe des Absatzes der Kaffee-Ersatzmittel ist für die Zeit ab IS. April d. I. in Aussicht genormnen. Es wird aber schon heute ausdrücklich darauf hmgewiesen, daß die vom Reichsernährungsministerium festgesetzten Höchstpreise, insbesondere auch für die von der Heeresverwaltung unter Zugrundlegiing des alten Preises übernommene Ware trotz der Freigabe streng rinzuhalten sind.
Die Höchstpreise sind im Großhandel im Kleinhandel für Getreidekaffee saus Heeresbeständen)
lose Ware ^ 42.—Ztr. ^ - .52 d. Pfd. Paketware „ 43.— „ « —.56 » „
für sonstigen Kaffee-Ersatz
lose Ware « 90.75 „ .. 1.12 » .
Paketware ., 93.50 „ » 1.16 „
Eine Uebersckreitung dieser Preise hat eine Strafanzeige wegen Höchstpreisüberschreitung im Gefolge.
Calw, den 21. März 1919. Oberamtmann: Gös.
Oberamt Calw.
Bekann machuna betreffend die Neberwachung des Verkehrs mit Kraftfahrzeuge«.
Das Kriegsministcrium hat im Einverständnis mit dem Ministerium des Innern neue Vorschriften für die lieber- wachung des gesamten militärischen und privaten Kraft- fahrzeugvcrkehrs erlassen.
Hiernach wird der Ueberwachnngsdienst von besonderen Ueberwachungskommandos und eigens ausgebildeten Sicherheitskompagnie-Mannschasen ausgeübt. Es sind sowohl fliegende als ortsfeste Konieollen gebräuchlich. Das Haltezeichen wird durchweg durch Winken mit roter Flagge bezw. roter Laterne gegeben und ist bei Eewärtiqung unerbittlicher Beschlagnahine und zeiiweiser Entziehung der Fahrerlaubnis unter alten Umständen zu befolgen.
Die Ueberwachung der Fahrzeuge beabsichtigt vor allein die Feststellung der vielen in unrechimäßigem Besitz befindlichen Heereskrastsahrzeuge einschiießl. Betriebsmittel, Bereisung und Ausrlljtungsgerät samt Sonderbekleidung. Weiterhin soll gegen mißbräuchliche Verwendung jeder Art. sei e» zu Homsterfahrten. sei es zu reinen Bequem- lichkeitssahrten. entgegen der durch die allgemeine Betrieb»-
mittelnot gebotenen Einschränkung des Kraftwagen-Verkehrs eingefchritten werden. Außerdem wird der Ueber- rvachungsdienst auf die Einhaltung der einschlägigen polizeilichen und heerespolizeilichen ^Verkehrsvorschristen wi? Milsührcn des Führerscheins und der Waaenpopiere. Einhaltung des Znlassungsbereichs und Verwendungszwecke, polizeiliche Kennzeichen usw. besonders Augenmerk richten. Die Durchführung der Verordnung des Reichswmistcürim:, für wirtschaftliche Demobilmachung vom 21. Februar 1919 (Reichs-Gesetzblatt S. 245) wird gleichfalls von den be- .austragten Kontrollmannschaften überwacht.
Die Organe der militärischen Ueberwacknmgsstellen sin'n verpflichtet, die den polizeilichen Zulassuiiqsvorschrifleir nicht entsprechenden privaten Kraftfahrzeuge der nächsten Polizeistelle, Sicherheitskompagnie oder Mil. Fahrbereitschaft zur weiteren Verfügung zuzusühren. Der null:. Ueberwachungsdienst soll nur solange in Tätigkeit bleiben, als es die Wiederherstellung der Ordnung im Kraftwagen- verkehr erfordert.
Sämtliche Polizeibehörden werden beauftragt, den militärischen Ueberwachungsdienst nach Kräften zu unterstützen und mit den Organen dieses Dienstes Hand in Hand zu arbeiten.
Calw, den 28. März 1919. Aff. Dr. Blaicher.
Oberamt Calw.
Betreffend Hagelversicherung.
Die Gemeindebehörden werden veranlaßt darauf hin zi'wirken, daß womöglich sämtliche Landwirte ihrer Gr meinde ihre Feldstückte bei der Norddeutschen Hagel- versicherungsgesellschast a. G. versichern. Die Agenten im Amtsbezirke sind folgende:
1. Karl Eberhard, Kaminfegermeister, Calw.
2. Gottfried Dongus, Gemeindepsleger, Deckenpsrona.
3. Karl Hanselmann. Oekonom, Llebelsberg.
4. Friedrich Auer. Wagner, Neubulach.
5. Friedrich Schvible, Zimmermann, Neuweller.
6. Ludwig Ganser, Schreiner, Simmozheim.
Den 29. März 1919. Oberamtmann: Gö«.
Oberamt Calw.
Betr. die Abhaltung eines WeidelehrLurses i» Hohenheim.
Am 26. und 27. Mai ds. 3s. findet im Falle genügender Beteiligung in Hohenheim ein Weidelehrkurs für praktische Landwirte statt. Als Kuksleitce werden sich die Herren Prof. D.. Wacker, Prof. Dr. Krämer und Gutswirtschaftsinspekior Kreh beteiliaen. E . werden Vorträge allgemeiner und besonderer Art über: Klima. Boden und Weide, Anlage, Düngung und Pfleg' der Weiden, Weidepflanzen, Grassamenmischungen und besondere Weidensragen, ferner Demonstrationen abgehakteu werden.
Anmeldungen zum Kurs sind spätestens bis zim-, l2. Mai ds. Zs. bei dem Sekretariat der Zentralstelle sü ' die Landwirtschaft in Stuttgart einzureichen. Aus Gemein - den, in welchen die Maul- und Klauenseuche herrsch, können Teilnehmer nicht in den Kurs ausgenommen werden, lieber die Seuchefteiheit ihres Wohnorts haben die Teilnehmer sich bei ihrer Ankunft in Hohenheim durch ein schulthcißenamtliches Zeugnis neuesten Dalums auszu- weisen.
Die Teilnehmer am Kurs haben sich in Hohcnheii: am 26. Mai ds. Zs. morgens 8 Uhr einzufinden. Es ist notwendig, daß die Teilnehmer die erforderlichen Lebensmittel mitbringen.
Den 31. März 1919. Oberamtmann: E ö s.
Oberamt Ealw.
Auf Grund der Verfügung des Arbeitsministeririms vom 8. Febr. 1919 wurde Frau Dekan Wunderlich in Althengftett als Vertrauensperson der Abteilung für Frauenarbeit des Arbeitsministeriums beim Demobilmachungsausschutz für den Bezirk Calw bestellt.
In Fragen, die mit der Entlastung weiblicher Arbeitskräfte zusammenhängen, ist sie in ihrer Wohnung -» sprechen.
Calw, den 25. März ISIS. Oberamtma», Sö».