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Nach einem Telegramm aus Peters­burg kommt Präsident Krüger nach Eu­ropa, um an das internationale Schieds­gerichtstribunal zu appellieren, das durch die Haager Konferenz eingerichtet ist.

Lourenzo-Marquez, 24. Sept. Die Gesamtzahl der Buren, welche sich den Portugiesen an der Grenze ergaben, be­trägt 3000. Sie befinden sich unter Be­wachung.

Pretoria, 24: Sept. Lord Roberts hat eine neue Proklamation erlassen, worin er den Burghers verspricht, daß sie, wenn sie sich freiwillig unterwerfen, nicht depor- tirt werden, sondern in Zeltlagern von Pretoria und Bloemfontein nntergebracht werden würden. Diejenigen, welche Vieh- heerden besitzen, können dieselben unter die Obhut aller Personen stellen, welche sie selbst bezeichnen.

- Die große englische Armee- und Marinelieferantenfirma Hoskins u. Sohn ist eine Aktiengesellschaft. Es sind 7286 Aktien zu je 5 Pfund Sterling ausge­geben worden. Von diesen Aktien hat die Frau des Kolonialministers Chamberlain 2000 Stück gekauft, ein Sohn Chamber- lains 4000 Stück, ein anderer Sohn 600, eine der Töchter 100 und eine zweite Tochter 200 Stück. Als der Ankauf voll­bracht war, wurde das Verhalten Eng­lands gegen Transvaal so herausfordernd unverschämt, daß es zum Kriege kommen mußte. Der Krieg begann, die Aktien­gesellschaft Hoskins u. Sohn bekam die Lieferungen und nun stiegen die Aktien riesig und der Gewinn der Aktionäre, des Kolouialministers Chamberlain und seiner Familie betrug viele Millionen. Die Londoner ZeitungMorning Leader" ge­steht zu, daß der Transvaalkrieg ein Werk Chamberlains war, um sich Milli­onen zu verschaffen. Solche Politik wird in England getrieben. Vor 50 Jahren schon wurde England das perfide Albion genannt, es ist es geblieben, nur ist der Grad der Perfidität ins Unglaubliche ge- stiege».

Die Wegnahme der Peitang-Forts durch die vereinigten deutschen, öfter- reichischen, russischen und französischen Truppen ist von großer Bedeutung, denn dadurch wird der freie Marsch nach Tientsin gesichert und ein gefährlicher Rachbar der früher erstürmten Taku-Forts unschädlich gemacht. Die Verluste der Verbündeten bei der Einnahme der Pei- tang-FortS werden auf 120 Mann ge- schützt, darunter 7 Deutsche. Die Chi­nesen entflohen auf Booten.

Die Zeichen für Maße und Gew ichte sind von einem internationalen Komitee zu Paris wie folgt festgesetzt worden: Längenmaße: Kilometer stm, Meter m, Dezimeter ckm, Centimeter om, Millimeter mm. Flächenmaße: Quadrat- kilometer kn?, Hektar da, Ar a, Quadrat­meter u?,Quadratdezimeter cko?, Quadrat- eentimeter vu?, Quadratmillimeter mir?. Raummaße: Kubikmeter w?, 1 Ster (als Holzmaß gleich 1 Kubikmeter) s, Kubikdezimeter ckn?, Kubikeentimeter eo?, Kubikmillimeter mn?. Hohlmaße: Hekto­liter dl, Dekaliter äal, Liter I, Deziliter ckl, Centiliter «l, Milliliter ml. Gewichte: Tonne t, Meterzentner q (nach dem fran­zösischen qaintsl), Kilogramm k§, Gramm S, Dezigramm ckgs, Centigrawm o^, Milli­gramm Mss.

HlntsrHatLenöes.

Der weiße Hirsch.

Eine Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. von Zastrow.

(Fortsetzung.)

Dann wieder standen sie so eng beisam­men, daß sie sich fast erstickten, und ein düsteres Licht webte seine Geheimnisse in diesem Dickicht. Weiter, weiter!

Kleine Falter mit buntgestickten oder himmelblauen Flügeln spielten in einem hereinbrechenden Sonnenstrahl. In frühe­rer Zeit hätte der junge Mann wohl danach geschaut und diesen kleinen Schön­heiten, welche ihr Dasein harmlos ver- flatterten, ein mildes Lächeln geschenkt, heute aber blickte er weder rechts noch links. Gar zu gewaltsam zog ihn die plaudernde Stimme. Endlich kam er ihr näher! Ja je wilder die Gegend war, um so deutlicher erklang das süße Ge- schwätz. Von Stein zu Stein springend, erreichte er einen schmalen Pfad, von Farren eingefriedigt, der in sanften Win­dungen abwärts führte, neben diesem sprudelte, rauschte, sang und klang der Waldbach, denn der war's, welcher traute Zwiesprache hielt mit der Waldeinsamkeit. Fort und fort! Ein Lied ohne Worte und ohne Ende!

Rüdiger nahm seinen Hut ab, an dem der Stolz des Forstmanns, die schimmernde Feder des Auerhahns prangte und trock­nete sich die Stirne. Bräunlich und weich quoll ihm das dichte Gelock um die pochen­den Schläfen, unter der leicht gewölbten, edel gebildeten Stirn öffneten sich weit die blauen deutschen Denkeraugen, doch zeigte er nichts weiches, nicht einmal wei­ches in seinen festen und ernsten Gesichts­zügen, er glich dem Vater, in einer ver- schönten und vergeistigten Art, wie etwa durch einen Künstler von Gottes Gnaden das Jugendbild des Freundes verklärt dargestellt wird. Er nahm also den Hut ab, fast schien es als wollte er den Bach grüßen, dann schritt er ihm zur Seite in ein frisch grünes, sonniges Thal hinunter.

Der Bach stürzte nicht mehr so un­ruhig von Fels zu Fels, das Wasser trieb keine so strudeligrn Schaumwellen mehr, die Uferrändrr traten auseinander, das Bett weitete sich, Birken und Erlen ver- drängten die Schwarztannen. Das Lied ohne Worte klang nicht mehr so heimlich, es war mehr ein Rauschen geworden und es verlor sich plötzlich und ging unter in einem Weiher, auf dessen Spiegel runde, weiche Nixenblätter sich schmiegten. Ein Gürtel von Rohr und Schilf eine Bucht, in welcher ein Kahn des Ruderers harrte, Birken, deren lang herabhängende Zweige der Sommerwind bewegte, und da, wo aus dem Teich mit energischem Gruß der Bach hervordrängte, erhob sich eine Mühle, aus alten Zeiten stammend, auf deren mit Holz gedecktem Dache buntgefärbte Moose kleine Hügel gewölbt hatten. Alles das zeigte ein malerisches, aber halb ver­fallenes Ansehen. Gegenüber hob sich ein Bergrücken, der vor einiger Zeit abgeholzt worden war, und auf dem jetzt das junge Buschwerk lustig im Sonnenlicht heran- wuchs. Zwei andere, noch gewaltigere Riesen der Vorzeit schoben sich von Ost und West vordrängend quer übereinander . und schlossen so das enge Mühlenthal von 'der Welt draußen ab.

Eine Mühle sah ich blinken aus den Erlen

heraus,

Durch Rauschen und Singen bricht Räder­gebraus."

sang Rüdiger halblaut vor sich hin, es paßte aber nicht ganz, denn das große Rad, an dem die grünen Wasseralgen hingen, stand still. Wie verzaubert lag das kleine Gehöft. Ein großer, pracht­voller Schmetterling, Rüdiger glaubte nie einen schöneren gesehen zu haben, schwebte langsam vor ihm her, als wollte er ihm den Weg zeigen.

Er trat durch ein Pförtchen in den Hof, hier auch lautlose Stille, einige Hühner pickten am Boden. Ackergerät­schaften lehnten an der Mauer einer be­scheidenen Scheuer; am Rand des Zieh­brunnens lechzte der Eimer. Gras und Blumen wuchsen, wo nur ein Plätzchen zum Leben vorhanden war. Er verließ den Hof wieder, er ging außerhalb um die Mauer herum, dort standen einige uralten Weiden, deren Zweige wie flüs­siges Silber niederwogten, daran stieß eine kleine trockene Wiese; Rüdiger zog den schon erhobenen Fuß wieder zurück und blieb lauschend hinter eiuem der um­fangreichen Bäume verborgen. Was er in unmittelbarer Nähe vor sich sah, über­raschte ihn ausnehmend. Ein mächtiger weißer Hirsch stand dort unter den Wie­sennelken, vor ihm ein junges Mädchen, sie hakte liebkosend ihren Arm um den Hals des stolzen Tieres geschlungen und es senkte geduldig sein Haupt mit dem zackigen Geweih.

Rüdiger übersah ganz das kostbare Gewand, in welches die Fremde gekleidet war, sein Auge blieb an dem lieblichen Gesicht haften, das sich wie eine Blume aus dem hochgestellten Spitzenkragen empor hob. Der Reiz der Unschuld blühte ihr anft auf Wangen und Lippen. Sie plau­derte mit dem Hirsch, der sie wohl kennen mußte, denn er schmiegte sich an sie und eckte ihr die Hand. Sie hatte den Haud- chuh abgezogen, an einem der feinen chlanken Finger funkelte im Sonnenschein, der glänzend über der Wiese verweilte, ein Diamant vom reinsten Wasser. Es ist etwas Wunderbares darum, wie Men­schen sich begegnen, wie Menschen sich finden hinter und zwischen den Bergen, hier nun war alles Geheimnis, aber ein süßes, und der Waldbach, der zum Mühlenbach geworden, pauderte dazwischen. Rüdiger, unter den Tannen ausgewachsen und in ihren Schatten zurückgekehrt, nach, dem er sich für seinen Beruf ein gründ­liches Wissen erworben, hatte bisher nur eine Liebe gekannt, seine Geige. Zu derb oder zu schillernd, zu laut oder zu leblos, waren ihm Frauen und Mädchen seiner Bekanntschaft erschienen, als daß er mit seinen Gedanken bei ihnen hätte verweilen mögen. Drängte sich einmal ein Bild in seine grüne Einsamkeit, es verging doch immer wieder, wie Seifenblasen, welche leichtes Spiel emporgewirbelt hat. Zwischen Musik und Arbeit teilte sich sein Leben, ernst und schwer, einen gewaltigen Druck ausübend, lag die Hand seines Vaters darauf und hielt ihn im beschränkten Kreise fest, als sollte er für alle Zeit der Wald­jüngling bleiben, mit der Jeder des Auer­hahns auf dem Hütlein.

In einem schon halbvergessenen Liede heißt es: