»i-OS-

Nr. 77.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

W

94 3ahrga»g.

«rlck>e!»un s »weis«: S ma! wöchnit!. «luzrigenpre»: Die kMnspalUge S«tle 20 Vs«-, «ieklame» Pfg. Schluß der Suze^genaunahin« S Uhr vormittag«. Fernsprecher S.

Mittwoch de« 2. April 1919.

I» der Sradt »ii Dcüzerlob» Vk? 2.W »ierteljiihrltch, vastdeeugdurei» "> iur Frr»verkehr Wk. 2 SS. Seftellgeid !v Pitz.

veruglprei» , im Ort«- u. riachburorrtzuerkehr Wk, 2,

Der Generalstreik in Stuttgart.

S.C.B. Stuttgart, 2. April 1919. 10 Uhr. (Telefon.) Lieber den bisherigen Verlauf des Generalstreiks erfahren wir von zuständiger Seite folgendes: Am 31. März er­folgte die Aufforderung zum Generalstreik, es gab Demon- ftrationsumzllge in der ganzen Stadt und zahlreiche Ver­sammlungen unter freiem Himmel entgegen dem Verbot der Regierung. Gefordert wurde der Sturz der Regierung. Auffallend groß war der Zuzug der Spartakisten von aus­wärts nach Stuttgart. 3m Laufe des Tages wurden auch Unruhen aus Eßlingen, Göppingen, Friedrichshafen, Gmünd gemeldet. Zu Zusammenstößen kam es nur in Eßlingen, wo sich die Spartakisten mit Gewalt in den Besitz von Waffen und Kraftwagen setzten, durch Verhandlungen mit der Streikleitung wurde aber die Rückgabe der Waffen asm. erreicht. Wegen zahlreicher Verfehlungen gegen das Pressegesetz wurde eine Druckerei des Spartakusbundes ge­schlossen. Trotz des Belagerungszustandes gab es Ansamm­lungen der Streikenden um 10 Uhr vormittags auf mehre­ren Plätzen. Diese Versammlungen wurden von den Sicher­heitskompagnien, zerstreut. Dann kam es zu einer Fest­setzung der Spartakisten in der Nähe der Moltkekaserne und vor den Geschäftsräumen des Sozialdemokraten, auch kam es zu einer Bedrohung der Fahrbereitschaft in der Moltkekaserne, wo versucht wurde. Herausgabe der Kraft­wagen und der Waffen zu erzwingen. 3n der Ludwig­straße wurde bei einer Ansammlung aus einem Hause auf Truppen geschaffen und dabei eine Civilperson getötet. Darauf machte die Sicherheitskompagnie in schonender Weise von ihren Waffen Gebrauch und zerstreute die Menge. An weiteren Ereignissen des Tages ist zu verzeichnen der Sturm auf einen Brotwagen vor der großen Infanterie- Kaserne. Am Abend war die Regierung Herrin der Lage. Die Truppen sind aufs schwerste von der Menge beleidigt worden, haben aber befehlsgemäß große Zurückhaltung be­wahrt. Sie haben Anweisung erhalten, am heutigen Mitt­woch mit aller Energie die Anordnungen des Belagerungszu­standes durchzusetzen. Während der beiden ersten General­streiktage gab es in Stuttgart auf beiden Seiten einen Toten und wenige Verwundete, 3n Eßlingen, wo die Menge eine ankominende Sicherheitskompagnie beim Aus- steigen aus dem Zuge mit Handgranaten angriff, sind mehrere Tote und Verwundete zu beklagen.

*

* Aus dem heutigen offiziellen Bericht der Regierung über die beiden Streiktage geht hervor, daß auch in Stutt­gart und Eßlingen der Generalstreik von den Unruhe Menden Elemente benützt wurde, um eine Diktatur der Straße zu errichten, und damit die rechtmäßige Regierung iu stürzen. Bis jetzt hat sich die Regierung anscheinend noch auf die Verteidigung beschränkt, aber von heute ab sollen die Gesetze des Belagerungszustandes in aller Form durch- gesührt worden. Es müßte also allen Ansammlungen sofort mit Waffengewalt entgegengetreten, cs müßten alle politischen Versammlungen verboten, und Gewalttätigkeiten mit schärfsten Mitteln bekämpft werden. Ein Anderer Weg wird auch nicht möglich sein, denn es handelt sich hier um einen ausgesprochenen politischen Streik, der nicht um Ver­besserung der Lebenslage der Arbeiter geführt wird, sondern zum Zweck der Errichtung der Diktatur einer Klasse von Arbeiterführern, deren Radikalismus die besonnenen und nüchtern denkenden Arbeiter mit Recht abschreckt, weil sie sehen, daß solche Gewaltpolitik niemals zu einem guten Ende führen kann.

Der Streik oder vielmehr die ttmsturzbewegung geht kort. Wir werden also auch in den nächsten Tagen keinen Telephon-, Telegraphen- und Postverkehr haben. Wir werden aber versuchen, uns auf indirektem Weg über die Vorgänge in der Welt zu unterrichten. Allerdings wird unser Nachrichtendienst dadurch über die postlose Zeit den Charakter deshinkenden Boten" annehmen.

Englische Schikane.

DieDeutsche Allgem. Zeitung" schreibt: Auf einer unserer Privatwerften hatte sich kürzlich eine englische Be- ZichtigungskoinmMon über den Stand der Demoiltierungs-

arbeiten an den U-Bootsneubauten zu überzeugen. Die Boote waren alle im Druckkörper und in der Größe der Hauptmaschinen ausgeschnitten, die Haupt- und ein großer Teil der Hllfsmaschinen war ausgebaut, ebenso die Batterien, die Türme zum Teil abgeschnitten, kurz die Boote waren soweit abgewrackt, daß keines von ihnen vor Ablauf einer halben bis dreivjertel Jahres wieder kriegsbereit zu machen war. Ohne daß die englische Kommission auf einem einzel­nen Boot eine Ausstellung gemacht hatte, gab ihr Führer nach kurzer Beratung, das Schlutzmteil dahin ab: Die Kommission sei nicht befriedigt, die Waffenstillstandsbeding­ungen seien nicht erfüllt. Der mit der Ueberwachung der Demontierung beauftragte höhere Marinebaubcamte bat darauf hin, ein Boot namhaft zu machen, bei dem die Waffenstillstandsbcdingungen nicht erfüllt feien. Es konnte kein Boot genannt werden. Auf die Frage des Beamten, wie die Kommission ihrem Urteil käme, wurde ihm von dem Führer geantwortet:Wenn wir in London melden, es seien auf den Booten Platten abgenommen und die Maschinen ausgebaut, so antworten uns die Herren, die nichts davon verstehen: Also, wenn man die Maschinen wieder hineinsetzt und die Platten feftmeiet, ist das Boot wieder fertig: somit ist es nicht demontiert." Auf den Ein- wmf, daß doch der Führer als Fachmann hergekoimnen sei und sein fachmännisches Urteil abzngeben habe, ob die Boote energisch abmoniiert seien oder nicht, antwortete dieser Führer: Für seine Person muffe er als Fachmann anerkennen, daß die Boote abgewrackt seien. Auf Ersuchen, die Kommission von seinem Urteil zu unterrichten, tat er dieses; trotzdem blieb die Kommission bei ihrem Schluß­urteil, sie sei nicht befriedigt und die Wafsenstillstands- bedingungcn seien nicht erfüllt.

Die Rückzahlung des Reiches an die

, Gemeinden eingestellt.

3m Münchner Magistrat wurde am 26. Mürz ein Schreiben des Neichsschatzsekretärs verlesen, nach dem zur­zeit wegen dergespannten finanziellen Lage des Reichs" die Rückzaklungen der vorausgelegten Millionenbeträge für Unterstützungen an die Gemeinden eingestellt sind. Die Gemeinden werden jedoch gezwungen, die Unterstützungen weiter anszuzahlen.

Eine Masfeneingabe.

In einer Reihe deutscher Bundesstaaten (Preußen, Sachse» n. a.) ist gegenwärtig eine von ev. Seite veran­staltete Sammlung von Unterschriften für eins Eingabe an die Nationalversammlung im Gang, die die Wahrung des christl. Charakters der Schule verlangt. Diese Eingabe hat in kurzer Zeit die gewaltige Zahl von 4 Millionen Stimmen erreicht. Wie eine Vergleichung der Unter­schriftenzahlen mit den in den bctr. Bezirken bei den Wahlen abgegebenen Stimmen zeigt (so im Fürstentum Waldeck 26000 ev. Wähler und 26000 Unterschriften) haben auch viele sozialdemokratische Eltern mitunterschrieben. Die Sammlung ist noch nicht abgeschlossen.

Aus SM «ad Land.

Calw, den 2. April 1919. Dienstjubiläum.

* Die verdienstvolle Vorsteherin der hiesigen Frauen- arbeitsschule, Frl. Wagner, konnte am 1. April das Ju­biläum ihrer 25jährigen Lehrtätigkeit begehen. Alts diesem Anlaß wurden der beliebten Lehrerin zahlreiche Ehningen zuteil. U. a. hielt der aus Frauen bestehende Schulrat der Arbeitsschule eine kleine Feier ab, bei der Stadtschultheiß Göhner der Jubilarin die Glückwünsche und Dankesbe­zeugungen der bürgerlichen Kollegien überbrachte unter Ueberreichung eines sinnigen Festgeschenkes.

Sozialdemokratischer Verein Calw.

Am Samstag Abend hielt jmBad. Hof" der sozial­demokratische Verein Calw seine Generalversammlung. Vors. R. Störr gab eine Uebersicht übef die Tätigkett von 191418. Die ganze Bereinsleitung lag über den Krieg auf seinen Schultern. Trotz der veränderten Verhältnisse wurden 10 Versammlungen aM. Art abgehalten, eine wurde

seinerzeit vom Oberamt verboten, jedoch dann erlaubt. Zu den Wahlen in diesem Jahr wurden 30 Versammlungen veranstaltet, die alle gut besucht waren. Nach Abgabe des Kassenbenchtr wurde" dem Vorsitzenden Entlastung erteilt. Sodann fanden die Wahlen statt, und konnte der Vorstand jetzt wieder voll besetzt werden. Dann sprach Gen. Ganz-Feuerbach über dieGemeindewahlen und Gemeindepolitik." In leichtverständlicher Weise entledigie sich der Redner seiner Ausgabe. Eingehend schilderte er die bisherigen Zustände auf den Rathäusern im allgemeinen, besprach die verschiedenen Tätigkeitsgebiete des Gemcindc- rats, Sozialpolitik, Gesundheitspflege. Armenpflege usw. Dann ging er zu dem Gcmemdenotgcsetz über, nach wei­chem das Einkollegiaisystem eingesiiistt wurde. Die Pro­porzwahl gelte für alle Gemeinden über 560 Einwohner. Ferner besprach er die Bestimmungen über' das Kummu- lieren u. Pannächieren. Weiter erwähnte der Referent die Wahlen von einst, die meist nichts weiter wie Vetterles- mirischaft gewesen seien. Das müsse jetzt anders werden. In Calw müsse die Arbeiterschaft sich jetzt aufraffen, jetzt gelte es die bisherigen Unzufriedenheiten mit der Tätigkeit der einzelnen Rathausvertreter zu quittieren. Die Arbeiter und Arbeiterinnen sollten sich ihrer Pflicht bewußt werden. Zur Wahl am 25. Mai müsse dem Wahlvorschlag der Partei Erfolg beschieden sein. Mehr als geschehen, müsse sich die Calwec Arbeiterschaft der Sozialdemokralischen Partei anschiießen. Nach weiteren auiklärenden Ausfüh­rungen schloß der Redner seincn mit Beifall ausgenommen?» Vortrag. Die weiteren Schritte zur Gemeinderais- wahl wurden dem Vorstand überlassen. Unter Verschiede­nem wurden noch einige Vereinsangelegenheiten erledigt. Mit dem Wunsche, daß der Verein recht bald eine stattliche Mitgliede.rzahl aufweisen könne, und aber auch die Mit­glieder Mitarbeiten möchten am weiteren Ausbau, schloß der Vorsitzende Störr die Generalversammlung. y

Fremden-Derkehr.

Da unter den gegenwärtigen Verhältnissen insbesondere ans dem Gebiet der Ernährung auch weiterhin für einen Fremdenverkehr zu Erholungs- und ähnlichen Zwecken außer für wirklich Kranke und Erholungsbedürftige im engsten Sinne kein Rani» ist, wurde mit Zustimmung des Reichsemährungsministeriums für das ganze Land der Fremdenverkehr auch über den 31. März d. 3s. hinaus zunächst bis 36. April 1919 ausgeschaltel. Es ist bis dalM ein Kuraufenthalt,' soweit es sich nicht um den un­entgeltlichen Aufenthalt bei gewissen nahen Verwandten handelt, nur mit der im einzelnen Fall zu erteilenden schriftlichen Genehmigung des Vorstands des Kommunal­verbands (Oberamtmanns) gestattet. Die Genehmigung wird wie bisher in der Regel nur an Personen erteilt werden, deren Aufenthalt nach amtsärztlichem Zeugnis durch eine gesundheitliche Notwendigkeit*bcgründet ist, ferner bestimmten Personenklassen, wie Militärpersonen, die nach­weislich zu Kur, und Erholungszwecken zugereist sind, so­wie Personen, die nachweislich von Organen der reichs- rechtlichcn Versicherungen, von Behörden und auf Kosten von Krankenkaffen zu Kur- oder Erholungszwecken unter-' gebracht sind. -

Knegsbeschädigtrn-Versammluttgen.

y,Die Ziele des Reichsbundes und unsere Forde­rungen an den Staat" war das Thema, über welches der Vorsitzende der Ortsgruppe Calw des Reichsbundes für Kriegsbeschädigte, Kriegsteilnehmer und -Hinterbliebene Kamerad M. Bernhardt am Samstag in Ottenbronn und am Sonntag in Simmozhcim sprach. Beide Ver­sammlungen waren gut besucht und erntete der Referent regen Beifall. Die Versammlung in Ottenbronn leitete Kamerad Dittus, Bäcker, eine Aussprache fand nicht statt. Kame< rad Fuchs-Simmozheim leitete die dortige Versammlung, In der allgemeinen Aussprache empfahl Kamerad Haupts lehrer Schurr den Beitritt zum Reichsbund bestens. E^ wurde sodann zur Gründung einer Ortspruppe Simmozl heim geschritten und Kamerad Hauptlchrer Schurr zum 1, Vorsitzenden gewählt. Die Mitglieder von Ottenbronis schließen sich vorerst Calw an. In den beiden Dersamm-, jungen wurden' 42 Aufnahmen vorgenommen. In Möttlingen findet am Samstag Abend in derKrone eine Versammlung statt mit oben genanntem Thema.