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der Truppen auch nur annähernd anzugeben. In Telegrammen, welche aus China in Newyork eintrafen, wird darauf hingewiesen, daß die Lage im 'Jangtse- Thale äußerst kritisch sei. 15000 Mann seien mindestens nötig, um Shanghai wirksam zn schützen. Man müsse die Regierung drängen, unverzüglich Verstärkungen nach China zu senden.
— Der hohe Preisstand auf dem, deutschen sowohl wie auf den anderen Kohlenmärkten Europas soll die amerikanischen Kohlenproduzenten veranlaßt haben, sich zu einem Konkurrenzkampf auf unserem Kontinent zu rüsten. Nach einer Newyorker Kabelmeldung desReuter- schen Bureaus sind dieser Tage mehrere großeTransportdampfer gechartert worden, um große Mengen amerikanischer Kohlen vonPhiladelphia nach Frankreichzu bringen, wo sie zu erheblich ermäßigten Preißen abgesetzt werden sollen. Im Interesse der unter den hohen Kohlenpreisen schwer leidenden großen und kleinen Kohlenverbraucher Deutschlands wäre es zu wünschen, daß die Möglichkeit des Eindringens neuer höchst gefährlicher Konkurrenz — die Bereinigten Staaten sind der größte Produzent der Welt — unsere Grubenbesitzer zu einer Herabsetzung der Kohlenpreise bewegen würde.
— Die angebliche Verschwörung in Prätoria gegen Lord Roberts und die anderen höheren englischen Offiziere hat sich als das Werk eines Lockspizels, des engl. Geheimpolizisten Gano, heransgestellt. Der Angeklagte, der Deutsche Hans Cordua, früher Artillerieleutnaut des Oranjefreistaats, hat unter Eid ausgesagt, der Plan sei von Gano ausgeheckt worden. Dieser habe ihn zu sich in seine. Wohnung cingeladen, ihm dort tüchtig mit Whisky zugesetzt, den Plan enthüllt und erklärt, wie leicht er ausgeführt werden könne. Dano habe sich gestellt, als ob er es mit de» Buren halte. Er habe, wie andere Zeugen bestätigen, wiederholt erklärt, er stehe zwar , in englischen Diensten, aber die Engländer behandeln ihn schlecht und zahlen nicht genug, und daher habe er beschlossen , sich auf die andere Seite zu schlagen. Angeklagter wollte sich anfänglich uicht auf den Plan einlassen. Aber Gano ließ nicht nach, ihm züzusetzen und ihm Feigheit vorzuwerfen. Schließlich ließ Cordua, halb betrunken, sich überreden, Gano zu General Botha zu begleiten. Gano verschaffte ihm eine Khakiuuiform uud verriet ihm das Paßwort. Zusammen gingen sie dann nach Silvestan, wo Botha sich angeblich befinden sollte. Die erfuhren dort, daß Botha in Middelburg sei. Cordua wollte nach Pretoria zurückkehren, während Gano nach Middelburg wollte. Am folgenden Tage wurden sie dann zusammen verhaftet. Gano bestritt entschieden, daß er der Urheber des Planes sei. Vielmehr habe er denselben mit vieler Mühe entdeckt. Im Uebrigen aber mußte ?r im Ganzen die Wahrheit der Angaben Corduas zugeben. Der ital. Konsul be- zeugte, Gano habe ihm erzählt, er sei an einer Verschwörung gegen die Engländer beteiligt. Das Kriegsgericht hat trotz dieses Thatbestandes Cordua in alün Punkten für schuldig erklärt und zum Tod verurteilt und Lord Roberts dieses Urteil bestätigt. _
MnterHaltenöes.
Lenchtzn.
Eine Erzählung von Dr. Emil Freiburger
^Fortsetzung.) (Nachdruck verb.)
„Wird der Onkel damit zufrieden sein, daß ich, ihn auf meine Eltern verweisend, meine Antwort hinausschiebe? Wird er nicht sagen: „Das sind leere Ausflüchte. Erkläre Du mir, ob Du willst: das Andere wird sich finden." Und dann? Was dann?"
Doch Lenchen schlug solche Bedenken, so oft dieselben kamen, mit dem Enschlusse nieder, fest auf der Antwort zu beharren, daß die Eltern über sie entscheiden sollten. Mochte es dann gehen, wie es wolle. Mit diesem Entschluß deckte sie denn auch, als die siebende Stunde schlug, den Tisch zvm Abendessen. Die Theebüchse stand bereit und im Kessel kochte das Wasser. Der Onkel war pünktlichjeden Augenblick konnte er in den Hof einfahren. Oder wollte er seiner Nichte heute noch eine längere Frist zum Besinnen gewähren? Das Bellen der Diana verscheuchte jeden Zweifel. Noch eine kleine Weile und der Wagen hielt an der Haustreppe.
Kaum war der Onkel eingetreten, so zog er ein in Scidenpapier eingeschlagenes Päckchen aus der Tasche, befreite es von seiner Umhüllung und stellte es an Lenchens Platz aus den Theetisch. Es war ein kleines Etuis aus feinem Saffian.
„Ich habe Dir etwas mitgebracht. Len- chen, ein Brautgeschenk! Willst Du es nicht öffnen? Oder soll ich es thun?" setzte er hinzu und schlug hie silbernen Häkchen zurück. Eine prächtige kleine Da? menuhr mit feiner goldener Kette hob sich vom dunkelbraunen Seidetrsammt ab.
„Darf ich Dir die Kette, umhängen?" frug der Onkel und Machte Anstalten hiezu.
„Aber Onkel" , sagte Lenchen, sanft alwehrend, „ich bin doch noch nicht deine Braut!"
„Warum denn nicht, Lenchen?" frug der Onkel wieder.
„Nun ich muß doch zuerst die Einwilligung meiner Eltern haben. Ich schrieb denselben heute und erklärte mich bereit, ganz nach ihrem Willen zu handeln."
„Oh," meinte der Onkel, „wenn es nur noch hierauf ankommt, dann ist alles fertig. Deine Eltern werden gewiß nichts dagegen haben."
„Mit diesen Worten begann er von neuem den Versuch, der Nichte die Kette anzulegen, und als diese wieder sanft ab- wehren wollte, schob er ihre Hand bei Seite und warf ihr die goldene schnür wie eine Schlinge über den Kopf an den Hals.
Gleich einem geschmückten Opferlamm vor seinem Schlächter stand Lenchen da. Sie wagte es nicht, die Kette zu entfernen. Still, stumm sah sie vor sich hin. Es sprachen nur die Augen, die sich mit Thronen füllten, und ein Zug tiefen Schmerzes, der um die Lippen spielte.
„Also Du willst nicht meine Braut sein?" frug der Onkel mit Erregung.
Lenchen rührte sich nicht.
„Also nicht?" stieß er mit Heftigkeit heraus. „Umsonst habe ich gehofft, um- . sonst habe ich alles für Dich gethan? Ei, 'so sprich doch! Sage Nein! daß ich es
weiß, mit Gewißheit weiß I" rief er in ge steigertem Tone.
Lenchen, welche von dem ihr bekannten Jähzorn das Aeüßerste fürchten mußte, sammelte ihre letzte Kraft.
„Onkel", sagte sie endlich mit Fassung, „Du hast mich von meinen Eltern als Haushälterin gewünscht. Sie wollten Deinen Wnnsch erfüllen, und ich ergab mich in ihren Willen. Ich meldete heute meinen Eltern Deinen weiteren Wunsch, mich als Braut zu sehen. Wollen meine Eltern Dir auch diesen Wunsch erfüllen und haben sie mir ihren Willen kundgegeben, so bin ich auch Deine Braut. Aber vorher nicht, Onkel! Nein, das darf ich nicht und tann ich nicht. Damit Du jedoch siehst, daß ich nicht auf einem Eigensinn beharre, sondern mich Dir, der Du mich uud meine Eltern mit Wohlthaten überhäufst, gern dankbar erweisen, und Dir alles thun möchte, so will ich Dir sagen, was ich einstweilen thun darf und thun kann, und was Dir zur Prüfung meiner Treue dienen soll:"
„Nimm mir die Stelle der Haushälterin, verbanne mich von Deinem Tische, aus Deiuer nächsten Nähe! Mache mich zu Deiner Köchin, zu Deiner Küchenmagd, suche die niederste Stelle, die schmutzigste, verächtlichste aus, — ich will Dir dienen ohne Wanken, ohne Murren. Schilt mich, schlage mich! Ich will alles, alles ertragen, ja mit Freuden hinnehmen, nur . . .
„Endige den Satz nicht, Lenchen! Es wäre eine Lüge. Du willst sagen: Nnr warte, bis die Antwort der Eltern kommt. Nein, Lenchen, so lautet der Satz nicht in Deinem Herzen. Er heißt: Nur begehre Du mich nicht zum Weibe! Oh, ich kenne Dich jetzt, D« Heuchlerin! Zur Staumagd soll ich Dich machen, dann wärest. Du bei Deinem Joseph!"
„Onkel," rief Lenchen mit einem Schrei der Verzweiflung. „Onkel, das ist nicht wahr!"
Der erregte Mann, außer Stande, einer ruhigen Erwägung Raum und drr Stimme seines besseren Gefühles Gehör zu geben, schrie der Jungfrau entgegen:
„Du willst nicht. Du willst nicht. Das ist mir genug. Du kannst hin gehen, wo Du hergekommen bist. Aber halt! Die Kette her!"
Mit diesen Worten riß er ihr die goldene Kette vom Halse und zischte der Erbleichten ins Gesicht:
„Gehe mir aus den Augen! Packe Dich!"
Lenchen ließ sich dies nicht zweimal sagen und ging. Aber die Erschütterung ihrer Seele war zu stark, als daß ihr Geist nicht sollte aus dem Gleichgewicht kommen. Die an jedem Ausweg verzweifelnde Jungfrau versank in tiefe Schwermut. Was wird sie in ihrem Irrsinn beginnen?
Der Onkel erwachte am andern Morgen mit einem schweren Kopfe. Er hatte am Abend, um besser schlafen zu können, noch einige Glas Grog getrunken, ohnt dadurch die erwünschte Wirkung zu erzielen. Im Gegenteil, der Schlaf wurde immer wieder durch das Auffahren aus schrecklichen Träumen verscheucht. Das eine mal hatte der Schläfer wutentbranne seiner Nichte einen Dolch in die enlblöstt, Brust gestoßen, das andere mal sie mft^