Amtsblatt für öie SLaöt Wilöbaö.

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Nr. 1OO

Dienstag, 2S. August 1900

86. Jahrgang.

Rundscha u.

Tübingen, 23. Aug. Heute morgen wurde die jugendliche Kindsmörderin die als Kindsmädchen in Kilchberg das einige Monate alte Kind ihrer Dienst Herrschaft durch Bedecken mit einem Bett stück erstickt hatte, zu einer Gefängnis strafe von 5 Jahren verurteilt.

Karlsruhe, 23. Aug. Den großen Preis von Baden (Goldpokal des Groß Herzogs und 60 000 Mk.) holte sich dies mal bei den Jffezheimer Rennen ein deutsches Pferd, Fürst von Hohenloh Oehringen'sXamete.'

Kreuznach, 21. Aug. Ein Unwetter wie es seit Menschengedenken nicht erlebt wurde, hat gestern nachmittag nach der Frkf. Ztg. die Nahegegend, den Soonwald und den Westrich bis zum Donnersberg hin heimgesucht. Unter furchtbarem Blitze und Donner ergossen sich stundenlang wahre Wolkenbrüche über Feld und Flur Von den Bergen herab stürzten riesige Wassermassen ins Thal, die Weinberge und Aecker verwüstend und alles mit sich fortreißend. Besonders schwer wurde das Dorf Bockenau betroffen, dessen Haupt straße in einen reißenden Strom ver- wandelt wurde, der Gräben und Mauern überstieg und sich in die Häuser ergoß, Zahllose Bäume und Zäune wurden fort ger-fsen,dieGetreidegarben fortgeschwemmt, Mauern zum Einsturze gebracht. Die Bewohner mußten sich eiligst in die oberen Stockwerke flüchten, die Keller stehen heute noch voller Wasser. Ueber das hochge legene Dorf Steinhardt ging ein Wolken bruch nieder, dessen ungeheure Wasser. Massen sich unter donnerndem Getöse ins Thal ergossen und in Sobernheim Straßen und Keller unter Wasser setzten. Der das im Thale liegende Dorf Boos durchfließende Bach bildete einen reißenden Strom, die mitgeführten Balken, Bäume und Schutt­massen verstopften im Nu alle Brücken, und das Wasser überflutete die Dorf- straßen und drang von da in die Häuser, Keller und Höfe; mit knapper Not konnten die Einwohner sich und ihr Vieh in Sicherheit bringen. Die das Dorf um- gebende Flur bildet heute noch einen riesengroßen See. In zahlreichen Fällen hat der Blitz eingeschlagen und gezündet. In Ebernburg wurde der Feldhüter Obsche durch einen Blitzschlag tätlich verletzt, in Beisel im Fürstentum Birkenfeld der Ge- meindehirt erschlagen. Der an Weinbergen Feldern und Häusern angerichtete Schaden

geht hoch in die Hunderttausende, und es wird Monate lang dauern, bis die Spuren des furchtbaren Wetters beseitigt sein werden.

Wilhelmshöhe,24. Aug. Der Kaiser telegraphierte an den deutscheu Gesand- schaftssekretär v. Below in Peking:Ich freue mick, zu erfahren, daß Sie die schwere Zeit, die hinter ihnen liegt, mit Gottes Hilfe glücklich überstanden haben, und spreche Ihnen und den überlebenden Mit. gliedern der Gesandtschaft meinen Herz, lichen Glückwunsch zur Errettung auS der großen Gefahr aus, in der Sie alle ge­schwebt haben und zu deren Abwendung Sie alle mutig mitgewirkt haben. Zur Belohnung für ihr tapferes AuSharren verleihe ich Ihnen den Roten Adlerorden IV. Kl. mit Schwerter». Ich bitte, An träge zur Dekorirung der übrigen Mit­glieder der Gesandtschaft einzureichen Ein Sohn zweier Fakultäten" hat in Berlin das Licht der Welt erblickt. Der glückliche Vater ist der Frauenarzt I)r. msä. Wegscheider, und die junge Mutter vr. pdü. Hildegard Wegscheider Ziegler. Zu dieser Familiennachricht paßt eine andere, ein Ehe-Aufgebot, das die chwarze Tafel des Standesamts zu Frei rurg i. B. ankündigt: Ein I)r. pdil. heiratet einen andern vr. xkil , es wird )er Universitätsprofessor Or. pdil. Kalb. Irisch in Rostock aufgeboten mit Or. pkil. Julia Benas in Leipzig.

London, 25. Aug. Der Korrespon. dent des Reuterschen Bureaus in Peking meldet vom 14. ds: Die Entsatzkolonnen trafen zur rechten Zeit ein, denn wir waren fast erschöpft. Nachdem wir in der Nacht auf gestern das heftigste Gewehr- euer während der ganzen Belagerung mrchgemacht hatten, wiederholte das Tsungli-Iamen den schon einmal gemachten verräterischen Versuch, unsere Wachsam- üeit einzuschläfern, nachdem es uns mit^ teilte, es habe die chinesischen Truppen angewiesen, das Feuer einzustellen. Gleich, wohl griffen aber die Chinesen hinter, listiger Weise die britische, französische, amerikanische und russische Gesandtschaft gleichzeitig von allen Seiten an. Der Lärm war betäubend und dauerte die ganze Nacht. Gegen Morgen gab uns der aus weiter Ferne hörbare Geschütz, donner neuen Mut, unseren Widerstand ortzusetzen. Das Feuer der Chinesen mf die Gesandtschaften dauerte bis zu dem Augenblick, wo die Entsatzkolonne

die Stadt betrat. Die Chinesen gaben zu, während der Belagerung 3 000 Mann verloren zu haben. Wir hielten die Ge­sandtschaften 2 Monate lang unter be­ständigem Feuer und lebten nur von Reis und 1 Pfund Pferdefleisch täglich. Als die Verbündeten heranrückten, griffen die Amerikaner ein Stadtthor an und lenkten dorthin alle chinesischen Truppen. So blieb das Schahothor unverteidigt. Die Engländer konnten widerstandslos, ohne einen Mann zu verlieren, in die Stadt einrücken.

London, 25. Aug. Times meldet aus Peking vom 18. d.: Hier wird ge- plündert. Die französische und die russische Fahne wehen auf dem westlichen Teile der kaiserlichen Domäne, worin, wie man glaubt, der kaiserliche Schatz vergraben ist. Die verbotene Stadt" wird infolge Ueberein- kommens der Mächte geschont. Doch kann von einer wirksame» Bestrafnng der Chi- nrsen nicht die Rede sein, wenn diese Stadt nicht besetzt wird. Die Japaner bemach, tigten sich des Schatzes, der, wie gerächt, weise verlautet, eine halbe Mill. Taöls in Silber betragen soll. Die Kaiserin- Witwe, der Kaiser und Prinz Tuan, so- wie alle höheren Offiziere sind nach Tai- ynenfu in der Provinz Schensi geflohen und gehen von dort nach Singanfu.

Ein deutscher Seesoldat, welcher an den Kämpfen um Taku und Tientsin teilgenommen, berichtet in einem Brief an seine Eltern u. a.: Am anderen Tage gingen wir und Hollen unsere Toten, die auf dem Schlachtfelde bei dem ersten Ge- echt gefallen waren, aber wie erschraken wir, als wir sie sahen! Die Chineseu hatten allen unseren toten Kameraden die Köpfe ab­geschlagen u. ihnen alles abgenommen, sogar diejenigen,die noch reinesZeug anhatten, wa­ren ausgezogen und alles war mitgenommen. Meinem Leutnant, der gefallen war, hat- ten sie das Fleisch von den Rippcu ge­trennt; eS war nur noch das Ge ripp^ vorhanden. An den Stiefeln nur kon n, ten wir ihn erkennen. Wir haben ihnen^ Rache geschworen und haben alles in dst, * Luft gesprengt, und Gott wird uns De schen zu weiteren Siegen helfen.

Washington, 23. Aug. Einem a mt- lichen Telegramm zufolge sollen noch be. trächtliche Kämpfe bevorstehen, sowohl in der Umgegend von Peking, als zwisch en Peking und der Küste, sodaß es unmö g- lich ist, den Zeitpunkt der Zurückziehun g