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Königin mit dem Adjutanten PonziaVaglia bei. Die Riegen zogen an ihm vorbei, er verteilte Preise an die Prämiirten und sprach zu Jedem einige Worte. Um 10 Uhr verließ er den Turnplatz und bestieg den bereit stehenden Wagen. Noch ehe der Adjutaut eingestiegen war, trat aus der Menge ein schlecht gekleidetes Individuum hervor und schoß aus einem kurzen Revolver in rascher Folge drei Schüsse auf den König ab. Dieser sprang auf und fiel sofort tot, ins Herz getroffen, zurück. Die Menge stürzte sich auf den Mörder, den die Polizei blutend und zerfetzt herauszerrte, in einen Wagen warf und fortführte. Der König wurde in die Villa Reale nach Monza gebracht. Der Kronprinz und die Kronprinzessin befinden sich auf einer Orientreise und haben von der traurigen Nachricht in den griechischen Gewässern Kenntnis erhalten. Man glaubt, ihrer Rückkehr in 2 bis 3 Tagen entgegensehen zu dürfen.
— Der Mörder erklärte, er heiße Gaetano Bressi, geboren am 10. November 1869 in Pratoz, und sei Seidenweber. Er sagte weiter, er sei Anarchist und komme von Amerika, wo er sich in Paterson aufgehalten habe. Er habe keine Mitschuldigen und habe das Verbrechen aus Haß gegen die Monarch, ischen Einrichtungen begangen. Er sei am 27. Juli von Mailand, wo er sich seit einigen Tagen befunden habe, in Monza angekommcn.
Rom, 31. Juli, lieber den Königsmord in Monza erhält die „Frkf. Ztg." noch folgende Privatmeldungen: König Humbert war am Samstag Nachmittag in Begleitung des Generals Ponzio Vag- lia und einiger Würdenträger ausgefahren um den Turnübungen und der Preisverteilung des Monzaer Turnvereins „Fortie Liberi" beizuwohnen. Er war vor der Mittelloge der Tribüne abgestiege», auf der sich viele Zuschauer befanden. Das Publikum wurde nicht müde, dem Köuig zuzujubeln und dieser lüftete dankend und grüßend seinen Cylinder. Der König war bester Laune. Nach den Uebungen fand die Preisverteilung statt. Der König gab den mit den ersten Preisen, den beiden vom König gestifteten goldenen Medaillen, Ausgezeichneten die Hand. — Zusammen mit dem General Ponzio - Voglia und einem anderen General betrat er dann den Wagen. In diesem Augenblick wurde das Attentat auf ihn verübt.
Mailand, 30. Juli. Die Königin soll trostlos sein. „Er, der so gut war, der Niemanden ein Leid that, daß er so sterben mußte, es ist fürchterlich" soll sie ausgerufen und die Aerzte beschworen haben, ihm das Leben wiederzugeben. Vor seiner Abfahrt noch warnte sie den König, ihn bittend, den Festlichkeiten fern zu bleiben, worauf ihr dieser antwortete, er dürfe sein gegebenes Wort nicht brechen. Seine letzten Worte waren: „Seit langem habe ich socordialenSympatiebezeugungen inmitten meines Volkes nicht beigewohnt." Die Leiche wurde vom Erzbischof eingesegnet. Die Königin selbst schmückte das Totenbett. (Fft. Z.)
Mailand, 30. Juli. Die Zeitungen Mailands erscheinen in fast stündlich sich erneuernden Extraausgaben mit weiteren Details über das furchtbare Ereignis, das die Bevölkerung in Bestürzung, Entrüstung und tiefste Trauer versetzt. Der erste Schuß traf den König, während er
im Wagen aufrecht neben seinem Adjutanten stand, in die Brust, d.cht unter dem zum Gruße erhobenen reckten Arm. Der zweite Schuß traf das Herz und der dritte durchbohrte die linke Schulter. Der König erhob heftig, wie zum Schutze, den rechten Arm und sank dann sofort lautlos in die Kissen des Wagens zurück. Die scheu gewordenen Pferde verließen in raschem Tempo den Schauplatz des furchtbaren Attentats.
Rom, 31. Juli. Der „Tribuna" zufolge glaubt man an ein Vorhandensein einer Verschwörung. Wie Anarchisten erklärten, fand vor einiger Zeit eine anarchistische Versammlung in Paris statt, in der ausgelost wurde, wer den König Humbert ermorden solle.
Rom, 30. Juli. Hier herrscht große Erregung; die Blätter mit den Nachrichten über das Attentat gehen auf den Straßen von Hand zu Hand; überall sieht man weinende Menschen, welche über den Tod des Königs trauern und das fluchwürdige Verbrechen verwünschen. Alle Häuser haben Trauerfahnen aufgezogen und anderen Trauerschmuck angelegt; alle Läden sind zum Zeichen der Nationaltrauer geschlossen.
K o n st a n t i n o p e l, 31. Juli. Der neue König von Italien Viktor Emanuel III. , der mit seiner Gemahlin zwischen Jaffa und Jerusalem reiste, empfing, der »Frkf. Ztg.", zufolge die Nachricht vom Attentat durch eine persönliche Depesche des Sultans, welche sein tiefstes Mitgefühl und gleichzeitig seine Glückwünsche zur Thronbesteigung ausdrückte. Der Sultan hält sich zur Verfügung des Königspaares. Die Behörden in Syrien empfingen Ordre, alles aufzubicten, um die Heimreise des Königspaares zu erleichtern und zu beschleunigen.
— Wie die Blätter melden, wird König Viktor Emanuel III. heute Nacht oder morgen in Brindisi landen, um sich sofor: nach Monza zu begeben. Depeschen, welche zu Tausenden eingehen, geben Kunde von der Trauer in allen Teilen des Landes.
Berlin, 30. Juli. Die Ermordung des Königs von Italien hat hier eine außerordentlich tiefgehende Entrüstung in allen Schichten der Bevölkerung hervorgerufen. Im italienischen Botschaftsgebäude in der Wilhelmsstraße wurden den ganzen Vormittag zahlreiche Condo- lenzbesuche abgestattet.
Mannheim, 30. Juli. Der Mörder des Königs von Italien war, wie hier beschäftigte italienische Arbeiter der sozialdemokratischen „Volksstimme" mittheilen, in Mannheim als Gypsfigurenverfertiger thätig gewesen. Er soll einer der gefährlichsten Ausbeuter seiner jugendlichen Landsleute gewesen sein. Es habe eines schweren Kampfes bedurft, um ihm hier das Handwerk zu legen. (Frkf. Ztg.)
Paris, 30. Juli. Die Nachricht von der Ermordung des Königs von Italien macht hier sehr großen Eindruck. Die Zeitungen veranstalteten Extraausgaben.
Lokales.
Wildbad, 31. Juli. In jähe Trauer versetzt wurde gestern die Familie des Maurermeisters Botzenhardt hier durch die Nachricht von dem am Sonntag Abend infolge eines Unglücksfalls plötzlich erfolgten Tode ihres ältesten Sohnes. ! Derselbe war als Baugehilfe in Friedrichs
hafen in Stellung und hatte mit einigen Freunden, dem Techniker Müller und Baugehilsen Heim eine Kahnpartie auf dem Bodensee unternommen. Während derselben kam das Boot in einen heftigen Gewittersturm und wurde vom Ufer in den See getrieben, wobei dasselbe kenterte. Auf die Hilferufe der Verunglückten konnten Müller und Heim durch das Dampfbooi König Karl gerettet werden, während Botzenhardt seinen Tod in den Wellen fand. Das Bedauern mit dem tüchtigen, hoffnungsvollen, jungen Manne und dessen schwergeprüfter Familie ist hier allgemein.
— Aus Friedrichshafen wird über den Unglücksfall noch weiter berichtet: Am letzten Sonntag machten 3 junge Techniker von hier, die Baugehilsen Heim aus Stuttgart, Botzenhardt aus Wildbad und Werkstättezeichner Müller aus Schussenried einen Ausflug auf dem Bodensee, wobei der erstere eine größere Schwimmtour unternahm. Zu diesem Zweck fuhren sie mit einem Segelboot zunächst nach Kirchberg (Meersbnrg). Von da aus schwamm Heim nach dem schweizerischen Ort Altnau, (ca. 7 Kilometer) wobei die beiden anderen ihn im Boot begleiteten. Ohne Unfall wurde das Ziel erreicht. Bei der Rückfahrt wurde jedoch das Boot auf der Höhe von Manzell von einem Gewittersturm überrascht und bevor sich die Insassen ans Land flüchten konnten, von den Wellen überschlagen. Botzenhardt, welcher zum Unglück nicht schwimmen konnte, verschwand in den Fluten, während den beiden anderen es gelang, sich am Nachen anzuklammern ; sie mußten aber über eine Stunde ausharren, bis ihre Hilferufe von dem von Konstanz kommenden Dampfschiff „König Karl" vernommen wurde, dessen Bemannung die völlig Erschöpften nach schwerer Mühe retten konnte.
Unterhaltendes.
Lenchhn.
Eine Erzählung von Dr. Emil Freiburger
^Fortsetzung.^ (Nachdruck verb.)
Doch Lenchen knüpfte eine Bedingung an die Uebergabe des Preises.
„Vater", sagte sie eines Abends, als sie diesen unter der Hauslinde allein traf, ich bin nun entschlossen, ich will zum Onkel gehen; aber ich muß etwas wissen."
Der Hanfbauer, welcher seine Tochter seit der letzten Unterredung auf dem Gang nach dem Krautacker nicht mehr gedrängt, sondern ihr von sich aus die volle Freiheit der Entschließung gelassen hatte, erwiderte in gar zutraulichem, mildem Tone:
„Was willst Du wissen, mein liebes Kind?"
„Ich möchte ivissen, ob der Onkel, wenn ich mich gut bei ihm halte, Euch jedes Jahr den Zins nachläßt".
„Vermutlich wird er es thun."
„Also steht davon nichts im Briefe?"
„Nein, mein Kind."
„So sei so gut und frage ihn. Denn umsonst, aufs Ungewisse, wenn ich Euch nicht mit Gewißheit helfen kann, reise ich nicht übers Meer. Nein, das thue ich nicht".
„Aber der Onkel könnte es übel nehmen, wenn ich ihn frage und Bedingungen stelle. Das darf ich nicht wohl thun."