nicht mehr ganz zuverlässig. Er sei dann fort (die Haustüre sei nicht verriegelt ge­wesen) nnd habe bei den unweit der Löwenwirtschaft wohnenden Eltern seines Herrn Lärm gemacht. Tie Angeklagte fei durchaus nicht schmerzlich erregt ge­wesen, sie habe sich um ihren Mann wenig bekümmert. Die Zeugin Amalie Faas, eine Schwester des Ermordeten, hat am 1. Okt. 1893 in dessen Wirtschaft ansge­holfen und bemerkt, daß die Angeklagte entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheit ihrem Mann ziemlich Wein vorgesetzt habe. Der Zeuge Jakob Faas, ein Bruder des Ermordeten, ist in der Mordnacht auch alsbald zur Stelle gewesen; er sagt, daß die Angeklagte immer Stiegen auf und abgesprungen sei und nicht um ihren im Sterben befindenden Manu sich be­kümmert habe. Sie habe auf seine Frage geantwortet, ihr Karl sei die Treppe heruntergefallen. Nachdem er den beinahe ganz zertrümmerten Kopf seines Bruders gesehen habe, habe er gesagt: Da ist et- was anderes vorgefallen. Er habe sofort in der Küche nach dem Beil, das stets unter dem Backofen gelegen sei, gesucht, habe dasselbe auch au seinem alten Platze gefunden, es sei aber frisch gewaschen ge- wesen. Landger.-Rat Deckinger, damals O.-A.-Richter in Calw, bekundete ebenfalls daß das Beil frisch gewaschen geschienen habe, die Eisenteile desselben haben Spuren, wie von Blut herrührend, gezeigt. Der Zeuge Stübinger war zur Zeit der That bei einem Schwager des Vaters der An­geklagten, dem Bauern Bender in Gleis­zellen, bedienstet. Er bezeugte, am 2. Okt. 1893 sei er mit seinem Dienstherrn auf dem Acker gewesen, am 1. Okt. habe er die Stiftskirchweih in Klingenmünster be­sucht nnd wisse deshalb den Tag ganz genau. Etwa um 8 Uhr morgens sei der Vater Hoffmann quer über die Wiesen Herein in den Sonntagskleidern zu ihnen auf den Acker gekommen, Bender habe ihn gefragt: Wo kommst denn du schon her? Hoffmann habe entgegnet, ich war bei der Marie in Liebenzell. Auf eine weitere Frage: Wie geht es ihr? habe Hoffmann erwidert: Ja, wie geht es ihr, du wirst es schon noch erfahren! r Tage nachher sei es in Gleiszellen schon bekannt geworden, daß die Marie ihren Mann totgeschlagen habe. Dies sei jetzt das Tagesgespräch gewesen und er habe dann erzählt, daß ja der alte Hoffmann in dieser Zeit auch in Liebenzell gewesen sei. Als sein Dienstherr Bender davon er­fahren, habe er ihn am Genick gepackt und gesagt: Wenn du's nochmals verrätst, schneide ich dir mit der Seusel (Rebmesser) den Hals ab. (Bender sitzt hier ebenfalls in Untersuchung wegen Verleitung zum Meineid in der gegenwärtigen Sache und wird nach Schluß des Schwurgerichts vor der hiesigen Strafkammer zur Aburteilung kommen.) Tie Angeklagte bemerkte auf dieses Zeugnis, es enthalte meistens Un­wahrheiten, und beteuerte wiederholt ihre und ihres Vaters Unschuld. Von großer Wichtigkeit sind die nach dringenden Warnungen seitens des Vorsitzenden vor Meineid unter Eid abgegebenen Aussagen des ledigen Ackerers Friedr. Erhardt aus Gleiszellen. Dieser sagt im Wesentlichen aus: Die Angeklagte sei bald nach ihrer 1894 erfolgten Freisprechung zu ihm in die Scheuer gekommen und habe ihm den Antrag gestellt, er solle sie jetzt heiraten.

Er habe ihr aber gesagt:Du hast schon einen Mann gehabt, du hast ja deinen Mann totgeschlageu." Sie habe geaut- wortet: Glaubst du das? und habe auf seine Bejahung hin fortgefahren:Nun dann will ich dir's sagen, wie es gegangen ist; mein Vater hat sich versteckt gehalten in der Holzkammer, dort hat er gewartet, bis die Leute aus der Wirtschaft fort waren. Ich habe meinem Mann bloß einen Hieb gegeben, die andern gab ihm mein Vater und ich Hab die Katz durch den Bach schleifen müssen." Auf dieses Zeugnis bemerkte die Angeklagte, das sei alles Unwahrheit. Die als Leumunds­zeugen berufenen Personen gaben der An­geklagten in manchen Teilen, speziell auch in sittlicher Beziehung, kein gutes Zeug­nis. Was den Vater Hoffmann anbelangt, so waren alle einig, daß er ein verrohter geiziger und habsüchtiger Mensch gewesen sei, den man in der ganzen Gemeinde wegen seines niedrigen Charakters gefürch­tet habe. Schwer belastend für die An­geklagte sind auch die Aussagen ihres gegenwärtig in Hamburg lebenden zweiten Ehemannes, Georg Buchmann, der gestern im Wesentlichen augab: So lange er mit der Angeklagten in Roschbach gewohnt habe, woselbst er auch infolge der Hand­lungsweisen seiner Frau (sie habe alles im Geschäft eingegangene Geld heimlich ihrem Vater zugeschickt) in Konkurs ge­raten sei, habe sie ihm um Weihnachten 1895 herum, zu einer Zeit, wo sie sich mit ihrem Vater überworsen gehabt habe, erzählt: In der Mordnacht fei ihr Vater nach Liebenzell gekommen und habe sich zunächst in der Nähe des Hauses ver­borgen, damit ihn niemand sehe. Der Mordplan sei längst verabredet gewesen; man habe es auf das Geld abgesehen ge­habt, das sonst verloren gegangen wäre. Als die letzten Gäste die Wirtschaft ver­lassen gehabt hätten, haben sie zum Scheine die Thüre abgeschlossen. Darauf habe sie ihrem Vater einen Wink gegeben, worauf dieser in das Haus hereingekommen sei. Ihr Mann habe gehört, daß jemand komme und habe deshalb gefragt, wer es sei. Sie habe geantwortet: Niemand. Faas sei dann hinausgegangen, draußen sei ihr Vater vor ihm gestanden mit dem Beil und habe ihm mit demselben einen Schlag auf die Stirne gegeben, Faas habe sich daraufhin umgedreht und in die Wirtschaft zurückgehen wollen, sie habe ihn aber an der Thüre festgehalten, weil sie befürchtet habe, er könnte noch die Treppe hinaufgehen. Ihr Vater habe ihm dann noch einige Schläge versetzt, worauf Faas zu Boden gefallen sei, sie habe ihn liegen lassen und habe das Blut von ihrem Kleid und dem Beil abgewaschen; sie habe extra alte Kleider angezogen ge- habt. Gegen 1 Uhr sei ihr Vater auf eine der benachbarten Eisenbahnstationen gegangen und nach Gleiszellen gefahren. Buchmann, der gesetzlich weder zur Zeugnis- abgabe noch zur Eidesleistung verpflichtet gewesen wäre, leistete auf seine Angaben den Zeugeneid.

Als Sachverständigewaren geladen, die Professoren I)r. Hüfner, vr. Oesterlen und Oberamtsarzt Müller von Calw. Diese gaben ihr Gutachten dahin ab, daß die dem Ermordeten zugefügten Verletzungen den Tod desselben allein und ausschließ­lich herbeigeführt haben. Der Schädel des Ermordeten sei nach allen Richtungen

zerschlagen gewesen, die Schläge auf den Schädel seien nach den Verletzungen von verschiedenen Seiten her geführt worden. Die Annahme, daß der Tod des Faas durch einen Sturz von der Treppe er- folgt sei, sei gänzlich ausgeschlossen. D:e Ermordung des Faas sei an der Stelle erfolgt, wo man ihn gefunden habe, was die Blutspuren an der Wand genügend beweisen. Die Angekl. müsse zur Zeit der That in allernächster Nähe von dem Ermordeten gestanden sein, was aus der Lage und der Beschaffenheit der au ihren Kleidern Vorgefundenen Blutspcizer mit Sicherheit zu entnehmen sei. Die Entsteh­ung der Blutflecken an dem blauen Uuterrock durch Nasenbluten sei ausgeschlossen, des­gleichen durch die Beschäftigung der Angekl. mit dem Erschlagenen nach seiner Auffindung; dagegen sei mit aller Wahr­scheinlichkeit anzunehmen, daß die Blut­spritzer an dem Unterrock der Angeklagten durch Aufschlagen auf den schon blutenden Kopf des Faas entstanden seien. Die Geschworenen bejahten die an sie gestellte Frage auf gemeinschaftlichen Mord, sodann wurde die Angekl. vom Gericht zum Tode und zum Verlust der bürgerl. Ehrenrechte verurteilt. Das Urteil wurde gestern Abend '/?8 Uhr verkündigt und von der Angekl. ohne sichtliche Erregung entgegen, genommen. Die Anklage vertrat Ober­staatsanwalt Fetzer; Bahndirektor Leo von Urach war Obmann der Geschworenen. Dem Prozeß wohnte ein Vertreter des Justizministeriums bei.

Friedrichshafen, 22. Juni. Ein eifriger Gehilfe des Grafen Zeppelin bei seinen Luftschiffahrtversuchen ist der ehe­malige Schuhmachermeister Rüb von Ulm. Derselbe hat bekanntlich schon vor 15 Jahren in Ulm neben dem Stiefelsohlen auch das Luftschiffen betrieben und hat sich einen eigenen Ballon gebaut, mit dem er mehrere Fahrten machte. Später war er in Nymphenburg am Balloncaptif und dann in München in einer Veloziped- fabrik. Jetzt ist er vom Grafen Zeppelin angestellt und hat eine eigene Werkstätte, wo er eben an einer Flugmaschine, aus einem Zweirad und einem Drachen be­stehend, arbeitet. Auch hat er ein Boot erfunden, dessen Schraube von einem Windflügelrad getrieben wird.

Berlin, 23. Juni. Der hiesige Ge­sandte teilte heute dem Auswärtigen Amte mit, daß der deutsche Gesandte in Peking sich in Sicherheit und wohl be­findet.

Berlin, 28. Juni. Der deutsche Konsul in Tschifu telegraphiert: Die Ver­luste desIltis" bei Taku betragen: 7 Mann tot, darunter Leutnant Hellmann, verwundet 14 Mann, darunter der Kom­mandant schwer. Es ist täglich Verbind­ung mittels Kriegsschiffes nach Taku.

Hamburg, 22. Juui. DieHam- burger Böcsen-Halle" meldet aus Mel- bourne vom 19. ds.: Goldsucher berichten von der Entdeckung eines wertvollen Alluvial-Goldfeldes in Deutsch-Neuguinea. Die Leute wollen die Oertlichkeit nicht eher genau bezeichnen, als bis ihre Unter- nehmungen mit der deutschen Regierung zu einem Abschluß gekommen sind.

London, 23. Juni. Reutermelvung aus Tschifu. Amtlicherseits wird an­dauernd mit großen Geschützen beschossen. Die Gebäude der Fremden siad fast alle niedergebrannt. Das amerikanische Kon.