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Amtsblatt für öis Stadt Wilöbaö.
»rneral-Anzeiger für Aildbad und Amgebung
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Nr. 73.
Dienstag 26. Juni 1900
86. Jahrgang.
Rundschau.
Stuttgart, 22. Juni. Dem Vernehmen nach haben sich von dem 13. (württb) Armeekorps insgesamt gegeu 700 Freiwillige zum Eintritt in das mobilisierte Seebataillon und zum sofortigen Abgang nach China gemeldet, darunter auch 4 Einjährige. Von dem Inf.-Reg. 126 in Strahburg haben sich allein über 120 Soldaten und Unteroffi- ziere freiwillig gemeldet. Vom Art.-Reg. Nr 13 in Ulm meldeten sich 2 Offiziere, 4 Fahrer und 20 Kanoniere, beim Art.» Regiment 49 etwa die doppelte Zahl. Es wird von diesen Angeboten natürlich nur in sehr beschränkter Zahl Gebrauch gemacht, da es sich zunächst bei der Artillerie um die Errichtung einer einzigen Batterie handelt, und auch zur Ergänzung des Seebataillons ist Jnfanteriemannschaft nur in beschränkter Zahl notwendig.
Herrenalb, 21. Juni. In nächster Zeit wird hier eine katholische Kirche erbaut werden. Die Stadtgemeinde hat hiezu einen Bauplatz unentgeltlich zur Verfügung gestellt. — Seit 1. Juni habe» wir hier eine eigene Kurkapelle, welche täglich 2 Mal konzertiert unter Leitung des Kapellmeisters Gumpert. Auch eine Theatergesellschaft giebt wöchentlich 3 Mal Vorstellung im Konversationshause.
Tübingen, 20. Juni. (Schwurgericht.) Der zweite Fall betraf die Strafsache gegen drei I9jähr. Burschen aus Kuppingen, OA. Herrenberg, 1) Heinrich Roller, Bäcker und Taglöhner, wegen eines Verbrechens des Meineids, 2) Johannes Hofmeister, 3) Christian Walz, Zimmermann, letztere zwei wegen Anstiftung zu diesem Verbrechen. Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde Roller wegen fahrlässigen Falscheids zu der Gefängnisstrafe von einem Jahr, Hofmeister wegen Verleitung zum Meineid zu der Zuchthausstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von drei Jahren verurteilt. Walz wurde freigesprochen. Obmann der Geschworenen war Fabrikant Laiblin-Reutlingen.
Tübin g e u, 21. Juni.(Schwurg Gestern nahmen die Verhandlungen im Liebenzeller Gattenmordprozeß ihren Anfang. Der Zuhörerraum war dicht mit Neugierigen besetzt. Die Angeklagte, Marie Eva geb. Hoffmann, dann verw. Faas und jetzt geschiedene Buchmann steht im 33. Lebensjahre, sie trägt schwarze Kleidung, ihr Aussehen ist ein gutes,
nur ihre Blicke sind unstät; sie ist sonst ruhig und hat nur hin und wieder mit ihrem Verteidiger Rechtsanwalt Bohnenberger, kurzen Verkehr. Aus der Ver- Handlung des gestrigen Tages geben wir nachstehend das Wesentliche wieder: Schon im Januar 1894 wurde gegen die heutige Angeklagte, die damals verwitwete Faas, das Hauptverfahren wegen Mords vor dem hies. Schwurgericht eröffnet unter der Anklage, sie habe in der Nacht vom 1. auf 2. Oktober 1893 zu Liebenzell ihren Ehemann Karl Faas, Bäcker und Wirt, damals 33 Jahre alt, durch Einschlagen des Schädels mittels eines Beils vorsätzlich getötet und diese Tötung mit Ueber- legung ausgeführt. (Verbrechen im Sinne von §211 St.-G.-B.) In der Schwur- gerichtSverhandlung vom 5.—7.März 1894 verneinten die Geschworenen die an sie gestellte Schuldfrage, was die Freisprechung der Angeklagten zur Folge hatte. Dessen ungeachtet bestand der Verdacht der Thäterschaft gegen die Witwe Faaß ungeschwächt fort und wurde auch in deren Heimat allgemein geteilt. In der früheren Untersuchung hatte die Faas jede Thäter- schaft an dem Morde bestritten. Nach ihrer Freisprechung begab sich die Angeklagte zu ihren Eltern nach Gleiszellen, es wurde in der Zwischenzeit auch die Teilung über den Nachlaß ihres verstorbenen Mannes vorgenommen und ihr im Ver- gleichswege eine Abfindung von 4000 Mk. nebst ihrer mitgebrachten Aussteuer zugesichert. Ihr Vater, ein habsüchtiger Mann, wußte jedoch die Sache so in die Hand zu nehmen, daß die flüssig gewordenen 4000 Mk. nicht seiner Tochter Marie, sondern ihm ausgehändigt wurden. Darüber erbost, entschloß sich die Angeklagte wieder zu heiraten, was sie allerdings nur unter großen Kämpfen mit ihrem Vater durchzuführen vermochte. Im September 1899, bis dahin ruhte die Sache, erfolgten neue Anzeigen, daß die Faas im Frühjahr 1894 nach ihrer Frei- sprechung dem ledigen Ackerer Friedrich Ehrhardt in Gleiszellen, dem sie einen Heiratsantrag machte,ein Geständnis dahin abgelegt habe, daß ihr Vater die That begangen und sie dabei nur mitgeholfen habe. Auch ihrem zweiten Ehemann, Georg Buchmann, von dein sie nunmehr gerichtlich geschieden ist, machte sie ähnliche Mitteilungen. Demzufolge wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Ungunsten der Angeklagten beschlossen. Nachmittags 5 Uhr begann die Zeugenvernehm
ung. Es waren für heute gegen 20 geladen, durchweg Einwohner von Liebenzell. Alle bekundeten, daß der Ermordete die Angeklagte nicht gut behandelt habe, sie bezeugten aber auch weiter die von der Angeklagten ausgestoßenen Drohungen. Eine Zeugin, die der Angeklagten den Vorschlag machte, wieder in ihre Heimat zu gehen, gab an, dieselbe habe ihr gesagt, das thue sie nicht, sie schlage ihm den Schädel mit dem Beil entzwei und wenn sie auch ins Zuchthaus komme, da komme man auch wieder heraus. Daß der Vater der Angeklagten vom 1. auf 2. Okt. 1893 in Liebenzell gewesen sei, bestreitet dieselbe ganz entschieden. Verschiedene der Zeugen, die den Weg von, Liebenzell auf den Bahnhof Pforzheim zu Fuß schon gemacht haben, bekundeten, daß man in 2— 2^/2 Stunden den Weg gut zurücklegen könne, so daß es dem Later Hoffmann nach der That (12 bis 1 Uhr) ein Leichtes gewesen wäre, in der ihm bekannten Gegend auf den Frühzug 3 Uhr 40 Minuten nach Pforzheim zu kommen.
— Der zur Zeit der That bei Faas bedienstet gewesene Bäckergeselle Schmitter erzählte au§ der Mordnacht: Er sei kurz vor 12 Uhr erwacht, sei etwa um 12»/t Uhr von seiner Dachkammer herunterge- kommen, um sich in die Backstube zu be- geben. Als er mit dem Licht auf der unteren Treppe im Hausöhrn angekommen sei, habe er im Gang einen Menschen liegen sehen, der geröchelt habe. Er- schrocken sei er aus der zweituntersten Treppenstufe stehen geblieben. In dem Daliegenden habe er seinen Meister er- kannt und deshalb sofort hinaufgerufen: Frau Faas! Frau Faas! Diese habe von ihrer Schlafkammer aus geantwortet: Ich komme gleich, mein Mann ist noch nicht du! Er habe gewartet bis sie die Treppe heruntergekommen sei. Im Anblicke des in seinem Blnte Daliegenden habe sie ge- rufen: Ach, das ist mein Karl! und sei dann gleich wieder weggelaufen, indem sie bemerkte, mit dem Fritz (Schwager) und dem Stadtpfleger habe er Händel gehabt. Darauf sei sie auf ihren Mann zu, habe ihn hinten am Rockkragen gefaßt und etwas in die Höhe gehoben, habe ihn aber sofort wieder fallen lassen, so daß dessen Kopf am Boden aufgestoßen sei. Er (Zeuge) habe gesagt: Soll ich nicht die Eltern des zzaas rufen? Sie habe entgegnet: Ja, aber es eilt nicht so. Bezül. dieser Aeußerung bemerkt Zeuge, seine heutige Erinnerung sei in dieser Richtung