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den Geschworenen zum Tode und 15jähr. Ehrverlust verurteilt. Wiegand verübte im Oktober vor. Jahres in einer an einer einsamen Landstraße bei Engelskirchen ge­legenen Wirtschaft einen Einbruchsver­such, erschoß, als er ertappt wurde, eine 75jährige Frau und machte auf die Wir­tin einen Mordversuch. Alsdann flüchtete er und wurde später auf dem Rhein­dampferKaiser Friedrich" verhaftet. Der Mörder nahm das Urteil gleichgiltig auf.

Aus Straßburg wird geschrieben : Dem früheren kommand. General des 15. Armeekorps Frhrn. v. Falkenstein wird demnächst am hiesigen Generalkommando ein Denkmal errichtet werden. Die Aus­führung ist dem Bildhauer und Lehrer an der Kunstgewerbeschule, Albert Musch­weck, übertragen.

Marseille, 25. April. Ingenieur Leon, der Vertreter der Creuzot-Werke in Transvaal ist hier eingeEoffen. Der­selbe hatte eine Unterredung mit einem Berichterstatter, in der er sagte, die Buren seien ausgezeichnete Schützen und Ar­tilleristen, was die großen Verluste der Engländer erkläre, die sich auf 40 000 Mann beliefen, während die Buren nur 6000 Mann, darunter 600 Tote verloren bätten. Leon meint, die Buren würden sich auf die Defensive beschränken. Soll­en sie auch Prätoria aufzugeben gezwun­gen werden, würden sie sich in die unzu­gänglichsten Berge zurückziehen. Wenn England die beiden Republiken annektiere, bedürfte es einer Besatzung von 150 000 Mann, ohne daß der Friede wiedi-r her­gestellt sei. Das Klimasei für Europäer und europäische Pferde schlecht.

Charkow, 25. April. Letzten Sonntag brach in der Ansiedlung Malinowka bei Tschugujew Feuer aus, welches sich infolge des starken Windes rasch ausbreitete. 500 Bauernhöfe mit fallen Nebengebäuden wurden eingeäschert. Die Lage der Ge­schädigten ist verzweifelt. Mehrere tausend Personen sind ohne Obdach und Nahrung. Der Gouverneur bezab sich an den Ort der Katastrophe.

Vom Kriegsschauplatz in Südafrika.

London, 25. April. DemDaily Telegraph" wird vom Montag aus Bos- Hof berichtet: Die Buren umzingeln Lord Methuens Kolonnein Boshof. Ihr nächstes Lager ist 5 Meilen entfernt, doch ist die Verbindung mit Kimberley noch offen.

In den Spalten derTimes" wur­den Zuschriften hochstehender Offiziere veröffentlicht, die nicht nur das Kriegs­ministerium scharf tadeln, sondern auch Lord Roberts zu kritisiren beginnen und darauf Hinweisen, daß unter seinem Ober­befehl um Bloemfontein herum ohne son­derliche Gefechte binnen wenigen Wochen mehr Truppen in die Gefangenschaft des Feindes geraten seien, als unter General Buller in ebensoviel Monaten unter be­ständigen schweren Kämpfen. Die Stimm­ung des Publikums geht daraus hervor, daß Sammlungen zu einer Ehrengabe für General Buller, denBefreier von Lady- smith" eingcleitet worden sind.

Pretoria, 26. April. Gestern Abend fand in der Gießerei von Begbie, die jetzt von der ^Regierung als Arsenal benützt wird, eine große Explosion statt. Das Gebäude wurde völlig zerstört. 10 Per­sonen wurden getötet, 32 verletzt. Die meisten Verunglückten sind französische und Italien. Arbeiter. Die Ursache der

Explosion ist noch nicht bekannt. Sofort nach der mit einem furchtbaren Knall er­folgten Explosion standeu sämtliche Häuser der Nachbarschaft in Flammen. Das Ge­schrei der Frauen und Kinder in den an­stoßenden Straßen erhöhte die allgemeine Bestürzung. Die Ambulanzen der Gesell­schaft vom Roten Kreuz leisteten den Verwundeten gute Dienste.

Unterhaltendes.

Der zweite Schuß.

Volkserzählung aus dem Böhmerwalde von Maximilian Schmidt

(Nachdruck verbaten.)

Die nördlichen Ausläufer desKlini­schen Gebirges" gehören zu den schönsten Landschaften des Böhmerwaldes. Der Urwald, welcher vor Zeiten in diesem königlichen Waldhwozd, wie das Kammer­gut des Königs genannt wurde, bestanden hatte, ist freilich verschwunden; dafür^aber erblickt das Auge zwischen sanftabfallenden, tcmnenbestockten Forsten und Berglehnen üppige Wiesen, Kornfelder und kleinere Waldparzellen, schmucke jDörfer und zahl­reiche Einschichten der KünischenFreibauern, wie die einst mit reichen Privilegien be­dacht gewesenen Ansiedler hierum heißen.

Zahlreiche Bächlein entspringen den Höhen dieses nördlichen Waldgebietes. Vor allem sind es die Wasser der Cho- dangel und des Geleitsbaches, welche durch die geradezu idyllischen Hochthäler von Sankt Katharina und Rothenbaum herbei- eilen, um sich in der weiten Ebene von Neuern mit der hoch vom Gebirge herab­kommenden Angel bei Auborsko zu ver­einigen.

Mit ganz besonderen Naturschönheiten ist die Landschaft um Rothenbaum aus­gestattet. Dieses an der bayerisch - böhmi­schen Landesgrenze gelegene Dorf mit seinem hohen, weißen Pfarrkirchturm steht in der Mitte eines reizenden Kessels, welcher, durch die ihn umgebenden, be­waldeten Höhen vollständig abgeschlossen, so recht den Eindruck eines freundlichen Gebirgsdörfchens auf den Besucher macht.

Nur wenige Häuser zählt der Ort, doch wetteifern alle, was Sauberkeit im Aeußern sowohl, wie im Innern betrifft, mit einander. Auffallend sind in dieser Hinsicht die zu jedem größeren Bauern­höfe gehörigen Nebengebäude, welche die Zuhäusler oder Hintersassen bewohnen, die sich durch Taglöhnerarbeit in WAd und Feld oder auch durch Verfertigung gewöhnlicher Holzschnitzereien ihren Lebens­unterhalt verschaffen.

Diese kleinen, mit breiten Legschindel­dächern gedeckten Zuhüuschen zeigen ent­weder einen weißen Verputz, oder nur bloßes Balkenwerk, welches infolge des Alters eine samtbraunc Färbung ange­nommen hat. Jedes Haus hat im oberen Stock eine geschnitzte, das ganze Haus umfassende Galerie (die Laube), welche gleich den Fenstern mit farbenprächtigen Blumen geschmückt erscheint, umer denen hängende Nelken mit besonderer Vorliebe gepflegt werden. In dem neben jedem Hause angebrachten jGärtchen blühen unter schattigen Nuß- und anderen Obstbäumen dw verschiedensten Blumen, welche Dank der hier äußerst würzigen Waldluft eine Frische und Pracht der Farben entfalten, wie man sie selten anderswo gewahrt.

Aber nicht nur die Wald- und Obst­

bäume, sowie die Blumen zeichnen sich hier durch ihre Frische und Schönheit aus, sondern auch die Menschen, ein kräftiges, urdeutsches Geschlecht, wenn auch derb in ihren Ausdrücken und Manieren und mißtrauisch gegen Fremde, so trotzdem sehr gefällig und gastfrei. Die Frische des Lebens blüht auf allen Gesichtern, und der Arbeit Lohn, den, wenn auch kärglich, das Erdreich spendet, verschafft diesem frohen Völklein auch die den Gebirgsbe­wohnern eigentümliche Heiterkeit. Eine besondere Vorliebe für Mnsik und Gesang bringt im Böhmerwalde jeder mit auf die Welt und durch nichts gewinnt man sich hier schneller die Zuneigung der Landleure, als durch wohlgelungeuen Gesang oder einen über den Hausbedarf hinausreichen­den Vortrag auf irgend einem Instru­mente.

In Rothcnbaum verstand sich am besten zu solcher Kunstfertigkeit der Schneider- girgl. Er war der gesuchteste Frauen­schneider in der ganzen Umgegend. In der geschmackvollen Verfertigung der Spen­ser für die Weiber und Dcandln lhat es ihm keiner gleich, aber eben so wenig im Spiele der Klarinette, der die gewöhnlichen Landmusikanten meist nur gellende, ohren­zerreißende Töne zu entlocken wissen, während Girgl bei seinem Spiele einen Ton hervorzubringen verstand, der den Ohren der Zuhörer schmeichelte und der sogar bei mehr als einer der Rothen- baumer Dorfschönen den Weg zum Herzen fand. Dies vorzugsweise, wenn Girgl Feierabend gemacht, Nadel und Bügeleisen beiseite gelegt und sein Instrument zur Hand genommen hatte, wenn die das Dörfchen umgebenden, tannendunklen Höhen im flimmernden Abendduft dalagen, oder der Mond über dieselben heraufge­stiegen kam und unaussprechlicher Friede in der Runde waltete. Der hübsche, etwa dreißigjährige Bursche mit seinen großen, dunklen Augen, üppigem, braunem Haare und kleinem Schnurrbärtchen spielte in solchen Stunden, unter dem Nußbaum seines Gärtchens sitzend, oft die einschmei­chelndsten Weisen, welche in der Stille der Nacht von dem einen Ende des Dorfes, wo sein Häuschen stand, bis zum anderen Ende drangen, und von allen Leuten gern gehört wurden.

Ganz besonders gern aber lauschte diesen Weisen das schöne, schwarzäugige Häuslerseppen-Katherl, ein körnigs Deandl mit rösleter Wang", immer heiter und' unermüdlich bei ihrer Arbeit, der Spitzen- klöpplerei, einer im Böhmerwalde vielge- pflegten Hausindustrie, worin es das weibliche Geschlecht zu einer großen Kunst­fertigkeit gebracht hat.

Der Häuslersepp, Katherls Vater, hatte eine kleine Oekonvmie, welche für zwei Kühe ausreichte, und beschäftigte sich im Winter mit Holzschnitzereien geringster Sorte, wie Nudelwalger, Kochlöffel und dergleichen. Sein Weib führte das Regi­ment in Haus und Stall. Neben dem sauberen Häuschen war ein kleiner Garten mit einigen Obstbäumen, Gemüse und Blumen, deren Pflege Kathi überlassen war. Der Feierabend versammelte die kleine Familie meist auf der Gredbank vor dem Hause und da gewährte dem Mädchen das Spiel des Schneidergirgl stets das größte Vergnügen.

Daß sich die beiden gern hatten, das hatten sie sich noch nicht mit. Worten ge-