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waren nach dem Kampf blutüberströmt. Auch im Publikum herrschte heftige Auf­regung.

Berlin, 23. April. Unter demVor- sitz des Reichsbank-Präsidenten Dr. Koch fand heute eine Sitzung von Vertretern der hiesigen großen Finanz- und Jndu- striesirmen statt, in welcher der Beschluß gefaßt wurde, zur Linderung der Hungers­not in Indien einen Beitrag aufzubringen; die in der Versammlung iu Umlauf gesetzte Liste ergab die sofortige Zeichnung eines Betrages von ungefähr 400000 Mk.

Innerhalb 15 Jahren hat August Scherl seinenBerliner Lokalanzeiger" zur meistgelesenen deutschen Zeitung ge­macht. Das Blatt hat eine Auflage von 230000 Exemplaren. Die illustrierte SchriftDie Woche", die Scherl seit etwa zwei Jahren herausgiebt, hat bereits 400 000 Abonnenten. Nunmehr giebt der erfolgreiche Mann sein Geschäft an eine Aktiengesellschaft ab, die sich mit 16 Milli­onen Aktienkapital konstituiert.

Genf, 20. April. Heute mittags brachte der Lyoner Schnellzug den Haupt­mann Alfred Dreyfus. Früh gealtert, trägt er schneeweise Haare und geht ge­beugt. Sein einziger Begleiter ist sein Neffe. Am Bahnhof kennt ihn niemand, niemand wußte um seine Ankunft, nur zwei Herren, Bernhard und Cramer, welche ihm eine Villa gemietet, erwarte­ten ihn. Nachdem die Zollwächter sein Gepäck untersucht hatten, bestieg Dreyfus mit seinem Neffen und den genannten Herren einen Zweispänner und fuhr durch die Stadt nach Cologny zu der herrlich gelegenen Villa Turettini, wo er sechs Monate wohnen will. In Cologny selbst wußte niemand von Dreyfus' Ankunft. Ei will überhaupt still leben; nachmittags kam auch Frau Dreyfus nach Cologny.

Paris, 21. April. In einigen Blät­tern macht sich die optimistische Auffassung geltend, daß die zwar eröffnet?, aber noch nicht fertige Ausstellung nun bis 1. Mai bereit wäre. An diesem Tage werden der große und kleine Jndustriepalast, die sich zu beiden Seiten der neuerrichteten, prächti­gen Avenue Nikolaus II. erheben, dem Publikum zugänglich gemacht. Das be­deutet einen wesentlichen Fortschritt. Der Fremde aber möge immerhin mit seinem Besuche hierher noch einen gute» Monat zuwarten. Er ist dann ziemlich sicher, die instruktivste, schönste und vielleicht auch letzte Pariser Weltausstellung in ihrer Vollendung anzutreffen und ferner die immer noch im Bau begriffenen, für die Ausstellung in Angriff genommenen Ver­kehrsmittel bequem benützen zu können. Jeder aber, der nach Paris kommen will, thut am besten, sich keinen Illusionen be­züglich der Börse hinzugcbeu, denen be­sonders der Süddeutsche, der an billiges Leben gewöhnt ist, zum Opfer fallen könnte. Paris ist das teuerste Pflaster Europas. Jede der vier vorausgcgangenen Ausstell­ungen hat eine Hausse der Lebensmittel von 2025 Prozent gebracht, die sich allemal auch nachher erhalten hat. Schon setzt sind die Nahrungsmittelpreise wieder in die Höhe gegangen, die Preise der Wohnungen aber haben sich verdoppelt, so daß ein bescheidenes Zimmer in zent­raler Lage mit IVO bis 130 Fres. pro Monat bezahlt wird. Im allgenieinen muß jeder Ausstcllungsbesucher, der sich den kostspieligen Vergnügungen fernhält,

mit einer Tagesausgabe von ca. 25 Mk. rechnen.

Paris, 20. April. Der Besuch der Weltausstellung hat seit den Ostertagen abgenommen; doch wurden am Dienstag 88 000 und am Mittwoch 91000 Eintritte verzeichnet, von denen etwa 30 000 täg­lich aus das Bau- und Dienstpersonal entfallen. Die Bauten der Transvaal- Republik erfreuen sich eines ganz außer­ordentlichen Zuspruchs, namentlich die Burenbehausung, die bis in ihre geringsten Einzelheiten mit authentischen Objekten aus Transvaal eingerichtet worden ist.

(Gut parirt.) In dem Audienzzimmer eines Generals der französischen Armee, der während des deutsch-französischen Krieges viel genannt wurde, erschien kürz­lich ein etwa 54jähr. Mann von höchst sonderbarem Aussehen als Bittsteller. Er suchre um eine Beschäftigung als Schreiber nach, indem er sich auf seine dem Vater­land geleisteten Dienste berief. In einem heißen Gefecht hatte ihm eine Kugel die Nase fortgerissen. Als der Verstümmelte seinem ehemaligen Vorgesetzten unter die Augen trat, brach der wenig zartfühlende Offizier in lautes Lachen aus und fragte: Wo, zum Teufel, mein Lieber, ist Ihnen denn Ihre Nase abhanden gekommen?" In derselben Schlacht, Herr General in der Sie den Kopf verloren", erwiderte der brave Vaterlandsverteidiger, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die engl. Wochenschrift Black und White entnimmt dem Privatbriefe einer Spitalswärteriu, daß, als jüngst mehrere gefangene Buren ins Bad geschickt wurden, einige sich nicht auskleiden wollten. Man erzwang es aber und es stellte sich her­aus, daß es Weiber waren. Man glaubt, daß zahlreiche Buren-Weiber in Männer­kleidern in den Reihen der Buren mit­kämpfen.

Lokales.

* Wihdbad, 25. April. Das.j von Herrn Stadtarzt Or. Teufel hier ver­faßte historische SchauspielDer Ueber- fall in Wildbad" wird voraussichtlich am Sonntag den 27. Mai erstmals zur Aufführung gelangen. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange; an der Einstudier­ung der Rollen wird eifrig gearbeitet und läßt der Fleiß und die Hingabe, mit welcher sich die Darsteller ihrer mühevollen Aufgabe unterziehen, einen schönen Erfolg erwarten. Die Kostüme werden nach künst­lerischen Entwürfen in historisch getreuer Ausführung angefertigt, und wird sonach die äußere Ausstattung des Stückes dem gediegenen Inhalt des letzteren völlig ent­sprechen. Die Lieferung derselben hat Hr. Garderobe-Inspektor Pils vom K. Hoftheater in Stuttgart übernommen, welcher vor einigen Tagen zwecks Maaß- nahme und weiterer sachlicher Besprech­ungen hier anwesend war. Die Drucklegung des Textbuchs wird in Bälde beendigt sein», dürfte dasselbe bei seinem Erscheinen von den weitesten Kreisen gewiß mit großem Interesse entgegen genommen werden. Hr. vr. Teufel hat sich durch die Aus­arbeitung dieses lokal-historischen Schau­spiels und die äußerst mühevollen und umfangreichen Vorbereitungen zu dessen Aufführung gewiß ein großes Verdieust um unsere Stadt und die Hebung des hies. Fremdenverkehrs erworben.

Vom Kriegsschauplatz i» Südafrika.

Wie derVolksztg." aus London mitgeteilt wird, schwebt mau im Kriegs­amt c in großer Sorge um die nächste Zukunft. Die Dinge ständen auf dem Kriegsschauplätze viel schlechter, als bis­her bekannt war und man auch nur geahnt hatte. Es heißt in London, Lord Roberts habe in einem eingehenden Bericht die Sachlage klargelegt und Thatsachen ent­hüllt, die seinen ganzen Feldzugsplan überhaupt gefährden, mindestens aber den­selben in feinem nächsten Stadium hem­men und nun den Abschluß des Krieges von Neuem in weite Ferne gerückt er­scheinen lassen. Aus alledem geht hervor, daß der bisherige ganze Feldzugsplan auf der ganzen Linie als gescheitert zu be­trachten sei. Dazu kommt jetzt noch, daß wie es nach den inzwischen einlaufenden Meldungen scheint, General Lord Mcthuen gezwungen gewesen ist, seinen Vormarsch aufzugeben und zwar infolge der Bedroh­ung seiner Rückzugslinie und daß er mit der neunten Brigade über Boshof, welches seine Nachhut hält, zurückging. General Rundle versuchte anderseits bisher ver­gebens seine achte Division mit Pole Carew zu vereinige», da die Buren De- wetsdorp und alle zwischen den englischen Korps liegenden Höhen halten. Aus Dur­ban endlich wird gemeldet, daß General Buller allen Civilisten befahl, Ladysmith zu räumen und allen Farmern nördlich des Tugela, in Estcourt Zuflucht zu suchen, da eine erneute Belagerung Ladysmiths möglich sei.

HlnterHaltendes.

Der weibliche Kolotz.

Erzählung von Albert Ladvocat. Aus dem Französischen von I. Pols.

(Schluß.) (Nachdruck verboten.)

Nun ja, mein Herr," meinte der Koloß; wenn ihr Vorschlag ernstgemeint

ist-und dann hängt es auch ganz

von der Großmüthigkeit Ihres Freundes ab!"

O! darüber brauchen Sie nichtbesorgt zu sein l Fünfzig Mark genügt Ihnen das? Und das Büffet steht ebenfalls zu Ihrer Verfügung."

Das Büffet? Ich würde also ein Glas Wein beanspruchen dürfen?"

Eine ganzeFlasche, wenn Sie wünschen. Nur bitte ich Sie, eine tadellose Haltung zu bewahren. Bei Ihrem Eintritt setzen Sie sich auf einen Stuhl und hören dem stattfindendeu Concerte zu. Wenn dies beendet ist.-

Ich verstehe, wenn das beendet ist, mache ich meine Vorführungen. Ich ver­sichere Sie, dieselben sind außerordentlich interessant. Ich jonglire mit Gewichten und verschlucke sogar Säbel!"

Das ist ja einfach entzückend! Kommen Sie nur! Ich werde Ihnen sogleich Ihre Eintrittskarte verabfolgen."

Marcelin zog drei oder vier unausge- füllte Einladungskarten des Präfekten hervor, die er mitgenommen hatte, um sie seiner Frau zu zeigen und schrieb auf eine derselben in seiner schönsten Schrift: Irene Strambulow, Gesandtin des König­reichs Afghanistan."

Diese Karte überreichte er dem Weib liehen Koloß, welcher sie freundlichste hin­ausbegleitete und an der Thür noch ein­mal versicherte: