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sein eines großherzigen Vorhabens danach!
Die beiden Frauen waren durch diese Treue fast noch mehr erschüttert, als durch das große Unglück.
Der junge Mann half im Anfang, soweit er konnte, mit Geldmitteln aus und verschaffte ihnen dann einigermaßen lohnende Handarbeiten aus der Kreisstadt, wo er mit einem größeren Geschäft in Verbindung getreten war, das die zu verarbeitenden Sachen immer gleich an Kerners schickte, so daß es für Unbeteiligte aussehen mußte, als hätte er gar nichts damit zu thun.
An eine Vereinigung mit Martha durfte er unter den obwaltenden Umständen natürlich nicht denken; er vertröstete die Frauen und sich auf die Zukunft.
Frau Kerner und Martha waren ihm innig dankbar für seine Hilfe. Sie wa-en nach und nach wieder voll freudiger Hoffnung geworden. Wohl hatte der elfteren nach der Verurteilung ihres Mannes eine Nachbarin deck Rat gegeben, sich von dem Manne scheiden zu lassen, doch sie hatte nur geantwortet: „Ich habe ihm einst Treue geschworen bis zum Tode und kann ihn jetzt im Unglück nicht verlassen." — War das letzte Ostern auch für sie kein Freudenfest, im nächsten Jahre kehrt Ostern ja wieder. Sie hoffte, daß ihr Mann nach Beendigung seiner Strafzeit ein anderer Mensch werden würde; er mußte ja zur Erkenntnis kommen, denn er war nicht von Grund aus schlecht. Sie mußte ihm nur Zeit lassen.
Kurz vor Beendigung seiner Strafzeit schrieb sie ihm einen liebevollen Brief mir der Ermahnung, zu ihr und zum guten Leben zurückzukehren. Die Antwort war, wie sie erwartet hatte, voll Reue und Dankbarkeit.
Der Direktor der Strafanstalt, den Frau Kerner um Vermittelung des Briefes und gleichzeitig um eine Schilderung der Aufführung ihres Mannes gebeten hatte, schrieb ihr, daß Kerner den Brief seiner Frau mit großer Erschütterung gelesen habe. Sein Betragen sei durchaus musterhaft gewesen und er (der Direktor) sei vollkommen überzeugt, daß der Charakter Kerners ein ganz anderer geworden sei.
So war die Hoffnung auf eine gute Zukunft denn ihrer Erfüllung nahe und Frau Kerner sah froh und dankbar zu dem Lenker der Menschengeschicke auf.
lieber die damals so aufregende Brand- gcschichte ist längst Gras gewachsen. N eue
Ereignisse haben sie, wie das immer zu geschehen pflegt, in den Hintergrund gedrängt. Man hat sie vergessen.
Fritz Reimann will, als Frau Kerner zu ihm von der Notwendigkeit, Thalfels zu verlassen, spricht, nichts davon w ffen. Als sie und Martha ihn fragen, ob er denn einen andern Ausweg wisse, antwortet er zweideutig und ausweichend. —
Ostern steht wieder vor der Thür, es fällt in diesem Jahre sehr früh. Frau Kerner reist nach H., um ihren Mann, dessen Strafe verbüßt ist, abzuholeu; sie will sich das nicht nehmen lassen.
Die Ausmalung des Wiedersehens zwischen den beiden Schwergeprüften und später daheim zwischen dem Vater und seinen Kindern sei der . Phantasie' des Lesers überlassen.
Kein Wort des Vorwurfs, nur Liebe und Fürsorge wird ihm entgegengebracht.
Als er spät abends, nachdem er lange mit ihnen geredet, im Kreise der Seinen steht, die sich zur Ruhe legen wollen, sagt er ernst: „Ich will Euch diese Liebe, die ich so wenig verdient habe, vergelten, so war mir Gott helfe! Er hat mich tief gebeugt, weil ich an ihm gezweifelt habe, ater er hat doch zuletzt alles herrlich geführt. Wir werden die Stadt verlassen müssen, aber wir finden wohl noch ein anderes Heim, in dem wir glücklicher als bisher ein neues Leben führen können."
Am andern Tage, als die Familie Kerner eben vom Mittagstisch aufgestanden war, erscheint ganz unerwartet Fritz Reimann in der Wohnung.
Dem Manne ist das natürlich sehr- peinlich, er mußte an die Rohheit denken, die er dem jungen Reimann damals zn- gefüzt, sowie an alles übrige; doch Fritz läßt ihm nicht lange Zeit zum Nachdenken, sondern reicht ihm einfach die Hand und heißt ihn willkommen mit den Wo^en, daß alles Böse von seinem Vater und ihm vergessen sei.
Mühsam bringt Kerner hervor: „Wie demütigen Sie mich, Heir Reimann!"
„Dazu bin ich nicht hergekommen," antwortete Fritz schnell; „mein Vater bietet Ihnen durch mich die Stelle, die
Si früher bei uns eingenommen, wieder an, und ich persönlich bitte Sie: schlagen Sie nicht aus."
Die Wirkung dieser Worte ist gewaltig. Sprechen kann Kerner nicht, aber aus- drücken muß er das Uebermaß seiner Gefühle, sonst erstickt er daran. Er schließt den jungen Mann in seine Arme und weint wie ein Kind.
Fritz macht sich los und sagt nach einer Pause, in der er selbst mit seiner Bewegung ringt: „Herr Kerner, ich bin noch nicht zuende —"
„Ja so. Sie haben gewiß eine Bedingung, wie konnte ich das nur vergessen. Verlangen Sie alles!"
Fritz lächelt. „Ja, eine Bedingung habe ich und ich hoffe, daß Sie dieselbe erfüllen, denn mein Lebensglück hängt davon ab. Geben Sie mir Martha zur Frau!"-
Die Geschichte ist zuende, nicht weil die Verlobung des jungen Paares sicher ist, sondern weil es wirklich nichts mehr zu erzählen giebt.
Dem oben Geschilderten ist höchstens noch h nzuzufügen : Als wenige Tage später am Ostermorgen die Sonne ihre Strahlen wieder wie im letzten Jahre auf die erwachende Natur hernieder endet, ist auch die Familie Kerner wieder unter denen, die in die leuchtende Welt hinauspilgern und sich am beginnenden Frühling erfreuen. Beginnt doch heute auch für sie ein neuer Frühling, ein nmes Leben.
StcrnöesbucH-Wrronik
der Stadt Wildbad. vom 6. bis 14. April 1900.
Geburten:
31. März. Sieb, August, Fuhrmann hier, 1 Sohn.
7. April. jGropp, Karl, Fabrikarbeiter hier, 1 Tochter.
Wildbrett, Johann Friedrich, Waldschütz hier, 1 Tochter.
G esto rbene:
Haisch, Wilhelmine Luise, geb. Pfau, Ehefrau des Fuhrmanns Friedrich. Haisch hier, 71 Jahre alt.
Link, Christian Friedrich,Schuhmacher- meister hier, 69 Jahre alt.
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aus.
Hjlermontag den 18. April 1900
Morgens 7 Uhr
rückt die gesamte Feuerwehr einschließlich der Beleuch tungs- und Läute-Mannschaft zu einer
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Nur ganz dringende Entschuldigungen können berücksichtigt werden.
Den 10. April 1900.
Das Gornrnanöo.
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Diejenigen hier wohnenden, männlichen Personen, welche im Besitze der württ. Staatsangehörigkeit sind und das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben, steht, sofern bei ihnen keine gesetzlichen Versagungsgründe vorliegen und sie seit den drei letzten Rechnungsjahren an die Stadtkasse ununterbrochen Steuern aus ihrem Vermögen oder Einkommen und außerdem Wohnsteuer entrichtet haben, das. Recht zu, die Erteilung des hiesigen Bürgerrechts gegen Bezahlung der statutenmäßigen Gebühren zu beanspruchen.
Hievon werden dieselben gemäß gffetz- licher Vorschriften in Kenntnis gesetzt.
Den 7. April 1900.
Gemeinderat:
Vorstand: Bätzner.