50 —
schloß deshalb, die Buren südlich von Tugela zurückznziehen.
— Genera! Buller schloß seinen Bericht über die letzten Schlachten mit folgenden Worten: „Ich vermute, unsere Offiziere werden den Wert des Rekog- noszirens noch rechtzeitig lernen. Bis jetzt kann man sagen, daß sie auf's Geratewohl in die feindlichen Reihen hineintappen und infolge dessen auch zu leiden haben." Die Veröffentlichung dieser Berichte hat in London großes Anfsehen gemacht.
— Ein Telegramm aus dem Burenlager berichtet, daß Dr. Jameson in der Nacht vom 29 Jan. in Ladysmith durch eine Kugel am Bein verwundet worden sei.
London, 30. Jan. Eine Times- meldung aus Lourenzo Marques besagt: Unter den am Tugela Gefallenen befindet sich der frühere deutsche Leutnant v. Brüsewitz, der sich den Buren ange- schtossen hatte.
Lokales.
Wildbad, 31. Jan. Am Sonntag Abend sprach Herr Stadtpfarrer Or. Wurster aus Heilbronn in der hiesigen ev. Stadtkirche über die Bestrebungen der inneren Mission. Mit feuriger Beredsamkeit ermahnte er zu einem engeren Zusammenschluß der Glaubensgenossen. Dazu sei aber neben der Kirche noch ein „Vereinshans" oder „Gemeindehaus" unentbehrlich, in dem Gelegenheit geboten sei zu Vorträgen und Besprechungen über religiöse Dinge und allen: dem, was die Gemeindeglieder inniger verbinden kann. Ferner soll dieses Haus eine Heimat der Diakonissen,aller christlichenVereinigungen, des Jünglings- und Jungfrauenvereins werden. Ein solches Haus als etwas Unnötiges oder gar Schädliches anzusehen, heiße den Geist unserer Zeit nicht verstehen, denn die Erfahrung lehre überall das Gegenteil. In den meisten Städten, nicht nur Deutschlands, sondern aller Länder werden Vereinshäuser gebaut und erweisen sich als großer Segen. In Stuttgart allein bestehen deren drei und es hat sich erwiesen, daß ihre Zahl noch lange nicht genügt, so daß ein Bauplatz zu einem weiteren, noch viel größerem als die übrigen, angekauft werden niußte. Auch dort sei man anfangs zaudernd ans Werk gegangen und jetzt, nach wenigen Jahrzenten, könne man kaum begreifen, wie man ohne diese Einrichtungen habe auskommen können. Warum sollte es hier allein anders gehen? Nach Schluß des Gottesdienstes wandte sich Herr Or. Wurster noch an die Angehörigen des Lehrlingsheims und Jungfrauenvereins, munterte sie auf, auch in späteren Jahren ihre Kenntnis des Evangeliums, wie es ihnen in Schule und Konfirmandenunterricht gelehrt worden sei, zu erweitern und in der Erkenntnis Gottes und der uns von ihm auferlegten Pflichten zu wachsen. Dazu sei ihnen in den christlichen Vereinen Gelegenheit geboten und er hoffe, auch hier bald einen solchen aufblühen zu sehen. Sie sollen ja nicht glauben, daß sie den Leitern desselben einen Gefallen thun, wenn sie erscheinen, nein, sie sollen um ihrer selbst willen kommen, denn sie allein haben ja den Vorteil davon für ihr eigenes Heil. — Später fanden sich noch Freunde der
inneren Mission im Hotel z. „Ochsen" zusammen, wo auch Herr Dekan Uhl, verschiedene Geistliche des Bezirks und Angehörige des Jünglingsvereins in Gräfenhausen anwesend waren. Herr Stadtpfarrer Auch drückte Herrn Or. Wurster den Dank der Kirchengemeinde aus, dem Herr Dekan Uhl den der Be- zirksgeistlichkeit anschloß. — Um falschen Auffassungen über den Zweck des zu er- bauenden Hauses entgegenzutreten, er- klärte Herr Stadtpfarrer Auch nochmals, daß weder Zimmer zum Vermieten darin eingerichtet werden sollen, noch irgend welche Art von Wirtschaft oder Pension, sondern es soll einzig und allein ein Versammlungsort der Kirchengemeinde und der christlichen Vereine sein. Herr Or. Wurster ergriff nun noch einmal das Wort und wies darauf hin, wie viel wir im festen Zusammenhalten von der Sozialdemokratie und der kath. Schwesterkirche lernen können, welch letztere in ihren Gesellenvereinen einen so starken Sammelpunkt aller Katholiken bilden und ungemein segensreich wirken. Sollten wir zurückbleibeu? Er schloß mit dem Ausspruch eines Weibleins in Reutlingen, die bei einer Vereinigung der ev. Gemeindeglieder znm sel. Gerock treuherzig sagte: „Mifreuts halt, daß mir z'samma g'hairet." Gewiß verfehlten die Worte Herrn Or. Wursters nicht, auch hier unserer Sache mehr Freunde zuzuführen und die seither herrschenden Zweifel zu zerstreuen. Wir bitten alle diejenigen, welche gesonnen sind, den Bestrebungen des ev. Vereins sich anzuschließen, bei Herrn I. F. Gntbub hier ihren Beitritt zum Verein anzumelden. Zeichnet sich doch Wildbad durch seine Opferwilligkeit bei Unterstützung aller auswärtigen, wohlthätigen und kirchlichen Einrichtungen ganz besonders aus; sollte es nicht das Sprichwort beachten wollen: „Die christliche Liebe beginnt zu Hause?"
WnterHcrtterröes.
Der alte Pojteinnehmer.
Eine Erzählung von M. Ling.
(Fortsrtz.) iNachdruck verboten.)
Sich wieder in den Stuhl zurücklegend, murmelte der Greis: „Ich hätte ihn gerne noch einmal gesehen. Ach wie hängt mein Herz an dem Knaben."
Auf der Straße tönten Fußtritte eines Mannes, die sich dem Hanse näherten. Es tappte zur Haustiere herein und klopfte. „Paul", murmelte der alte. „Aber es ist nicht möglich. — Herein!"
„Guten Abend, Herr Posteinnehmer", sagte Heinrich Griech, „darf ich eine Weile stören?"
„Du störst nicht. Nimm einen Stuhl. Willst du eine Pfeife?"
„Ich danke, Herr Posteinnehmer. Heute nicht." — Der alte Mann zündete die seinige an und rauchte schweigend.
„Ist Dora zu Hause?" fragte der Schreiber nach einiger Zeit.
„Nein, sie ist zu ihrer Mutter hinübergegangen. Wolltest du etwas von ihr?"
Griech antwortete zuerst halblaut Ja, dann Nein, und rückte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. Endlich begann er:
Es sei ihm ein großes Glück widerfahren. Eigentlich ein doppeltes. Erstens .habe er in der Lotterie tausend Thaler
gewonnen, und znm andern sei ihm die Rentbeamtenstelle in Westheim verliehen worden.
Das Letztere hat mir der Herr Bürgermeister mitgeteilt. Ich wünsche dir Glück dazu, Heinrich, — oder vielmehr Ihnen, Herr Amtmann, wie ich jetzt sagrn muß."
- „Ich bitte Sie herzlich, Herr Einneh- mer, lassen Sie es zwischen uns auch ferner in der alten Weise. Es würde mich kränken, wenn Sie das alte Du aufgeben würden. Und gerade heute würde ich eS doppelt empfinden-"
„Warum gerade heute? Du trittst jetzt in eine neue Lebensstellung—"
„Die mich aber Ihnen nicht ferner rucken sollte. Ich möchte Ihnen vielmehr näher kommen."
„Ich verstehe Dich nicht."
„Ach, Herr Posteinnehmer, in Ihrer Hand liegt es, ob mein Glück ein vollständiges und dauerndes sein wird. Ich möchte Dora zur Frau gewinnen und bitte Sie, mir dabei zu helfen."
Der Posteinnehmer setzte sich in seinem Stuhle aufrecht. „Ich habe über Doras Hand nicht zu verfügen. Du mußt dich an ihre Eltern wenden."
„Das werde ich natürlich auch thun. Aber Sie wissen, daß es mir bis jetzt nicht gelungen ist, im Schulhans Zutritt zu erhalten. Die Frau Schullehrer kann mich, wie es scheint, nicht leiden. Einen Grund dafür kenne ich nicht. Weil ich aber weiß, daß Doras Eltern über diese Sache Sie fragen werden, und weil Sie wie ein Vater zu Dora stehen, die gewiß nichts ohne oder gegen Ihren Rat thun wird, wollte ich Sie um Ihre Fürsprache bitten."
Der Einnehmer antwortete nicht so- gleich. „Es wird das Beste sein", sagte er zu sich selbst, „Dorothea bleibt ganz aus dem Spiel und ich mache die Sache mit ihm ab." So erwiederte er:
„Ich glaube ebenfalls, daß mein Freund im Schulhaus mit mir über Doras Zukunft reden, und daß mein Patenkind einen so wichtigen Schritt in ihrem Leben nicht thun wird, ohne meine Meinung erfragt zu haben. Deshalb erfährst du am besten jetzt schon, was ich sagen würde: ich würde der Tochter, wie dem Vater abraten/
„Herr Einnehmer, das dürfen Sie nicht!"
„Ich muß, Heinrich. Laß mich ganz offen sein. Mir gefällt dein Verhalten nicht. Es ist ein Dienst vor Augen. Ich habe dich früher manchesmal darauf aufmerksam gemacht. Du hast dann deine Wege nur um so mehr verheimlicht. Ich erkenne dankbar an, daß du mich alten Mann mit deiner Feder unterstützest und mir nicht selten deine Abende widmest, und ich schlage das hoch an, wenn ich schon" — setzte er lächelnd hinzu — „weiß, daß du nicht um meinetwillen allein ins Haus kommst. Dein Herr schätzt dich als einen tüchtigen Arbeiter und ihm verdankst du deine jetzige Anstellung. Du gehst in in die Kirche und hier nichtjviel ins Wirtshaus. Aber — ich weiß, daß du es an andern Orten anders treibst, daß du Karten spielst und daß die Bücher, die du liesest, nicht die besten sind. Das hat dir der Herr Bürgermeister auch schon vorgehalten. Man hört auch, daß du deine alte Mutter, die so viel für dich gethan hat, darben
»