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kieren seine Truppen auf den eroberten Terrain. Die wichtigsten Posten sind jedoch noch in den Händen der Buren. Unsere Verluste sind nicht schwer. Bis 5'/-- Uhr abends wurden etwa 200 Verwundete hiehergebracht. Die Zahl der Toten steht noch nicht fest.
— Die Kämpfe am Tugela haben wie es scheint noch nicht zu einer Entscheidung geführt. Daß der Angriff, den am Samstag 20. Jan. auf dem linken Flügel die Generale Dundonald und Warren, auf dem rechten Lyttleton und Hildgard unternahmen, ohne Erfolg geblieben ist, war aus den amtlichen Telegrammen deutlich zu ersehen. Buller meldete, das Gelände sei sehr schwierig, und da das Gefecht sich stets bergan entwickle, sei schwer zu sagen, wie viel man an Boden gewinne, doch glaube er, man komme vorwärts!! Am Sonntag den 21. wurde der Kampf wieder ausgenommen, und über diesen Kampf liegen noch gar keine Nachrichten, weder amtliche noch nichtamtliche, vor, jedenfalls ein Beweis dafür, daß die Engländer nichts von Erfolgen zu melden haben. Das Hauptgewicht des Angriffstoßes scheint auf dem linken Flügel bei Acton Home zu liegen, wo General Warren jeden fußbreit Boden erkämpfen muß. Ueber die Thätigkeit der Reiterbrigade unter Dun- danald auf der äußersten linken Flanke der Engländer fehlen seit dem 20. d. M. alle Nachrichten. Die Spannung in London auf den Ausgang dieser Kämpfe ist aufs Aeußerste gestiegen und das Publikum pilgert scharenweise zum Kriegsamt, um die dort angeschlagenen Nachrichten zu vernehmen.
— Am ersten Tage der Schlacht bei Ladysmith am 20. d. Mts. feuerten die Buren auf die Engländer mit den bei Colenso eroberten britischen Geschützen und Shrapnels.
London, 21. Jan. (Reuter.) Eine Depesche des Generals Buller aus Spear- mansfarm von heute besagt: In dem Kampfe, der gestern am Ventersspruit, einem am Actonhomes, südlich in den Tugela fließenden Wasserlaufe stattfand, wurden 11 Offiziere verwundet, von denen 1 starb, 279 Soldaten wurden verwundet.
London, 22. Jan. Hier befindet sich neuerdings Alles in fürchterlicher Aufregung. Während des ganzen gestrigen Tages begab sich eine wahre Völkerwanderung nach dem Kriegsamt, nur um die offiziellen Depeschen zu lesen. In Folge der Meldung von dem Vorrücken Clery's hält man vielfach die Buren schon auf der ganzen Linie geschlagen. In ernsten militärischen Kreisen ist man aber beunruhigt, von Bullers Depesche und feinem Verlust von 200 Mann, wobei noch die Toten fehlen. Man befürchtet, die Buren hätten die Engländer geschwächt und sich dann, ihrer alten Taktik gemäß, in starke Positionen zurückgezogen, wo die englische Streitmacht ins Gedränge kom- men könnte.
Pietermaritz b urg, 22. Jan. Es sind hier Gerüchte verbreitet, General Dundonald dringe mit 1600 Mann in Ladysmith ein. Die Gerüchte sind jedoch noch nicht bestätigt.
Lourenzo Marques, 22. Jan. (Depesche des Bureans Herold.) General Buller wurde am letzten Samstag nach schwerem, den ganzen Tag dauerndem
Kampfe auf der ganzen Linie zurückge- worfen. General Warren wurde von der Verbindungslinie abgeschnitten. Den Oberbefehl über die vereinigten Buren-Kolon- nen hat der General Joubert übernommen. (Diese Meldung hat von englischer Seite bisher noch keine Bestätigung gefunden.)
— Die amtlichen Berichte über einen engl. Sieg lauten wenig zuversichtlich und wissen nichts von wirklichen Erfolgen, d>e im Kampf vom 20. erzielt worden wären. Mit der Möglichkeit muß allerdings gerechnet werden, daß es General Buller gelingt, gewaltsam durchzubrechen und nach Ladysmith vorzudringen, da die Büren eventuell ausweichen werden. Aber dann? Dann kann es sich sehr leicht ereignen, daß die Buren die geöffnete Klappe wieder schließen und Buller froh sein könnte, wenn er glücklich wieder draußen wäre. Wie es heißt, schickt sich General Cronje, der bisher Lord Methuen gegenüberstand, an, den Engländern in den Rücken zu fallen, so bald sie weiter gegen Ladysmith Vordringen.
UnterHattenöes.
Der alte Postemnehmer.
Eine Erzählung von M. Ling.
<For!setz.) ^Nachdruck verboten.)
Die beiden Freunde hatten nicht bedacht, welchen Eindruck die Aufnahme Heinrich Griechs auf Doroihea, die Frau des Lehrers Schlick, machen werde. In der That war sie peinlich davon betroffen, daß der Sohn des Mannes, welcher an dem Tod ihrer Mutter wenigstens mittelbar die Schuld trug, ihr gegenüber wohnen und ihr täglicb vor die Augen treten sollte. Johann Griech hatte sich seiner Zeit um ihre Hand beworben, ihr mit seiner Rache gedroht, als sie seinen Jugendfreund Konrad Dehler vorzog, und war vom Tage des Brandes an verschwunden. Vor den Leuten war dies letztere unverfänglich, da er schon tags zuvor Weidingen verlassen hatte, um ans die Wanderschaft zu 'gehen. Er mußte in der Nacht zurückgekehrt sein und das Feuer eingelegt haben. Als Dorothea später ihrem damaligen Bräutigam und seinen! Freund von ihrem Verdacht Mitteilung machte, hatte der Erstere Beiden Stillschweigen auferlegt und keine Anzeige gestattet. Jetzt empfand sie den unerwartet raschen Entschluß der Freunde als eine persönliche Kränkung und zürnte ihnen. Da sie ihre Gefühle ihrem Manne nicht verbarg, so kam es, daß zum erstenmal seit Jahren eine gewisse Spannung zwischen den drei Häusern eintrat, die bisher sich eng verbunden gefühlt hatten. Die Schullehrerskinder kamen weniger häufig zum Onkel Konrad hinüber und zum Paten Bürgermeister, und Heinrich Griech fand gar keinen Zutritt im Schulhause.
Nur Paul litt unter dieser Erkaltung der Freundschaft nicht. Groß und klein freute sich, wenn er zum Besuch kam. Von seinem Lehrherrn, derfür sehr tüchtig in seinem Fache galt, erhielt er fortdauerndgute Zeugnisse. Der Apotheker rühmte, daß er eingezogen lebe, im Geschäft fleißig sei und besonders für sich mit großem Eifer dein Studium der Naturwissenschaften obliege. Als er nach einiger Zeit von seinem Onkel die Erlaubnis erbat, englisch zn lernen, sagte der Bürgermeister
zu seinem Freund: „Du wirst sehen Konrad, er ist nicht zu halten. So unver- nünftig es ist, einen Mann in Amerika oder vielmehr in der großen weiten Welt suchen zn wollen, — denn wo ist dein Schwager, wenn er überhaupt noch auf der Erde wandelt? — Paul wird fort- gehen."
„Es mag unvernünftig sein," erwiderte der Postemnehmer, „und mich wird die Trennung schwer ankommen. Aber sein Herz treibt ihn zu seinem Vater. Das ist kindlich. Ich kann ihn nicht zurück- halten. Daß ich neben seinem Vater einen Platz in seinem Herzen habe, weiß ich."
Auch im eigenen Hause des Einnehmers gab es Kopfschütteln darüber, daß der junge Griech dort einziehen solle, und zwar bei der alten Ursula, der langjährigen Dienerin oder Haushälterin desselben. Sie war als ein armes Waisenkind von seiner Mutter ausgenommen und aufgezogen worden und bei ihm geblieben, als die Seinigen wegstarben. Nun war sie seine Pflegerin und hing mit rührender Treue an ihm und seinem Neffen. Zwar machte sie keine Bemerkung, als ihr der Einnehmer mitteilte, daß Heinrich Griech für die nächste Zeit ihr Hausgenosse sein werde, — das erlaubte ihr die Verehrung gegen ihren Herrn nicht. Aber als sie nachher in der Küche allein war, meinte sie bei sich selbst: „Hat er die Schreckensnacht vergessen? Ich nicht, und was ich weiß, das weiß ich. Jetzt nimmt er Johann Griechs Sohn ins Haus! Den Mann begreife ein Anderer! Am Essen und Trinken soll es dem jungen Menschen nicht fehlen, aber ihn gerne zu haben, dazn lasse ich mich nicht zwingen."
Als sie ihn nach dem Abendessen in seine Stube führte, sagte sie zu ihm: „So, mein Sohn, da wohnst Du. Wie lange, — das kommt auf Dich an. Wenn ich aber nochmal einen solch spöttischen Blick sehe, wie der war, welchen Du meinem Herrn vorhin nachsandtest, als er an seinen Krücken ging, dann, mein Sohn, hast Du die letzte Suppe bei uns gegessen, oder ich heiße nicht Ursula Gänsbein. Ich will DirS jetzt schon sagen: ich traue Deinen Augen nicht. Die meinigen habe ich aber offen und meine Ohren dazu. Machst duuns Unangelegenheiten,dann—". Ihr nach der Thüre weisender Finger sagte das Übrige. Heinrich Griech sah sehr demütig aus, bis die Alte gegangen war. Die Ausdrücke, die er ihr nachsandte, als die Thüre sich hinter ihr geschloffen hatte, zeugten jedoch nicht von besonderer Hochachtung.
Die Warnungen Ursulas hatten bei dem jungen Menschen die Folge, daß er sich vor ihren Augen wohl in Acht nahm. Denn was ihre offenen Ohren betraf, so war dieser Ausdruck im wörtlichen Sinne „nur äußerlich" zu verstehen. Sie war sehr übelhörend und der junge Griech brauchte keine Störung von ihrer Seite zu fürchten, wenn er, da man beim Einnehmer früh zu Bett ging, nachts zum Fenster seines zu ebener Erde gelegenen Zimmers Hinausstieg, um mit den Kameraden, die er bald gewonnen, sich noch eine Weile zu unterhalten. Es hatte sich nämlich binnen kurzem eine Anzahl lediger Bnrschlein um ihn geschart, über die er Einfluß gewann, weil er sie im Kar-