14
Präsident Salisbury konferirte lange im Kolonialamt mit Chamberlein.
London, 5. Jan. „Daily Telegraph" meldet: Der von den Engländern in Aden beschlagnahmte Dampfer „General" wurde wieder freigegeben.
— Ueber das Gefecht bei Ladysmith am 30. Oktober wird nun bekannt, daß den 8000 Engländern nur 6000 Buren gegenüberstanden. Erstere verloren bekanntlich 1700, die Buren 39 Mann. Der Bericht über einen Ausfall WhiteS bestätigt sich nicht. Ladysmith soll noch für 6 Wochen mit Proviant versehen sein.
— Aus Prätoria wird unterm 2. Jan. gemeldet, einige Afrikander, welche jüngst St. Helena besucht haben, erzählen, daß die ehemalige Residenz Napoleons I., Long- wood, wieder hergestellt werde — zum Empfange des Präsidenten Krüger nach dem Kriege. Diese Mittheilnng hat in offiziellen Kreisen von Transvaal böies Blut gemacht.
— Nach einer Reuternachricht aus Pretoria wird aus dem Hauptquartier der Buren gemeldet, es sei sechs Reitern gelungen, durch einen kühnen Streich aus Ladysmith zu entkommen. Man glaube, Oberst Rhodes oder Dr. Jameson oder alle beide seien darunter. Beide haben bei ihrer seinerzeitigen Begnadigung ihr Ehrenwort gegeben, die Waffen nicht mehr gegen Transvaal zu erheben.
— Die Niederlage der Engländer bei Mafeking scheint schwerer zu fern, als man zugibt. Nach einer hier eingelanfenen Meldung haben die Buren bei Mafeking einen großen Sieg errungen. Die Stellung des Obersten Baden-Powell scheint fast völlig aufgerieben. Die Buren befestigen alle Höhen, welche Mafeking beherrschen. Der Fall Mafekings dürfte bald erfolgen.
London, 8. Jan. Hr. Winston Churchill belichtet in der „Morning Post" über seine Gefangennahme wie folgt: „Nachdem ich vom Panzerzuge gesprungen war, bemerkte ich nur ein paar große Gestalten, die ihre Flinten auf uns gerichtet hatten. Ich lief die Bahn entlang mit dem einzigen Gedanken: „Sie treffen sicher." Zwei Kugeln pfiffen vorbei. Ich warf mich an der anderen Seite der Böschung nieder, aber das war keine Deckung. Einen Augenblick darnach war ich ein Gefangener. Wir gingen vorwärts: „Zu laufen brauchen Sie nicht," sagte mir ein Bur in gutem Englisch; „wir haben Zeit". Da ich keinen Hut mehr hatte, gab mir der Mann eine Soldatenmütze. Es regnete in Strömen und diese Feinde waren also keine grausamen Leute. Das bedeutete eine Ueberraschung für mich, denn ich hatte viel über das Land gelesen und erwartete nichts anderes, als rohe, unwürdige Behandlung. Wir kamen zu den Kanonen, die uns so übel mitgespielt hatten; es waren ganz moderne Geschütze. Als ich meinen Namen hörte, sagte ich, ich sei ein Zeitungskorrespondent und sie sollten mich freilassen." Einer der Buren bemerkte, ich könnte wich ja in Prätoria am Fußball-Match beteiligen, das nicht geringe Heiterkeit erregte. Wir marschirten nun 6 Stunden durch hügeliges Land in strömendem Regen. Oester sagten die Buren, daß wir nur ganz gemütlich gehen sollten und ließen uns verschiedentlich Halt machen. Mit einigen unterhielt ich mich englisch.
Ich sagte, Prätoria würde doch bis Mitte März genommen sein, worauf mir einer der Leute entgegnete: „Ich zerschmettere mein Gewehr, wenn die Buren selbst nach der Einnahme von Prätoria den Kampf .aufgeben sollten. Wir fechten bis zum letzten Mann!" Nachts, während wir in einem Schuppen waren und der Regen auf das Wellblech herniederrasselte, vernahm ich Gesang. Es war ein Moral. Die Buren hielten ihre Abendandacht. Es ging mir wie ein eisiger Schauer durchs Herz. Ich dachte, daß trotz alledem dieser Krieg ein ungerechter ist, daß die Buren bessere Menschen sind als wir, und der Himmel gegen uns ist. Und ich dachte auch, daß Ladysmith, Mafeking, Kimberley fallen, die Mannschaften in Estcourt zu Grunde gehen werden, daß fremde Mächte interveniren und wir Südafrika verlieren werden und daß dies der Anfang vom Ende ist!"
HlnterHaktenöes.
Der alte Postemnehmer.
Eine Erzählung von M. Lin g.
(Fortsetz.) «Nachdruck verboten.)
Denn bei Gelegenheit eines der vielen Schiffbrüche wollte der alte Märte ein- mal von einem kohlpechrabenschwarzen Negerhäuptling gefangen genommen und mit Mühe der Gefahr entgangen sein, dessen Nachfolgerzu werden. Sein Schwiegersohn habe ec wohl oder übel werden müssen. Denn die afrikanische Prinzessin,
— abgesehen von der Hautfarbe versicherte Märte, ein schönes Frauenzimmer, — wollte ihn durchaus zum Mann haben, und der Schwiegerpapa habe ihm nur die Wahl gelassen zwischen Kopfab oder Heiraten. So habe er in den sauren Apfel gebissen und sei in einem Nachbardorfe Statthalter seines Herrn Schwiegervaters geworden. Wenn man den Märte dann fragte, ob sie auch Kinder bekommen haben, so wurde er ganz wehmütig und sagte: „Ja, eines, ein Büblein, — oh, ein gescheites, ein braves Kind." Nun wollten die Weidinger Frauen wissen: welche Farbe es gehabt habe, ob dem Vater oder der Mutter uach? „Beiden, es war scheckig und wir nannten es Mohrche." Was aus ihm geworden sei? „Ach, es ist eine betrübte Geschichte. Als ich einmal von der Jagd heimkam, fragte ich, wie immer, zuerst nach dem Mohrche. Mein schwarzes Weib saß vor der Hütte und fing an zu heulen. Wo ist der Mohrche? Keine Antwort, nur Geheul. Hat ihn der Löwe gefressen? Sie schüttelt'den Kopf und heult. Oder das Krokodil geholt? Kopfschütteln undHeulen. Oder die Schlange gebissen? Heulen und Kopfschütteln. Wo ist er denn? so rede doch, du Teufels- braten! spreche ich ihr freundlich zu. Da kams endlich heraus: mein Schwiegervater war zu Besuch gekommen, und weil ich noch nicht von der Jagd daheim und nichts zu essen da war, hat er den Mohrche gebraten und gefressen!— MeinenMorche!"
— Wenn der alte Lügner das erzählte (und er that es.so oft, daß er es zuletzt selbst glaubte), so pflegte er leibhaftige Thränen zu greinen, so daß etliche gefühlvolle Weidinger Frauen zweifelhaft Wurden, ob die Öleschichte nicht am Ende ldoch wahr sei. „Aber seitdem", setzte I Märte, wenn er sich wieder gefaßt hatte, mit fester Stimme hinzu," seitdem .habe
ich das Heiraten fest verschworen. Einen solchen grausamen Schmerz will ich nicht noch einmal erleben."
Sonst war der Märte ein ordentlicher Mann, auch im Trinken nicht schlimm, obschon ers nie übel nahm, wenn ihm einer einen Schoppen bezahlte. Die Gemeinde übertrug ihm mit der Zeit den erledigten Nachtwächterdienst und die Jagd auf Maulwürfe und sonstige vierbeinige oder geflügelte Schädlinge in Wald und Feld. Beide Ämter versah er zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber. Mit Schnitzerei von Holzlöffeln, Axt« und Schaufelstielen und dergleichen verdiente er sich manchen Groschen und noch mehr durch Ausstopfen der von ihm erlegten Tiere, die er in die Stadt hinabtrug. Von den Frauen empfing er für allerlei Handreichung die er ihnen that, Lebensmittel für seinen einfachen Haushalt. Am Bach drunten stand ein altes Häuschen, eine Art Armenhaus, jetzt leer, weil niemand mehr in Weidingen darin unterzubringen war. Das überließ ihm die Gemeinde. Er wollte es aber nicht umsonst bewohnen, sondern zahlte an die Dorfkasse ein kleines dafür. Die Stube hatte er sich ganz uach Art einer Schiffskajüte eingerichtet. Eine Hängematte diente ihm statt des Bettes, am Fenster fland die Schnitzbank, dem Ofen gegenüber hing ein großes vollständig aufgetakeltes Modell eines Dreimasters, kleinere Modelle standen an den Wänden auf Brettern, dabei ausgestopfte Tiere, einige Muscheln, Korallen und sonstige Kleinigkeiten, die er aus fremden Landen mitgebracht hatte. Ein Kopfschmuck aus bunten Federn wurde von der Jugend aufs höchste bewundert: es sei, bedeutete Märte seinen Vertrauten, die Krone seines Schwiegervaters in Afrika. Andere bezweifelten diese Angabe, be- sonders seitdem einige Buben gesehen haben wollten, daß Märte weiße Taubenfedern sehr hübsch zu färben und zusam- menzusetzen verstehe. Man munkelte, er verkaufe diese Sachen in der Nachbarschaft als „ächtafrikanisch."
Den Weidinger Buben hatte also Märte durch seine Boote die Lust zum Spielen am Wasser beigebracht und uach der Schule oder am Sonntag nachmittag war man sicher, ihrer etliche bei ihm zu treffen. Sie durften übrigens uicht die Treppe benützen, sondern mußten, wie er selbst gewöhnlich that, auf der Strickleiter heraus und zum Fenster hereinklettern. Während er schnitzte, erzählte er ihnen von seinen Fahrten oder sie übten sich selbst mit dem Messer. Aber an keinem fand er einen so willigen Hörer, als an Posteinnehmers Paul, und bei keinem eine so geschickte Hand. Seine Boote erhielten bald den .Beifall seines alten Freundes und er durfte ihm beim Ausstopsen der Tiere helfen. Am meisten aber zog den Knaben das große Schiff und die Schiff- fahrtsknnst au: an dem Modell kannte er jede Stange und Spiere und jedes Tau und seine Verrichtung. Alle Arten von Knoten schlingen, Taue spleissen (zusam- menfügeu) konnte er bald trotz einem Matrosen und in der Schiffersprache verkehrten sie. „Schiff ahoi!" rief Paul unten, wenn er fragte, ob er heraufkommen dürfe. Mit „komm an Bord!" wurde die Erlaubnis gegeben. „Geh vor Anker!" hieß: „Du darfst nicht setzen" und mit „Anker auf!" wurde Paul fortgeschickt.