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Nur das Eine bedauerte dieser, daß der Bach zu klein sei, um ein wirkliches Boot zu tragen, damit er die Handhabung des Ruders oder gar des Segels lernen könnte. „Paul, mach, daß du auf die See kommst!" sagte der alte Matrose so oft zu dem Knaben, daß dieser bald keinen andern Gedanken mehr hatte.
Paul Eisen war der Neffe des Posteinnehmers, der Sohn seiner Schwester, welche vor Jahren mit dem damals noch kleinen Kinde zu ihrem Bruder gekommen war. Man wußte in Weidingen nur, daß ihr Mann, ein Arzt, von politischen Stürmen des Jahres Achtundvierzig nach Ainerika getrieben worden war. Ob er noch lebe, wie es ihm gehe, warum die Doktorin ihm in die neue Welt nicht Nachfolge, erfuhr man nicht. Die bleiche Frau pflegte jede Frage mit dem kurzen Wort abzuschneiden: „Das Kind hat keinen Vater mehr." Sie kränkelte, — und als Paul zehn Jahre alt war, ging er zwischen seinem Onkel und dem Bürgermeister hinter ihrem Sarg auf den Gottesacker, wo sie unter den Linden zur Ruhe eingesenkt wurde, und legte den Blumenstrauß, den er in der Hand trug, als Abschiedsgruß auf ihren Grabhügel.
Ten verwaisten Neffen erzog der unverheiratete Posteinnehmer mit Hilfe einer «lten Magd und unter dem Beistand der ihm gegenüber wohnenden Schullehrer, samilie, in welcher Paul ebenso daheim war, wie bei seinem Onkel. Die Gutartigkeit des Knaben machte ihm diese Aufgabe nicht schwer. So lebhaft Paul war, so fügsam zeigte er sich gegen den Onkel, und es war rührend, zu sehen, wie er diesem die Wünsche an den Augen absah, um ihm das mühevolle Gehen nach Möglichkeit zu ersparen. Die Milde des Einnehmers, der vorherrschende Zug in seinem Wesen, war von der besten Wirk- ung auf das Gemüt des Knaben. Und wie dieser mit kindlicher Liebe an dem Onkel hing, so durfte er seinerseits fühlen, daß sein dankbarer Gehorsam den einsamen Mann beglückte.
Paul war ein munterer, aufgeweckter Bursche und groß für seine dreizehn Jahre. Der blondhaarige Kopf saß auf kräftigen Schultern und die blauen Augen sahen frisch und keck in die Welt. (Forts folgt.)
Guteuberg und die Jahr- huridertpoftkarte.
Bei der Sylvesterfeier des Gutenberg. Bundes in Mainz hat Herr Buchdruckerei- Direktor Lehmann, wie wir dem „Mainzer Anzeiger" entnehmen, folgende Rede ge- halten: „Ich hatte heute Nacht einen merkwürdigen Traum. Ich befand mich im Himmel, Gott saß auf seinem Throne und rings herum, auf Wolken sich wiegend, standen die Engel und die göttlichen Heerschaaren. Und der Herr sprach zu dem Engel Raphael: Gehe hin und rufe mir meinen Knecht, den Johannes Gutenberg. Und Johannes erschien vor dem
Throne des Höchsten und der Herr redete ihn also an: In diesem Jahre wird sich Dein Geburtstag zum fünfhundertsten Male wiederholen, ich gestatte Dir, auf die Erde zurückzukehren, damit Du sehen kannst, was aus Deiner Erfindung gewor- den. Und Johannes nahm die Erlaubnis dankbar an und im Fluge ging es hinunter ans die ewigjunge Erde.
,,Jn welche Stadt willst Du, mein Schn" frug der Engel, der ihn geleitete.
„Natürlich zuerst in meine Vaterstadt Mainz," antwortete Gutenberg und nach einigen Minuten befand er sich in Mainz vor dem Centralbahnhofe.
Erstaunt blickte der alte Meister um sich. „Das soll meine Geburtsstadt Mainz sein? Ich kann es kaum glauben, wie anders sah es doch zu meiner Zeit aus, werde ich mich hier zurechtfinden können?"
Er machte einige Schritte vorwärts und besah sich die Schilder auf den Häusern. Welche Freude erfüllte da plötzlich sein Herz, als er die Inschrift las: Buchdruckerei.
„Dem Höchsten sei Dank, ich habe nicht umsonst auf Erden gelebt, meine Erfindung blüht und siehe, sogar oben au dem Haust ist meine Büste."
Bewegten Herzens betrat der Meister die Offizin. Zunächst gelangte er in den Maschinenraum. Auch hier war er erfreut, wiederum seine Büste in der Mitte des Saales angebracht zu sehen.
„Aber was wird hier gemacht?" fragte er erstaunt einen der Maschinenmeister, zu welchem Zwecke kommen diese Riemen aus dem Boden, und was sind denn das für merkwürdige eiserne Kasten, aus denen sich Walzen anhaltend drehen?"
Und der Drucker führte den Unsterblichen an das Ende der Maschine und dort sah er, wie die gedruckten Bogen mit ungeheurer Geschwindigkeit die Presse verließen. „Es ist Deine Erfindung, o Meister, es ist Deine Druckpresse, nur vervollkommnet durch einen Mann Namens König!"
„Gesegnet sei dieser Mann", sprach der Meister, und neugierig betrachtete er die Satzfläche der inzwischen zum Stehen gebrachten Schnellpresse. „Doch was muß ich hier sehen", rief tief betrübt der große Mann aus. „Das Wunderbarste an meiner Erfindung war doch die Beweglichkeit der Lettern und Ihr drucket wie- der von ganzen Platten, hat man denn das Aneinanderreihen der Buchstaben vergessen?"
Nein, teurer Meister, wir haben es nicht vergessen, durch die wunderbare Erfindung der Stereotypie ist es uns möglich, aus der Druckform mit beweglichen Lettern Platten herzustellen, die Lettern werden wieder benutzt und die Platten zu beliebigen Neudrucken aufbewahrt."
Und Gutenberg ließ sich in die Gießerei führen, sah zu, wie man aus Formen Platten goß. Aber der Meister war immer noch nicht befriedigt. „Die For- men, aus denen Ihr die Platten gießet,
es sind immer noch nicht die richtigen Formen wie ich sie herstellte, da sind ja ganze Zeilen aneinandergegossen. Verzeiht, Ihr scheinet mir trotz aller Eurer Kunst keine Fortschritte gemacht zu machen."
„Doch, teurer Mann, das ist noch der größte Fortschritt, den wir in unserer Kunst gemacht. Die Zeilen entstammen der Setzmaschine."
„Eine Setzmaschine?" was ist das, setzet Ihr denn nicht mehr die Lettern mit den Händen aneinander?"
„Nein, Meister, das besorgt eine Ma- schine."
„Könnte ich auch die einmal sehen?" frug der Unsterbliche.
„Gewiß" antwortete man ihm und leichten Schrittes, nicht wie ein Fünfhundertjähriger, flog Gutenberg die Treppe hinauf iu den ersten Stock, wo die Setzmaschine aufgestellt war. Da stand sie nun, die Setz-, Gieß- und Ablegemaschine, „Linotype" und der sie bediente, suchte den Meister die sinnreiche Konstruktion des Handwerkszeuges zu erklären. Und der Meister war erstaunt, ergriffen, hingerissen.
„Wie bedaure ich, daß ich heute nicht mehr lebe, ich muß gestehen, Ihr habt aus meiner Erfindung doch etwas gemacht, was ich mir nie hätte träumen lassen. Ich bin beschämt. Wie roh und plump waren doch die Anfänge und wie herrlich weit habt Ihr es gebracht; schnell will ich mich in meinen Himmel zurückziehen, denn da kann ich nicht mehr mit."
Da erscheint schnell noch der jüngste Lehrling des Geschäfts, auch er will dem Meister seine Huldigung darbringen und überreicht demutsvoll die soeben zur Aus- gäbe gelangte amtliche Postkarte für das Jahr 1900. Lange betrachtet der Meister in tiefes Nachdenken versunken die neue Postkarte, endlich entringt sich ein Seufzer der Erleichterung seinem Munde:
„Ihr wöget noch so weit vorgeschritten sein, meine Lieben, — in einer Sache nehme ich es noch mit Euch auf und das ist der gute geläuterte Geschmack. Betrachtet dieses allerneueste Produkt Eurer Kunst und sehet Euch dagegen die Initialen meiner 42zeiligen Bibel an, dann urteilt, wer weiter voran war. Ich verabschiede mich von Euch mit dem Wunsche, daß wie Ihr in Bezug auf die Technik Fortschritte gemacht habt, Ihr auch im Geschmack im neuen Jahrhundert solche Fortschritte machen wöget.
Vermischtes.
(Ein poetischer Gedanke.) Betrunkener (am Neujahrsmorgen 1900 im Straßengraben aus dem Dusel erwachend): „Donnerwetter! Jetzt Hab' ich seit dem vorigen Jahrhundert da g'schlasen — ich komm' mir vor als wie Dornröschen!"
(Einemoderne Hochzeitsreise.) Junge Frau: „O mein guter Arthur, wenn Du wüßtest, wie glücklich ich mit Dir bin!" Mann: „Ja, ja! Ich wollte auch, ich hätte eine so gute Partie ge- macht, wie Du!"
Gothaer Lebensverfichernngsbank.
Versicherungsbestand am 1. Dezember 1899: 779^/- Millionen Mark. Bankfonds am 1. Dezember 1899: 249°/« Millionen Mark.
Dividende im Jahre 1999: 3V bis 138°/» der Jahres - Normalprämie — je nach dem Alter der Versicherung.
Vertreter in Wildbad:
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