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Ziehungen zu Windsor-Castle bekannt sind, die Kaiserdepesche kommentirt. Das genannte Blatt mißt dem Telegramm deshalb Bedeutung bei, weil es an ein Regiment geschickt wurde, „das seinem Unwillen über die Absenkung einer anderen Depesche in so bezeichnender Weise Ausdruck gegeben hat, daß der Kaiser jedenfalls auch davon gehört haben wird." — Tie „andere Depesche", von der die „St. James Gazette" spricht, ist das Telegramm des Kaisers an Präsident Krüger; und der „bezeichnende" Ausdruck des Unwillens, den die Royal Dragoons von sich gegeben haben, besteht nach der „Voss. Ztg." darin, daß das Bild des Kaisers damals im Offizierskasino der Royal Dragoons besudelt worden ist! Die „Bad. Pr." schreibt hiezu: „Sicher hat das deutsche Volk ein Recht dazu, authentisch zu erfahren, ob dem Kaiser thatsächlich die Besudelung seines Bildes im Offizierskasino der Royal Dragoons zu Ohren gekommen ist, resp. welche Sühne das Regiment Royal Dragoons geleistet hat, um den Deutschen Kaiser als Chef zu behalten."
St. Blasien, 3. Nov. Gestern Morgen 2 Uhr brannte das hienge Sanatorium, dem Herrn I)r. meä. Sander gehörig, bis auf jdie Umfassungsmauern nieder. Ein schadhaftes Kamin soll die Ursache des Brandes gewesen sein.
London, 3. Nov. Mit den jüngsten in Kapstadt eingetroffenen Meldungen wird zugleich bestätigt, daß die Oranje Buren Colesberg nahmen. (Colesberg ist Eisenbahnstation der Kapkolonie, in der Nähe der Oranjefreistaatgrenze.)
London, 3. Nov. Aus Kapstadt wird gemeldet: Ein schwerer Sieg wurde durch die Oranje-Freistaat-Buren unter dem Befehl des Generals Lucas Meyer errungen, welche sich der wichtigen Eisenbahnstation Colenso bemächtigten und in dieser Weise dem General White den Rückzug abschnitten. General White selbst soll verwandet sein. Die Einschließung von Ladysmith ist eine vollständige. Die Buren haben sich jetzt der Eisenbahn nach Pieter- maritzburg und Durban bemächtigt.
— Bei einem zu Ehren der nach Südafrika abgehenden Offiziere der Gordon- Hochländer und der Scotsgreis gegebenen Bankette in Edinburgh sagte Lord Rose- bery, es sei möglich, daß England in diesem Kriege noch andere Bataillone verliere, daß noch andere Offiziere ihr Leben opfern und daß Millionen anfgewendet werden müssen, von deren Zahl man sich nicht einmal eine Vorstellung machen könne. Das eine aber sei sicher, England könne von dem Unternehmen, das es begonnen habe, nicht Massen. Später dürften die Verantwortlichkeiten festzuftellen sein; für den Augenblick aber müsse die gesammte Nation sich auf diejenigen verlassen, die die.Leitung der Angelegenheiten des Landes in der Hand haben.
— Die „Nat.-Ztg." schreibt: Betreffs der Samoa-Frage wird in mehreren Blättern berichtet, der Abschluß stehe in der Art bevor, daß Deutschland seine Rechte in Samoa an England abtreten und dafür von England die Gilbert- und die britischen Salomons-Jnseln erhalten würde. Es ist nicht mit Sicherheit zu beurteilen, ob dies der Ansgang der noch keineswegs abgeschlossenen Verhandlungen sein wird.Dffen- bar wird mit dieser Möglichkeit, ans die die Erörterung im Kolonialrat vorbereitete, in den Negiernngskreisen gerechnet.
Lokales.
Wildbad, 6. Nov. Am Samstag Abend war nach langer Unterbrechung die erste Versammlung des hiesigen Gewerbevereins im „wilden Mann." Herr Reallehrer Hon old berichtete über die Vorträge und Verhandlungen beim letzten Verbandstag in Calw. Hierauf wurden verschiedene organisatorische Fragen des Vereins erörtert und der Beschluß gefaßt, die regelmäßigen Zusammenkünfte nicht wie geplant, alle 4 Wochen, sondern alle 14 Tage abzuhalten. Als nächstes Versammlungslokal für Freitag den 17. November wurde die „Sonne" bestimmt. Der allseitige Wunsch ging dahin, an diesem Abend mit den Erläuterungen zum neuen bürgerlichen Gesetzbuch zu beginnen, und zu diesem Zweck eine geeignete Persönlichkeit zu ersuchen, diese Aufgabe zu übernehmen und in einer Reihe von Besprechungen die Mitglieder darüber zu belehren. Im gemütlichen Teil sprach Herr Reallehrer Honold über den gefeierten Volksschriftsteller P. Rosegger und trug einige seiner kleineren Erzählungen vor, die mit großem Beifall ausgenommen wurden. Herr Hotelier Groß mann dankte im Namen der Versammlung dem Vortragenden und wünschte, daß dem Verein seitens der Gewerbetreibenden mehr Interesse entgegengebracht werden möge. Mittlerweile war es schon Mitternacht geworden, was bei der fröhlichen Stimmung und Gemütlichkeit nur allzurasch ans Heimgehen mahnte. Hoffentlich erscheinen in 14 Tagen alle Mitglieder vollzählig in der Versammlung.
— Bei der gestrigen Verlosung des hiesigen Vogelzüchter-Vereins im Gasth. z. „alten Linde'^fielen Gewinne auf folgende Nummern:
Gew-Nro.
Los-Nro.
Gew.-Nr.
Los-Nr.
1
748
29
377
2
953
30
137
3
559
31
495
4
563
32
701
5
185
33
98
6
846
34
966
7
44
35
976
8
214
36
287
9
30
37
956
10
715
38
441
11
964
39
493
12
473
40
584
13
357
41
932
14
440
42
833
15
766
43
722
16
415
44
289
17
237
45
122
18
615
46
986
19
581
47
316
20
162
48
929
21
562
49
275
22
57
50
713
23
448
51
222
24
141
52
832
25
926
53
588
26
907
54
446
27
53
55
518
28
241
Gewinn Nr. 1—10 Gänse, 11—20 Enten, 21—41 Hühner, 42—49 Tauben, 50—55 diverse Vögel.
Die Gewinne können heute Montag bis Abends 6 Uhr und morgen Dienstag Nachm, von 12—2 Uhr im Lokal abge- holt werden. Gewinne welche bis dahin nicht abgeholt sind werden daselbst öffent- lich versteigert.
NnterHcckLenöes.
Signor Carlo, der römische Herzog
Von Paul Revira.
(Forts) l Nachdruck verboten.)
„Gewiß! erwiderte der Consigliere Alatri. „Aber Irene war von dem plötzlichen Tode ihres Gatten so erschüttert, daß sie für die Erhaltung des jungen Lebens fürchten mußte; und als es ihr wieder besser ging, sah sie sich auf Schritt und Tritt bewacht. Ihre Umgebung war völlig in den Händen Pietro s. Die einzige treue alte Frau, Ursula, welche als Pntzerin diente, durfte den Palast nicht mehr betreten. Wagte man auch nicht, die Hand an die Herzogin selbst zu legen, so konnte man doch leicht das Kind todt geboren lassen."
„Welche furchtbare Lage", bemerkte Graf Antonio, „für die arme Frau, täglich, stündlich unter dem Beil eines Henkers zu leben! Und sie wissen nichts davon, daß die Herzogin doch noch einen Freund, einen Getreuen besaß?"
„Nein, davon erfuhr ich nichts", antwortete Alatri. „Sie war eine Fremde. Mitleid, stille Verehrung, mochte wohl Mancher für sie hegen. Daß aber unter den gegebenen Verhältnissen Jemand Luft und Mut besessen Hütte, einen Schritt für die Fremde zu thun, davon weiß ich nichts. Vielleicht wissen aber Sie dagegen nicht, daß die Herzogin Irene in jener schweren Zeit einmal bei mir vorfuhr und da ans der Stelle saß, wo Sie heute sitzen."
„Zn welchem Zweck war Irene gekommen?" frng rasch Grast Antonio.
„Sie dikiirte mir ihr Testament."
„Und war allein?"
„Nein! Ihr Onkel Pietro begleitete sie als Zeuge, wie er es nannte. Er behandelte sie mit der ausgesuchtesten Höflichkeit. Man hätte denken können, Irene sei seine eigene Tochter. Der Heuchler, der seine Beute in der Schlinge hielt!"
„Wo ist dieses Testament?" frng der Graf.
„Es liegt ohne Zweifel im Archiv des obersten Gerichtshofes", meinte der Advokat.
„Erinnern Sie sich dessen Inhaltes?"
„Ja", erwiderte Alatri. „Auch nahm ich nur damals eine Abschrift, welche hier in dieser Schatulle liegt."
„Bitte, wie lautet das Testament?"
„Ganz einfach, wie Sie sich selbst davon überzeugen können, — daß die Herzogin ohne Ausnahme Alles, ihre Land- güter und auch ihre drei Paläste hier in Rom ihrem zu erwartenden Kinde ver- schreibt."
„Dürfen und wollen Sie auch mir eine Abschrift von diesem Testament fertigen und womöglich schon morgen zusteüett lassen, Signore Alatri? Ich werde in den nächsten Tagen wieder bei Ihnen vorsprechen."
„Ohne Ansland, Gras Antonio. Sie sollen noch heute Abend das Schriftstück haben. Auch stehe ich jeder Zeit zu Ihren Diensten."
Zwei Tage nach jenem seltsamen Vertragsabschluß auf der Piazza Colonna gab Signor Carlo's Gönnerin, die Fürstin Rufini, nach längerer Pause wieder eine Abendgesellschaft. Die Räume im ersten Stockwerk ihres ans dem Corso gelegenen Palastes waren hell erleuchtet. Die Ge-