Amtsblatt für öie Stadt Wit'öbaö.
eneral-Anzeiger für Kildbad und Amgebnng.
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Nr. ISO.
Dienstag, 7- Wovembev 1899.
35. Jahrgang.
Rundschau.
Hirsau, 1. Nov. Heute mittag sollte iu einer Wirtschaft ein Zwangsverkauf stattfinden. Die zahlreichen Käufer mußten aber unverrichteter Sache wieder abgeheu, da der Wirt dem Gerichtsvollzieher und den unter der Hausthüre stehenden Käufern zuerst mit der Axt drohte und dann mit offenem Messer auf sie losging, so daß sie flüchten mußten.
Eßlingen, 3. Nov. „Der Zockele sperrt zum letztenmol" hieß es am Samstag abend hier, als der letzte Floß im Hammerkanal anlegte. Die Flößer verließen dort ihr Fahrzeug, das hier seine Endstation hatte, und begaben sich in die alte Herberge, ins Gasthaus zum Ochsen, wo sich, da auch die Käufer des Floßes sich eingefunden hatten, bald ein fröhliches Leben entwickelte und manch heitere Rede gehalten wurde. Gestern abend zogen die Flößer, nachdem sie noch ein photographisches Gruppenbild hatten aufnehmen lassen, in ihre Heimat.
Heilbronn, 2. Nov. Dem Herzog Magnus von Württemberg, der bekanntlich in der berühmten Schlacht bei Wimpfen am 6. Mai 1622 den Soldatentod fand, soll nunmehr ein Denkstein errichtet werden. Der hiesige historische Verein hat dies für nächstes Jahr ins Auge gefaßt und das Gelände, auf welchem die Schlacht stattgefunden — es ist dies in allernächster Nähe des Dorfes Obereisesheim gelegen — schon bestimmt.
Ulm, 1. Nov. (Unlauterer Wettbewerb.) Der hiesige Schuhhändler A. Thum annoncierte, wie der „Fkf. Z." gemeldet wird, einen „totalen Ausverkauf" seiner Schuhwaren „weit unter Selbstkostenpreis" zu „enorm billigen Preisen, wie solche nirgends gestellt werden können". Bei einer Nachprüfung jseiner Angaben durch einige Konkurrenten wurde gefunden, daß Thum nicht billiger, sondern teurer wie andere verkaufte und zwar mit einem Nutzen bis zu 60 Prozent. Es wurde Klage gegen ihn wegen unlauteren Wettbewerbs erhoben, diese jedoch nach Abschließung eines Ver- gleichs zurückgenommen. Thum verpflichtete sich, sämtliche Kosten zu tragen und bis 31. Dezember 1899 weder selbst noch durch dritte in Ulm oder Neu-Ulm ein Schuh- warengeschstft anzufangen und seinen Ausverkauf am 1. Juli einzustellen. Da Th. die letztere Bedingung nicht einhielt, mußte er jetzt eine Konventionalstrafe von 2000 entrichten.
Pforzheim, 3. Nov. Auch unsere
Stadt hat ein Mitglied des Roten Kreuzes nach Transvaal gesandt. Es ist dies Frl. Johanna Wittum, die Tochter des Fabrikanten und Laudtagsabg. Wittum, welche dem Ruf der Vorsteherin des Roten Kreuzes, der Gräfin Möns in Berlin, Folge leistete.
Magdeburg. In der Provinz Sachsen haben militärische Versuche mit Motorwagen stattgefnnden, um die Leistungsfähigkeit und Zuverläßigkeit dieser Gefährte für Personen- und Lastenbeförderung zu erproben. U. A. wurde eine Fahrt ans den Brocken (1142 m) von Jlsenburg aus mit 4- und Opferdigen Motorwagen unternommen, die etwa 3 Stunden erforderte; sie gelang über Erwarten gut. Die Selbstfahrer haben sich, soweit sich bis jetzt übersehen läßt, vorzüglich bewährt. Montag Mittag 1 Uhr erfolgte die Abfahrt vvm Harz.
Berlin, 2. Nov. Der Bundesrat nahm in seiner gestrigen Sitzung die Mitteilung des Staatssekretärs Tirpitz entgegen, daß eine neue Marinevorlage aus- gearbeitel wird und dem Bundesrat demnächst zugehen soll. Die Vorlage wird Namens des Reichskanzlers au den Bundesrat gelangen, dem Reichstag dürfte sie schwerlich vor Mitte Januar zugehen.
— lieber die seitens der Reichspost zur Einführung gelangenden neuen Briefmarken schreibt die „Köln. Ztg.": In Zukunft soll auf allen Freimarken unter 1 Mk. statt des Reichsadlers der ideale Kopf einer Germania angebracht werden, während auf den teuren Freimarken, nach Art der für die Kolumbusfeier in den Vereinigten Staaten hergestellten Marken, Darstellungen aus der Entwicklung des deutschen Reichs und auf einer besonderen Freimarke für die deutschen Postanstalten im Auslande und in den Schutzgebieten ein „Deutschland zur See" schilderndes Bild in künstlerischer Form Verwendung finden sollen." (Nach dem „Berl. Kl. Journ." wird die 1 .^il-Marke das Reichspostgebäude, die 2 ^l-Marke das Wer- nersche Gemälde, „Seid einig", die 3 Marke die Enthüllung des Kaiser Wilhelm- Denkmals, die 5 ^-Marke das Papesche Bild jener Reichstagseröffnung zeigen, wo der Kaiser die Reichsfahne in der Hand die Worte sprach: „Ein Reich, ein Volk, ein Gott.") „Die Aenderungen, verfolgen anscheinend zwei Zwecke. Zunächst sollen die Abstufungen wesentlich vermehrt werden. Es sollen zu den bisherigen Marken von 3, 5, 10 und 20 Pfg., die wie bisher in je einer Farbe, braun, grün, rot
und blau hergestellt werden, weitere in zwei Farben zu druckende Marken zu 25, 30, 40, 50 und 80 Pfg. hiozukommen, für die sicb namentlich im Postauweisungs- und Paketverkehr ein Bedarf herausgc- stellt hat. Daneben aber verfolgt die neue Einrichtung wohl einen zweiten Zweck. Der Verzicht auf das Hoheitszeichen des Reichsadlers soll offenbar ein Entgegenkommen gegenüber den süddeutschen Anschauungen sein, und der soll demgemäß die bayerische undwürttem bergt s che Postverwaltung anregen, auch ihrerseits, unbeschadet des unberührt zu lassenden Reservatrechtes, einen gleichen Verzicht auf die von ihnen in ihren Freimarken angebrachten besonder» staatlichen Hoheitszeichen auszusprechen und damit die Annahme gleicher Freimarken, wie sie im übrigen Deutschland verwandt werden, zu erleichtern. — Nach einer Meldung desselben Blattes aus Berlin will der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller beim Reichstag um die Einführung einheitlicher Postwertzeichen für das gesamte Reichsgebiet vorstellig werden und dazu die Unterstützung der Handels- und Gewerbekammern,sowie der kaufmännischen Körperschaften nachiuchen.
— Tie „Dail Mail" schreibt: Das Telegramm des deutschen Kaisers an sein englisches Dragoner-Regiment werde in der ganzen Welt als Beweis deutscher Sympathie für England aufgefaßt werden. Die„Kreuzztg." bemerkt dazu: „Man muß wirklich über die Betriebsamkeit der Londoner Blätter staunen, mit der sie geradezu auf der Suche sind, an sich selbst ganz harmlose Vorkommnisse als „Beweise deutscher Sympathie für England" zu deuten und möglichst laut zn preisen. Da es auf der ganzen Linie geschieht, so ist wohl klar, daß Methode in der Sache ist, daß ein bestimmter Zweck verfolgt wird und da müßten doch schließlich auch die harmlosestenGemüter etwas mißtrauisch werden. Nun denkt in Deutschland natürlich kein vernünftiger Mensch daran, die äußerlich guten Beziehungen zwischenBerlin und. London absichtlich zu trüben, aber ebensowenig lebt heute im deutschen Volke das geringste Verlangen, womöglich als der „einzige Freund" Englands gezeichnet zu werden, der vielleicht gar die neuesten Brutalitäten billigte, die mit Recht von der ganzen Welt verurteilt werden. Recht bedenklich wird den deutschen Patrioten auch die Art und Weise berühren müssen, wie die „St. James Gazette", deren Be-