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Berlin, 30. Okt. Der Hauptgewinn der Preußischen Klassenlotterie von Mk. 500000 fiel auf die Nummer 140,325. Nach einer Privatmitteilung kam derselbe in eine Koblenzer Kollekte. Beteiligt sind daran ein Briefträger, ein Hutmacher, ein Althändler und ein Kommis.

Zürich, 27. Okt. Die Zeitungen berichten von englischen Werbern, die an der Ostgrenze unseres Landes auf deutschem und östreichischem Gebiet junge Schweizer für den Krieg in Südafrika anwerben.

Mit der Vereinigung der Brigade Aule mit den Streitkräften des Generals White ist, wie es scheint, eine Pause in den Kriegsoperationen eingetreten. Beide Teile haben in den vorausgegangenen Kämpfen stark gelitten. Die Engländer sind überdies von den unter Regengüssen ansgeführten Märschen ermüdet und auch die Buren dürften nicht im Stande sein, bei dem herrschenden Unwetter sofort zmu Angriff auf die starke Stellung von Lady- smith zu schreiten. Nach den empfindlichen Verlusten wird man auf beiden Seiten einer Sammlung bedürfen. Im engl. Unterhaus hat die amtliche Mitteilung über den Tod des Generals Symons große Aufregung hervorgerufen. Auf Seiten der Buren ist die tätliche Ver­wundung des Obersten Schiel im Gefecht von Elandslaagte ein schwerer Verlust. Nach einem Telegramm des Standard sind ihm, wie schon erwähnt, beide Beine zer­schmettert. Er habe sich mit äußerster Tapferkeit auf dem Hügel dem Feuer des Feindes ausgesetzt, um den Mut seiner Leute, die einer Panik zu verfallen schienen, zu heben. Man habe ihn in einem Hohl­weg, der mit Toten und Verwundeten übersät war, liegen gefunden.

London, 30. Okt. Gerüchtweise verlautet: General White hat sein Lager bei Ladysmith abgebrochen. Er ist auf dem Wege nach Modder Spruit, während Buren auf allen Seiten sich ihm in Ueber- macht gegenüberstellen. Im Kriegsamt wird der Rückzng des General White nach der Küste vollständig gebilligt, da es das einzige Mittel sei, um einer schweren, unvermeidlichen Niederlage zu entgehen.

Ein Londoner Mitarbeiter des Berl. Lokal-Anz. hört aus amtlichen Kreisen, im Kriegsministerium herrsche tiefe Niedergeschlagenheit. Aus Natal liegen sehr ernste Nachrichten vor. Die bisherigen brillanten Siegesmeldungen waren auf Bestellung gegeben, um die parlamentarische Opposition zu übertäu- ben. Thatsächlich sei ein großer Teil der britischen Besitzungen in der Hand der Buren. Die Wiedereroberung Südafrikas sei eine gigantische Aufgabe. Im Kriegs­ministerium beschäftige man sich bereits mit Zwangswerbungsplänen.

London, 31. Okt. Das Reutersche Bureau meldet aus Vryburg vom 25. ds. Mts.: Die Buren erbeuteten Vorrat, Waffen und Munition, die von der Poli­zeimannschaft vor der Räumung der Stadt in einen Schacht geworfen worden wareu. Eine Anzahl Afrikander im Betschu- analand schloß sich offen den Buren an.

Ladysmith, 30. Okt. (Reuter­meldung.) Eine Kanonade hat soeben be­gonnen. Tie Buren warfen Geschosse aus ihren Belagerungsgeschützen. Das Feuer wurde nach 7 Schüssen der engli­schen Batterie zum Schweigen gebracht. Die Buren rückten nach der linken Flanke der Engländer vor.

London, 31. Okt. Eine amtliche Depesche des General White meldet: Ge­iern fand ein Kamps mit den Buren­truppen statt, vermutlich mit der Streit­macht Jouberts. Nach mehrstündigem Kampfe wurden die Buren zurückgeworfen. Ter Verlust englischerseits betrug etwa 100 Mann, derjenige des Feindes ist größer. Der Feind trat in größerer Stärke auf als bisher, auch ist seine Artillerie besser als sonst.

London, 31. Okt. General White meldet dem Kriegsministerium ans Laby­rinth vom 30. ds.: Die vom General White ausgesandte Kolonne, bestehend aus einem Bataillon vom Glouceftershire- Regiment und einer Gebirgsbatterie, die zur Deckung der linken Flanke auf einem Hügel Stellung nehmen sollten, mußte nach beträchtlichen Verlusten ka­pitulieren. Das Reutersche Bureau meldet: Die gefangene Kolonne bestand aus 42 Offizieren und ungefähr 2 0 00 Mann. White fügte seiner Mel- düng hinzu: Ich bin allein verantwortlich, die Stellung war unhaltbar.

London, 31. Okt. DerStandard" teilt über die gestrige Schlacht bei Lady- änith noch folgendes mit: Der rechte Flügel vertrieb die Buren aus ihrer be­festigten Stellung bei Lombardkop. Doch war es nicht möglich, den Erfolg weiter auszunützen, weil hinter diesem Platz eine lange durchbrochene Hügelkette den Feinden eine vorzügliche natürliche Deckung gewährte und daher die Geschosse sie nicht weiter vertreiben konnten. Die britische Infanterie geriet in ein heftiges wohlge­zieltes Feuer, worauf General White, der sich im Zentrum befand, als er die bedrängte Lage des rechten Flügels sah, Truppen zu dessen Unterstützung sandte. Fast die gesamten feindlichen Kolonnen begannen dann einen sehr heftigen Gegen­angriff, und da sie an Zahl sehr über­legen waren, gab General White der Infanterie den Befehl, sich nach und nach zurückzuziehen. Nach einer Meldung derDaily Mail" sind sechs Kanonen dadurch verloren gegangen, daß die Maul­tiere mit ihnen durchgingen.

Mafeking, 23. Okt. Die Buren bemächtigten sich der Wasserwerke und schnitten die Wafferzufuhr ab, es herrscht jedoch keine Besorgnis, da die Wasserbe­hälter gefüllt sind. Gestern machte eine Abteilung einen Ausfall; sie stieß 3 Meilen nördlich von Mafeking auf den Feind, wechselte mit ihm Schüsse und kehrte so- dann zur Stadt zurück. Kommandant Sidney Webb wurde schwer verwundet. Der Verlust der Buren ist unbekannt. Eine Meldung aus Pretoria 29. ds. besagt, daß Mafeking in Flammen stehe.

Oberst Schiel und andere hervor­ragende Kriegsgefangene wurden auf ein Transportschiff verbracht, das sie an Bord des 'Kriegsschiffes Penelope nach der Simonsbai überführen soll.

New york, 27. Okt. DasJour- nal" veröffentlicht ein Telegramm von Olive Schreiner, in dem bemerkt wird, daß nicht das englische Volk, sondern eine kleine Klique, die gierig nach den Gold­minen sei, übermütig den Krieg herbei­geführt habe und eine Nation morden wolle, um sich die Taschen zu füllen.

N e w - Z) o r k, 29. Okt. Gestern starb an den Folgen eiuer Lungen-Entzündung Ottmar Mergenthaler, der viel gefeierte Erfinder der SetzmaschineLinotype".

Ottmar Mergenthaler war am 10. Nov. 1854 inDürrmenz-Mühlacker (nach anderen Berichten in Hachtel O.A. Mergentheim) als Sohn des ^dortigen Schullehrers geboren. Von Beruf Uhrmacher hat er nach langen Kämpfen und Versuchen zu Beginn der 80er Jahre die erste brauchbare Zeilen-Setz- und Gießmaschine erfunden. Die größte Anerkennung wurde Mergenthaler dadurch zu Teil, daß ihm das technische Institut iu Philadelphia den großen Ehrenpreis für die bedentendste Erfindung eines Deceniums zuerkannl hat. Leider war es dem genialen Manne nicht vergönnt, die reichen Früchte seiner Erfin- dungsthätigkeit zu genießen, denn schon seit mehreren Jahren plagte ihn ein schwe­res Lnngenübel, dem er jetzt erlegen ist. In Deutschland hat die Mergenthaler Linotype" seit zwei Jahren ihren Ein­zug in einer Anzahl größerer Buchdrucke­reien gehalten und beziffert sich die An­zahl der bis jetzt aufgestelltenLinotypes" auf ca. 150, während iu Amerika ca. 7000 in Thätigkeit sind.

Lokales.

Wildbad, 1. Nov. Heute mittag 1 Uhr stürzte der 3jährige Knabe des Fabrikarbeiters Gropp dahier, in Ab­wesenheit der Eltern aus dem Fenster des dritten Stockes auf den gepflasterten Hof und war sofort tot. Abermals eine Mahnung, Kinder, selbst in der Stube nicht ohne Aufsicht zu lassen.

WnterHatlenöes.

Signor Carlo, -er römische Herzog.

Von Paul Revira.

(Forts) lNachdruck verboten.)

Gleichwohl konnte Carlo, wenn er sich prüfte, nicht behaupten, daß er eine tiefere Neigung für das Mädchen in seinem Herzen trug. Er hatte seine treue Kame- rädin lieb, sehr lieb, wäre auch im Stande gewesen, ihr selbst seine Hand zum Ehe­bund zu überlassen, wenn Marietta die­selbe begehrt hätte; aber ein bestimmtes Etwas, ein sicheres Gefühl, ließ ihn von sich aus keinen Schritt thun." So lange seine kränklich gewordene Mutter lebte, ging es nicht, weil er nicht auch noch Frau und Kinder hätte ernähren können. Und nach dem Tode Sabinens? Seine Existenz stand noch immer in Frage. Er hatte sich auf den Rat der Fürstin, welcher mehr einem Befehle glich, ein besseres Atelier gesucht, mußte aber, weil er in höhere Gesellschaftskreise eingeladen wurde, sich bald, auch eine bessere Wohnung mieten. Er konnte dem Mädchen nichts versprechen und war ehrenhaft und männ­lich genug, von demselben auch nichts zu begehren oder zu erwarten. Freilich, wenn er dann Marietta sah, oder wenn sie im Namen ihrer Mutter auf den Abend ihn einmal einlud, dann suchte er mit Heller Freude das bekannte Gäßchen und das kleine Haus auf, in welches die schönsten Erinnerungen seiner Jugend wie unoerwelkliche Blumen eingebettet waren.

Als er nun heute nach der seltsamen Unterredung mit Graf Antonio wieder an seiner Arbeit saß, mußte er auch an Marietta denken. Marietta, das Blumen­mädchen eine Herzogin! Das Herz wurde ihm bei diesem Gedanken einen Augen-