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Lebenslänglichkeit auch auf die zur Zeit im Amt befindlichen Ortsvorsteher sich zu! beziehen habe. Eine Rückwirkung des Ge-! setzes sei rechtlich nicht zu beanstanden.! Der Staatsbeamte müsse sich die Zuruhe-' setzüng auch gefallen lassen. Auch aus praktischen Gründen sei die Rückwirkung durchaus zu billigen. 1849 sei es keinem Menschen eingefallen die Gemeinderäte zu entschädigen, als sie die Lebenslänglichkeit verloren. Er habe eine Entschädigung in den Entwurf ausgenommen, deren Höhe, und Bestimmung der Gerechtigkeit ent-' spreche, er verkenne nicht, daß eine Härte l für die im Amt befindlichen Ortsvorsteher> darin liege, wenn sie die Gebühren ver-^ lieren. Es sei aber zn hoffen, daß die größte Zahl der Ortsvorsteher bei Neu-! wählen wiedergewählt werde. Man köune doch auch nicht ausgeschiedene Ortsvor­steher für Gebühren entschädigen, die ih­nen nach dem bürgerl. Gesetzbuch gar nicht mehr zustehen werden. Ferner wäre dies geradezu eine Prämie für die Nichtwie­dererlangung der Wiederwahl. Den Orts­vorstehern die Strafrechtspflege ganz ab- zunehmen sei nicht ratsam. Was die Ver­tagung bis zur Einführung des bürgerl. Gesetzbuchs betreffe, so würde das nicht« im Interesse der Autorität der Beschlüsse! dieses Hauses sein. Präl. v. Sandberger wird für die wohlerworbenen Rechte der im Amt befindlichen Ortsvorsteher ein- treten. Schrempf (fr.V.) wünscht, daß die wohlerworbenen Rechte möglichst geachtet werden. Frh. v. Seckendorfs erklärt namens der Ritterbank, daß sie der Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission nicht entgegentreten werde, dieselbe werde aber für die Rückwirkung nicht zu haben sein. Daß der Minister gestern kein Wort der Anerkennung für die Ortsvorsteher hatte, möchte er ihm fast als Versäumnis an­rechnen. Minister v. Pischek erwidert dem Vorredner. Es thäte ihm herzlich leid, wenn seine Red: den Eindruck gemacht haben sollte, als ob er vom Uevelwollen gegen die Ortsvorsteher erfüllt sei. Er betrachte sie nicht gerade als die Grund­säulen des Staates, denn dessen Funda­mente beruhen auf einer breiteren Basis. Das schließe aber nicht aus, daß er seiner vollen Ueberzeugung dahin Ausdruck gebe, daß unsere gegenwärtigen Ortsvorsteher mit verschwindenden Ausnahmen tüchtige und ehrenhafte Männer sind, die teilweise gegen! nnr geringe (Bezahlung für das Wohl ihrer Gemeinden wirken. Zugeben müsse er, daß die dreijährige Schonzeit ein wunder Punkt des Entwurfes sei Dr. Kiene (Ztr.): Das Zentrum wolle keine Vertagung der Sache. Wir stehen noch ganz auf dem Standpunkte wie am 3. Juli 1895. Unsere Stellung zum Gesetz ist gestern klargelegt worden. Sachs (d.P.): Der Herr Minister hat gestern die Orts­vorsteher in einer Weise preisgegeben, daß damit bei einem Stande, der bisher die Interessen von Gemeinde und Staat ver- trat und stets eine Schutzwehr gegen radi­kale Angriffe gebildet hat, das Gefühl der Entmutignng Platz gegriffen hat. Er erklärt hierauf, daß die deutsche Partei geneigt ist, einem Gesetzentwurf zuzustim­men, welcher dafür sorgt, daß zunächst kein lebenslänglicher Ortsvorsteher mehr gewählt werden soll. Er behalte sich einen diesbezüglichen Antrag vor. Minister v. Pischek: Der Vorwurf, den man ihm ge­macht, daß er die Ortsvorsteher preis ge­

geben, sei wohl durch seine heutigen Worte aus der Welt geschafft. Im Jahre 1895 hat man allgemein die Rückwirkung ver­langt. Käs (V.P.) Er trete für die Rück­wirkung des Gesetzes ein, sonst bekommen wir unhaltbare Zustände. Hang (freie Ver.): Man solle die Lebenslänglichkeit von Fall zu Fall abschaffen. Bürk (V P.):' In Baden herrsche nur große Unzufrieden-! heit darüber, daß die Wahlperioden auf! 10 Jahre verlängert werden sollen. Wenn ; das Ortsvorstehergesetz vertagt wird, so > wird sich die Neuwahl dieses Hauses unter! dem Schlagwort vollziehen,es sind noch' nicht genug Demokraten in der Kammer".! K. Haußmann (V. P.): Die Bedürfnis-! frage wird mit dem Munde bejaht, im ^ Grunde laufen aber die Ausfübrungen > auf das Gegenteil hinaus. Ein Hegel-1 maier sei das Produkt des Systems der' Lebenslänglichkeil, das auch viele kleine! Hegelmaier erzeugt hat. Er neige mit! aller Entschiedenheit zu einer kürzeren' Wahlperiode. Auch frage es sich, ob man ' nicht in den verschiedenen Gemeinden eine verschiedene Wahlperiode vornehmen sollte. Die Peusionirung betreffend neige er der Ansicht zu, daß nach der ersten Nichtwieder- wahlnur eine kleine Entschädigung gewährt werde. Das Gesetz müsse rückwirkend ge­macht werden, sonst wäre es verhängnis­voll für die ganze Reform. Die vorge­schlagene Entschädigung sei genügend. Was die Zeit der Neuwahl betreffe, so sei die "Schonzeit" von 3 Jahren nicht zweck­mäßig; das richtige sei eine Neuwahl in 2 Jahren. Es sei höchste Zeit, daß es nun vorwärts gehe, die Autorität des Hauses und des Landes stehe auf dem Spiel. Rembold betont, daß das öffent- liche Wohl nicht bestehen könne, wenn die Gesetzgeber eiueu Rechtsbruch vornehmen. Zum Schluß wird der Antrag, das Gesetz an eine Kommission von 15 Mitgliedern zu verweisen, angenommen.

Gerabronn, 9. Dez. Großes Ausseh­en erregt hier im ganzen Bezirk die Thai- sache, daß die Staatsanwaltschaft Hall gegen den hiesigen Bankdirektor Israel Landauer Untersuchung wegen Vergehens gegen tz 274 und 159 des Strafgesetzbuch­es (Grenzsteinversetzung und Verleitung zum M-ineid) eröffnet hat. Umfassende Zeugenvernehmungen haben bereis statt- I gefunden.

^Tauberbischossheim, 7. Dez. Am '26. November wurden von der Post in ! Ochsenfurt an die hiesige Post drei Post­anweisungen im Betrag von 1150 Mark aufgegeben und deren Betrag von dem Ab­sender, der sich durch Legitimation als Adressat auswies, erhoben. Nun hat sich ergeben, daß der Aufgeber und Empsang- nehmer ein bayrischer Postbeamter war, welcher im ganzen aus anderen Posten in gleicher Weise 19000 Mark erhoben und die Post betrogen haben soll und seit 8 oder 10 Tagen flüchtig ist.

Schw äb. Hall 7. Dez. Gestern Abend erfreute Landgerichtssckreiber Schloz die Mitglieder des Gewerbe-und Handelsver­eins im Gasthof z. Ritter mit einem Vor­trage überdie deutsche Hansa". Die Versammlung war gut besncht. Gerade, zu von schöner, edler Sprache waren die Worte des Redners, mit welchen er sein Thema einleitete und behandelte, jene Blü- tezeit deutschen Bürgertums. Der stolzen Hansa Werden, Gedeihen und Vergehen (wurde in fesselnder Weise zum Vortrag

gebracht, so daß Bankdirektor Cloß, der Vorstand des Vereins, den Zuhörern aus dem Herzeu sprach, als er den besten Dank für den gebotenen Genuß ausdrückte.

Leutkirch, 4. Dez. Ein Wirt in Merazhofen kehrte mit seinem Knechte bei einem benachbarten Wirte ein; da dort gerade Apselküchlein gebacken wurden, so wollte er durch seinen Knecht seiner Frau einige schicken; um sie einzuwickeln zog er eine 100 Mark-Banknote derWürttMoten- bank aus der Tasche. Der Knecht hielt es für Scherz, als ihm sein Herr sagte, der Schein sei echt, er solle ihn nur seiner Frau bringen, daß sie eine rechte Freude habe; er brachte zwar die Apfelküchlein seiner Dienstfrau, die Banknote aber ver­brannte er in seiner Kammer. Als der Wirt heimkam und die Sache erfuhr, war außer einem Häufchen Asche nur noch das Mittelstück der Banknote vorhanden, nicht größer als ein Zehnpfennigstück, auf dem nicht einmal die Nummer des Scheins stand. Dieses Resichen schickte dann die Staatsanwaltschaft, an die man sich wandte, an die Württ. Notenbank in Stuttgart und diese sandte, nachdem festgestellt war, daß der übrige Teil der Banknote ver­brannt war, dieser Tage eine andere 100 Mark-Banknote.

Altbronn, 8. Dez. Durch einen jung­en Mann, der bis vor kurzem in Pforz­heim in Arbeit stand, wurde der Typhus auch hierher verschleppt. 5 erwachsene Mit­glieder eiuer Familie liegen krank darnieder.

Offen bürg, 4. Dez. Die prächti­gen Fasanenjagden des Kinzigvorlauds sind in diesem Jahre sehr umworben und erzielen Pachtpreise, wie noch nie zuvor. Namentlich Franzosen und Elsäßer gehö- ren zu den Liebhabern dieser Jagden nnd halten sie um jedeu Preis. So wurde jüngst in Griesheim die Jagd, die bisher um 340 Mk. verpachtet war, um 2140 Mk. und gestern die Genoffenschaftsjagd aus den Gemarkungen Weier, Walterswei­er, Griesheim und Bühl, die früher um 1200 M. verpachtet war, um 4010 M. ge­steigert. Pächter sind der französische Graf Miscault und der Mühlebesitzer Si­mon von Nancy.

Berlin, 9. Dez. In der heutigen Sitz­ung des Reichstags wurde beschlossen, die Marinevorlage an die Budgetkommission zu überweisen.

Nach Unterschlagungen von 90000 Mark ist der Handlungsgehilfe Jakobi von der großen Tabakfirma Reinhard Baedecker in Bremen flüchtig geworden.

London, 7. Dez. Das Bureau Dal- ziel meldet aus Shanghai: Letzten Freitag verließ Kapitän Becker mit 210 Mann deutscher Marinetruppen die Gegend von Kiao-tschau-Bay, um die umliegenden Dörfer zu okkupiren. Von hier marschirten sie weiter, um die Stadt Kiao-tschau in Besitz zu nehmen. Die chinesischen Forts eröffneten das Feuer auf die Deutschen, die das Feuer erwiderten. Drei Mann der Garnison wurden getödtet, worauf die Garnison floh. Der chinesische General wurde gefangen und darauf freigelassen. Verschiedene deutsche Matrosen wurden durch Steine verletzt, die die Bewohner nach ihnen warfen.

<L o k cr L e s.

Wildbad, 12. Dez. (Gewerbe- 'verein). Vom Vorstand des Gewerbe- ' Vereins war auf Freitag Abend eine