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um dadurch einem Wettlauf nach weiteren Städtewahlen vorzubeugen. Was den Ein­wand gegen den Proporz anbelange, der­selbe bringe uns 2 Wahlsysteme, so müsse daran erinnert werden, daß Preußen und Sachsen auch 2 Wahlsysteme haben. Man habe von der Verhältniswahl viel zu viel Aufhebens gemacht. Der Kernpunkt der Revision ist aber die Alleinherrschaft des allgemeinen Abgeordnetenbaus. Was end­lich die Oberamtswahlen anbelangt, so wolle sich unser Volk nicht davon trennen und in Verfassungsangelegenheiten solle man dem Volk nicht aufzwingen, was es nicht selbst begehrt.

^.Neuenbürg, 29. Nov. Der landw. Bezirksverein hat sich im Laufe des Herbstes einer dankbaren Aufgabe dadurch entledigt, daß er nach den schlimmen Erfahrungen der letzten Jahre der Pflege des Obst­baumes seine besondere Aufmerksamkeit zuwendete und besonders die Bekämpfung des schädlichen Fcostnachtspänners system­atisch zur Durchführung brachte. Inden beiden letzten Jahren mußte man mit der leidigen Wahrnehmung rechnen, daß die so reichlich vorhanden gewesenen Frucht­ansätze bei den Apfelbäumen einzig nnd allein durch das Ueberhanduehmen der Schädlinge, namentlich des Frostnacht­spanners und des Apfelblütenstechers ver­nichtet worden sind. M't ganz wenigen Ausnahmen wurden nun in fast allen Gemeinden des Bezirks die sogen. Klebe- gürtel an den Apfelbäumen angelegt, nach­dem die Bäume zuvor gründlich von der losgesprungenen Rinde, von Moos und dergl. gereinigt und mit Kalkmilch ange­strichen waren. Der Erfolg war strich­weise ein sehr günstiger und es wurden viele Tausende des schädlichen Insekts ge- fangen, dann aber gab es auch wieder Stellen, ja ganze Markungen, wv der Er- folg nur ein ganz mäßiger war. Ein häufiges Auftreten des Insekts wurde namentlich an solchen Bäumen bemerkt, die im Frühjahr in Blüte standen. Die glatte und zweckmäßige Durchführung der Maßregel wnrde hauptsächlich dadurch er­reicht, daß der landw. Verein und die Gemeinden je hälftig die Kosten für Klebegürtel und Leim übernommen haben, so daß den Baumbesitzern nennenswerte Opfer nicht erwachsen sind.

N euenbur g, 3. Dez. Das im vor. Jahr neu erbaute Gasthaus zu den 3 Raben in Birkenfeld ging käuflich in den Besitz von Kaufmann Schernbacher aus Ludwigsburg um die Summe von 47 500 Mk. über. Der neue Besitzer beabsichtigt, das Anwesen für Luftkurzwecke einzurichten.

I Böblingen, 2. Dez. Bei der heu­tigen Landtagsstichwahl haben von 5692 Wahlberechtigten 4160 abgestimmt. Es haben erhalten Dr. Hartranft (Volksp.) 2225 Stimmen, Schäfer (kons.) 1927 Stimmen. Ersterer ist somit wiederge-

Run -f ch air.

Pforzheim, 3. Dez. DerPforzh. Beobachter" brachte kürzlich einen Artikel aus der Harden'schen Zukuuft über den Zwischenfall Karlsruhe- Darmstadt wo- rauf der Besitzer des Blattes seitens des Ministeriums in ziemlich schroffer Form eine Rüge erhielt. Hierauf erklärte, der- selbe, daß er unter solchen Umständen auf die Amtsverlegerschaft seines Blattes ver­zichte.

Karlsruhe. Gestern wurde die Strecke Karlsruhe-Ettlingen dea Albthalbahn ohne besondere Feierlichkeit eröffnet. Gleich­zeitig stellte die bisherige Lokalbahn Karls- ruhe-Ettlingen ihren Betrieb ein. Die neue Bahn erfreute sich in den ersten bei­den Tagen einer außerordentlich großen Benützung.

Nürnberg, 2. Dez. Bei der heutigen Reichstagsnachwahl wurde der Sozialde­mokrat mit 20 000 Stimmen gewählt. Der Freisinn erhielt mit 11200 St. bedeuten­den Zuwachs. Kleine Minderheiten er­hielten die Demokraten, Konservativen und Ultramontanen.

Köln, 1. Dez. Wie derKöln. Ztg." aus London gemeldet wird, hat Chrna an Großbritanien ein Stück des Hong- koug gegenüberliegenden Festlandes, dessen Begrenzung in der Deepbay beginnt, dem Lause des Schanthunflusses und zurMirs- bay führt, mit Einschluß des Tnlohafens abgetreten.

Berlin, 30. Nov. Die neuen ein­maligen Forderungen des Militäretats für Württemberg sind folgende: Zur weiteren Ausstattung des Armeekorps mit Fahrrädern: erste Rate 16 644M.k; Ab­änderung von Tornistern und Patronen­taschen: 165 000 Mk.; Erweiternng des Bekleidungsamts in Ludwigsburg: für den Entwurf 6500 Mk,; Beschaffung von 180 Remonten zur erstmaligen Besetzung des Remontedepots in Breithülen mit Pferden: voller Bedarf 162 000 Mark; Schaffung einer Reserve an Feldartillerie­material: 1 Million; Umwandlung der Korpstelegrafenabteilung mit vierspänni­gen Fahrzeugen in solche mit zweispänni- gen: voller"Bedarf 30 000 Mark.

Aus Berlist kommt die Nachricht, daß das Zentralkomite für die durch Un­wetter Geschädigten Deutschlands bei der Schlußverteilung der von ihm ersammelten Mittel die Gewitterbeschädigten des württ. Unterlandes nochmals mit 100000 Mk. bedacht hat. Der Zentralleitung des Wohl- thätigkeitsvereins sind damit von dem ge- nannten Zentralkomite nicht weniger als 700000 Mark für die bedürftigen Ge­witterbeschädigten überwiesen worden. Aus den verschiedenen deutschen Bundesstaaten zusammen sind bei der Zentralleitung des W.V. und bei den BezirkshilfSkomites Gaben im Gesammtbetrag von mindestens 1250000 Mark eingegangen.

Berlin, 30. Novbr. ImMilitär­wochenblatt" wird die Verbesserung, welche die im Reichstag eingebrachte Militär­strafprozeß-Reform gegenüber der bisherigen preußischen Militärstrafverfas­sung enthält, auffolgende Weise zusammen- gefaßt: 1) Weitestgehende Durchführung des mündlichen unmittelbaren Verfahrens unter Zulassung der öffentlichen Haupt- Verhandlung nach bayrischem Vorbild. 2) Anklageform. Scharfe Trennung der Aufgaben des Richters, Anklägers und Verteidigers. 3) Ständigkeit der Gerichte in allen Instanzen mit erheblichem Um­fange. 4) Unbeschränkte Verteidigung in allen Fällen der höheren Gerichtsbarkeit, bei bürgerlichen Vergehen auch durch zu­gelassene Rechtsanwälte. 5) Freie Beweis­führung aus Grund vom Richter in mündlicher Verhandlung gemachter Wahr- nehmnngen. 6) Gleicher Wert für jede Richterstimme. 7) Gewährung der Rechts­mittel nach dem Vorbild der bürgerlichen

Strafprozeßordnung, Zulassung der Be- schwerdeberufungsrevision und Berufung in weiterem Umfang als im bürgerlichen Verfahren. Einrichtung eines vollständigen Jnstanzengangs. 8) Endgiltige Enscheid- ung des Richters über die Strafe, unein­geschränkte Selbständigkeit der erkennen­den Gerichte. Bestätigungsordre im Frie­den. Diese ist kein die Rechtskraft des Urteils berührender Rechtsakt, vielmehr eine auf dem Gnadenrecht beruhende Wei- sung zur Strafvollstreckung. 9) Eine ein­heitliche Rechtsverfassung für das ganze Heer und die Marine. Eine gemeinsame Spitze desselben, das Reichsmilitärgericht, welches die Uebereinstimmung, Auslegung und Anwendung der Gesetze sichert, wo­durch das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Einigkeit in allen Teilen des Heeres nur befestigt werden kann. 10) Schließ, lich wird beabsichtigt, auch hinsichtlich der Entschädigung unschuldig Verurteilter die Militärgerichtsordnung in voller lieberem- stimmung mit dem bürgerlrchen Strafge- setze zu halten, daß, sobald der zu den letzteren vorliegende Entwurf Gesetz wird, dessen Bestimmungen in die Militärstraf, gerichtsordnung übernommen werden.

Prag, 2. Dez. Erst heute läßt sich der gestrige Schreckenstag und die Schre- ckensnacht überblicken. Man zählt 150 Verwundete, darunter sind viele schwer, manche tödtlich verwundet, und 4 Todte. Das ist das schreckliche Ergebnis der Zu­sammenstöße der bewaffneten Macht mit den Volksmaffen, die demolirten, pln ten und Brand stifteten Die Proklamstm-g des Standrechtes wirkt wie eine auflösende That. Die besitzenden Klassen athmen er­leichtert auf und geben sieb nun der Hoff- nung hin, daß die Revolte rasch nieder­geschlagen sein wird.

Prag, 3. Dez. Um 10 Uhr Abends war die Stadt vollste! ig. Un-

mittelbar vor der Verkm des Stand­

rechtes kam es in den Vorsmoten Smichow und Ziskow zn bewegten Zusammenstößen. Bis 6 Uhr Abends erfolgten noch etwa 90 Verhaftungen.

Paris, 1. Dez. Emil Zola ver- öffentlicht im Figaro einen Aufsatz über die Dreyfus-Angelegenheit, worin er erklärt, man sei im Begriffe, Frank- reich ein Verbrechen begehen zu lassen, indem man es bezüglich des Dreyfus täusche, der ein Verbrechen büße, das er nicht ver­übt habe. Ausfragern gegenüber erklärte Zola, die Untersuchung des Generals Pel- lieux sei eine Scheinuntersuchung. General Saussier sei von der Unschuld des Drey­fus überzeugt. Zola schließt:Dreyfus wird nicht Gefangener bleiben; ich mache seine Sache zu meiner eigenen." Nach einer Meldung der Blätter gibt Ester­hazy die Echtheit aller Briefe zu, ausge­nommen desjenigen, worin er den Wunsch äußert, deutscher Ulanenrittmeister zu sein.

Die Witwe Zorillas, des größten spanischen Dichters unseres Jahrhunderts, lebt in so bedrängten Verhältnissen, daß sie die kostbaren Huldigungen Spaniens an ihren Gatten für 2400 Franks ver­pfänden mußte. Jetzt kann sie auch die Zinsen nicht mehr bezahlen und so wer- den die Kleinodien öffentlich versteigert werden, wenn nicht die Nation die Schuld einlöst. Zu diesem Zweck gehen in Mad­rid und Granada Zeichnungslisten um.