aus dieselben auf den Speicher gelangten. Dort banden sie von den hier aufbewahrten Leintüchern verschiedene zusammen und ließen sich vom Dache aus in den Hof hinunter, überstiegen die hohe Gefängnismauer und gelangten sodann ins Freie. Die Gendarmerie entwickelt eine fieberhafte Thätigkeit, um die Entwichenen festzunehmen.
— Aus Straßburg wird der „Magdeb. Ztg." geschrieben: Was hier geradelt wird, ist fast unglaublich. Ueber 7000 Räder sind angemeldet, davon sind sicher 3000 Damenräder. Die Damen fahren fast durchweg in Pumphosen. Am Sonntag Morgen, wenn sie scharenweise auf bestimmten guten Wegen dem Freien zustreben, gibt das ein allerliebstes buntes Bild. Aber kein lustiges „All Heil!" ertönt, und wenn man es einer Radlerin zuruft, so erntet man bestenfalls ein halblautes „salut!" Es ist merkwürdig, wie sich in mancher Beziehung das Elsaß seit seiner Einverleibung in Deutschland fran- zösirt. Jetzt gilt es für fein, französisch zu sprechen und Leute, die unter sich ihr elsässer Dütsch sprechen, radebrechen sofort französisch, wenn man in ihrer Nähe hochdeutsch, namentlich norddeutsch spricht.
M annheim , 2. Aug. Gestern Vormittag erregte ein exotisch gekleideter Radfahrer auf hochgepacktem Rade, welcher in Begleitung eines hiesigen Herrn durch mehrere Straßen fuhr, allgemeines Aufsehen. Es war dies der amerikanische Radfahrer W. Reymann aus New-Z)ork. Derselbe, ein Mann von 29 Jahren, welcher Mitte Februar seine Heimat verlassen, durchfuhr England und Frankreich per Rad und kam über Metz-Homburg- Kaiserslautern hier an. Die weitere Tour geht über München durch Rußland, Sibirien, China, Japan nach Amerika zurück. In seiner Ausrüstung befinden sich u. a. ein Zelt, eine Matratze, welche bei Benützung mit Luft gefüllt wird, Kochgeschirr, ein photographischer Apparat u. s. w. Sein Rad, ein englisches Kissenreifenrad, wiegt mit Gepäck die Kleinigkeit von 120 Pfund, ein Gewicht (wozu noch das Körpergewicht Reymanns von 150 Pfund kommt), welches unfern modernen Radfahrern einen gelinden Schauer einzuflößen geeignet ist. Um möglichst von Zufälligkeiten und Unglücksfällen unabhängig zu sein, trägt Mr. Reymann alle möglichen Radreserveteile bei sich, auch ist seine Maschine mit doppeltem Kettengetriebe versehen. Interessant ist es, den Reisenden von seiner Fahrt erzählen zu hören; von der bevorstehenden Durchquerung der unwirtlichen Gegenden Asiens spricht er so unbekümmert, wie von einer kleinen Spa- - ziersahrt. Reymann hofft im Frühjahr! 1899 wieder in New-Dork einzntreffen. Seine Reiseerlebnisse gedenkt er sodann in einem Buche zu veröffentlichen.
Frankfurt a. M., 31. Juli. Die Fkf. Ztg. meldet aus Köln a. Rh.: Die Kriminalpolizei verhaftete eine, teilweise in einem hiesigen Hotel, sowie in einein Privathause logierende Falschmünzerbande, in deren Besitz sich noch 11000 Mk. in falschen Hundertmarkscheinen vorfauden.
Dresden, 31. Juli. Ten neuesten Berichten zufolge erhöht sich der Menschenverlust infolge des Hochwassers. 43 Menschen sind ertrunken, im Lößnitzthal 8 Arbeiter, in Leubsdorf ein Familienvater
mit 8 Kindern und in Döltschen 11 in eine Schmiede geflüchtete Personen. Das Wasser stand an manchen Orten bis unter die Dächer. Aus 26 sächsischen Eisenbahnlinien ist der Verkehr unterbrochen.
Dresden, 2. August. Der zweite Bürgermeister von Schandau, Stadtrath Müller, kam bei dem Hochwasser um. Die Stadt Dresden bewilligte für durch Hochfluth Geschädigte 300000 Mt.
Berlin, 31. Juli. Der inaktive Staatsminister v. Koller, der ehemalige Minister des Innern, ist zum Oberprä- sidenten von Schleswig-Holstein ernannt worden.
Berlin, 2. Aug. Die Abendblätter enthalten ergreifende Einzelheiten über Hochwasserverheerungen. Der Schaden in Schlesien allein wird auf Millionen geschätzt. Bisher wurde festgestellt, daß dort 38 Menschen umgekommen sind. — In Sachsen sind allein im Wistritz- thale 60 Personen nmgekommen. — Bei Freiwaldau verursachte das Hochwasser bedeutende Zerstörungen an Straßen, Brücken und Flußufern. 3 Personen sind umgekommen. — Znckmantel ist überschwemmt. Brücken und Stege sind fortgerissen. Viele Feldfrüchte und viel Vieh sind fortgeschwemmt. Infanterie und Pionire sind zur Hilfeleistung dorthin abgegangen. — Die Douauuferge- meinden bei Linz stehen ebenfalls unter Wasser. Die Nahrungsmittel müssen von auswärts zugeführt werden. Augenblicklich sind die östreichischen Flüsse sämmtlich im Fallen begriffen.
Darmstadt, 31. Juli. Auch in unserer Stadt macht sich eine sehr lebhafte Teilnahme für die durch das Hagelunwetter heimgesuchten Gemeinden Württembergs bemerkbar, indem mehrere Sammelstellen errichtet sind, bei denen nahmhafte Beiträge eingehen.
Köln, 31. Juli. Aus Berlin wird der „Kölnischen Zeitung" gemeldet: Hier beurteilt man die vonseiten Englands erfolgte Kündigung des Handelsvertrages sehr ruhig, da man dabei von der Auffassung ausgeht, daß bei den Handelsbeziehungen beider Länder beiderseitige Interessen bestehen und daß England ebenso gut an dem beiderseitigen Handel interessiert ist wie wir.
Ischl, 31. Juli. Der Regen dauert an; das Wasser steigt fortwährend. Die Einwohner und Kurgäste in den gefährdeten Stadtteilen verlassen ihreWohnungen. Infolge dessen sind die Gasthöfe überfüllt. Die große Brücke an der Lausten wurde fortgerissen. Für die Nacht ist die große Elisabethbrücke in großer Gefahr. Der Kaiser läßt sich über die drohende Lage regelmäßig Vortrag halten. Er besichtigte stundenlangzu Fuß die gefährdeten Stellen. Der Bahnverkehr ist vollständig eingestellt. Die Preise für Lebensmittel beginnen zu steigen.
Görlitz, 31. Juli. Die Reiste ist seit gestern vormittag rapid gestiegen. Mehr als 10 Eisenbahnstrecken sind infolge von Hochwasser gestört. Das Hochwasser ist höher als im Jahre 1880. In Ostritz wurde eine Brücke fortgerissen, aus welcher sich 8 Kinder befanden, die sämtlich ertrunken sind.
Wien, 31. Juli. Anläßlich der Hochwasser bei Reichenberg in Böhmen sind zahlreiche Menschen nmgekommen und
viele Häuser verschwunden. In Grottau stürzte ein Haus ein nnd begrub die Bewohner. Ju Trautenau büßten mehrere Menschen das Leben ein. Gleiches wird aus dem Gebiet der Isar gemeldet. Von überall her laufen Hochwassermeldungen ein. Der Schaden ist unermeßlich.
— Auch der Montblanc soll nun seine Bahn erhalten. Dem Unternehmer Saturnin Fabre Vezier ist die Konzession erteilt und Professor Dupperrä aus Lyon ist mit deu Vorarbeiten beschäftigt.
Paris, 28. Juli. -Das Kriegsgericht von Oran in Algerien hatte gestern 4 Soldaten des 1. Regiments der Fremdenlegion abzuurteilen, nämlich 3 Deutsche Namens Ordesel, Igel und Stiegler, sowie einen Belgier Delvic wegen des Versuches, das Militärgefängnis, in dem sie im Juni eingeschlossen waren in Brand zu stecken. Die Angeklagten gestanden ihr Verbrechen zu und benahmen sich, wie behauptet wird, äußerst frech während der Untersuchung. Bei der öffentlichen Verhandlung legten sie die gleiche Haltung an den Tag und äußerten ihr Bedauern darüber, baß sie gehindert worden seien, das Gefängnis samt seinen Insassen in Asche zu legen, Sie wurden daher alle vier zum Tode verurteilt.
— In England fährt schon der größte Teil der Geistlichen mit dem Rad, selbst Bischöfe, wie der Erzbischof Dr. Walsch von Dublin. Der Kardinalerzbischof Richard von Paris hat seinem untergebenen Klerus das Radfahren sogar empfohlen, sofern es sich um ausgedehnte Pfarreien handelt.
Iaroslaw (Galizien), 1. Aug. Eine große Feuersbrunst in der Stadt Ljubim äscherte über 200 Häuser, eine Kirche, ein Spital und außerdem verschiedene Amtsgebäude ein. Hunderte von Menschen sind obdachlos und brodlos.
Newyork, 30. Juli. Die Aufregung in den Staaten des stillen Ozeans über die Goldentdeckungen am Jukon kann kaum zu stark geschildert werden. Hunderte von Fahrgästen, die mit den Dampfern von San Franzisko nach dem Norden reisen wollen, werden abgewiesen. Von den Häfen des stillen Ozeans segeln in den nächsten 3 Wochen 12 große Dampfschiffe nach dem neuen Goldlande. Die britische Jukon Chartered Company will im nächsten Frühjahr 20 Dampfschiffe zur Auswanderung nach Klondyke bereit halten. Wahrscheinlich wird die Durchführung der canadischen Zollanordnnngen bei den amerikanischen Bergleuten auf großen Widerstand stoßen. Der San Franzisko Chronicle fordert Repressalien: „Wenn unsere Leute nicht frei ans dem Kloudyke- Goldfeld schürfen können, sollten Canadier auch nicht ohne Steuer ihr Gold über St. Michael und Juneau heimschaffen dürfen.
Vermischtes.
(Teure Badereise.) Ein Gastwirt aus Gleiwitz hatte sich nach Bad Reinerz begeben, um dort von seinem Leiden Heilung zu suchen. Seine zu Hause gebliebene Ehehälfte knüpfte inzwischen mit einem Eisenbahnbeamten ein Verhältnis an, packte eines schönen Tages ihre sieben Sachen zusammen und reiste unter dem Vorwände ab, sich zur Pflege ihres Mannes nach Reinerz zu begeben. Dort ist sie jedoch nicht angekommen, vielmehr