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harren müssen, bis zum Ende. Der An­trag Augst sei übrigens eine wörtliche Abschrift des Zentrumsantrags in der bayrischen Kammer. Prcuß. Kriegsminister v. Goßler: Der Kaiser habe unantast­bare Rechte. Es können allerdings hier Anträge gestellt werden; auf die Ent­scheidungen Sr. Maj. werden dieselben keinen Einfluß haben. Die Besetzung der höheren Offizierstellen ist verfassungsmäßig festgesetzt. Ich unterschreibe jedes Wort, das der württemb. Kriegsminister sprach. Von einer Konvention zwischen Preußen und Württemberg, von einem Druck Preu­ßens auf Württemberg und ebenso von einem preuß. Partikularismus (Behaup­tung Gallers in der Sitzung am 18.) ist keine Rede. Württ. Kriegsminister Frhr. Schott v. Schottenstein: Ein Ap­pell an den Partikularismus der württ. Offiziere würde zwecklos sein. Die Schwie­rigkeiten, die mir etwa in der württ. Kammer erwachsen sollten, warte ich ab. Lieber (Zentr.) Er habe seinerseits in der Budgetkommission die Frage des An­wachsens des Pensionsfonds angeregt. Der Reichstag besitze die verfassungsmä­ßigen Mittel, einem Uebermaß in den Pensionierungen entgegenzutreten, ohne das Kommando des Kaisers anzntasten; seine Partei werde zur Zeit bereit sein auch das letztere zu schützen. Es folgten weitere Bemerkungen der Abg. Bebel (Soz.) und Weiß (freis. Vp.), welche dem Antrag Gröber lebhaft zustimmen. Insbesondere müßten die lokalen Verschiedenheiten in den einzelnen Bundesstaaten berücksichtigt werden. Staatssekretär Or. v. Bötticher weist nach, daß dem Reiche sehr wohl das Recht zustehe, Gemeindestellen zu be­setzen. Im Bundesrat fänden Beratun­gen statt über die Ausführungsbestim­mungen des H 77 des Militärpensionsge­setzes, welche zu einer Einigung führen dürften und welche die denkbar günstigste Gewähr dafür bieten werden, daß die Bedürfnisse der einzelnen Staaten bezüg­lich der Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen bei den kommunalen Behörden thunlichste Berücksichtigung fin­den. Gröber (Zentrum) empfiehlt sei­nen Antrag. An dein Zustandekommen des Gesetzes betr. die Militüranwärter von 1893 trage das Zentrum keine Schuld. Für Preußen bilde das Institut der Militäran- wärter kein Novum mehr, wohl aber für Süddentschland und da gewöhne man sich nur schwer an solche neue Bestimmungen. Hierauf wurde der Antrag Angst abge­lehnt und der Antrag Gröber angenom­men. Der Etat des Pensionsfonds wird nach den Kommissionsanträgen bewilligt. Im Reichstag brachte die freisinnige Vvlkspartei den Antrag auf Gewährung von Diäten an die Reichstagsabgeordne­ten wieder ein.

Berlin, 19. Febr. DieNat.-Ztg." schreibt: Im Orient deuten verschiedene Anzeichen aus eine neue Verschiebung der Lage. Die allernächste Zeit muß klarste! len, ob die Einigkeit der Großmächte durch das Hervortreten englischer Son­derinteressen eine Störung erleidet. Treibe England wieder eine Sonderpolitik, so beweise das nicht nur Unzulänglichkeit einer auf die Vereinigung der britischen und europäischen Interessen gerichteten Politik, sondern lüfte auch den Schleier, der den Ursprung des so höchst eigen­tümlichen griechischen Abenteuers um- giebt. Bei diesem handelt es sich nicht

sowohl um einen Angriff auf die Türkei, sondern um einen Steil gegen den Frie­den Europas. Die Gefährdung des Friedens würde unnötig verstärkt werden, wenn eine Großmacht das legale Zusam­menwirken aufgibt. Es wäre kein Un­terschied, ob England die Maske fallen läßt und offen auf die griechische Seite tritt oder eine pseudonentrale Stellung ergreift. Jedenfalls aber bleiben die In­teressen der Mächte identisch in der Rich­tung, daß sie dem Versuch, den Frieden Europas zu stören, in aller Einmütigkeit entgegentreten werden.

Berlin, 20. Febr. DieNordd. Allg.Ztg." schreibt, sicheren Informationen zufolge trifft die Nachricht des Reuterschen Bureaus, betreffend Lord Salisburys Beantwortung des deutschen Blockade­vorschlags, zu. Wie dieNordd. Allg. Zeitung" hört, ist die deutsche Regierung getreu ihrer bisherigen Haltung bereit, mit den Mächten über die zukünftige Gestaltung K re tasunter zwei Voraus­setzungen in Verhandlungen zu treten, ein­mal muß die Annexion durch Griechen­land außer Betracht bleiben, welche keinerlei Gewähr der Herstellung geord­neter Zustände auf der Insel böte, da­gegen einen für die übrigen Balkanvölker bedenklichen Präzedenzfall schaffe; ferner ist vor dem Eintritt in die Verhandlungen der völkerrechtswidrigen Aktion Griechen-^ lands ein Ende zu machen, deren Fort­dauer eine ständige Kriegsgesah r ent­hält.

Wegen wucherischer Ausbeutung des bekannten Lustspieldichters Gustav v. Moser wurde der Bankier Otto Schulze in Kottburg zu 4 Jahren Gefängnis und 2000 Mk. Geldstrafe verurteilt. Hofrat v. Moser erklärte, daß er sich in einer Notlage" in juristischem Sinne niemals befunden, vielmehr durch die von ihm verfaßten Stücke im Laufe der Jahre einen Honorarbetrag bezogen habe, der sich vielleicht ans 1^4 Millionen Mark beziffern lasse. Da ihm aber seine Ein­künfte unregelmäßig zufließen, sei er öfter in die Lage gekommen, einige 1000 Mk. aufnehmen zu müssen. >

Berlin, 19. Febr. Am Dienstags abend wurde hier im Hohenzollermuseum s ein bedeutender Diebstahl durch Erbrechen j eines Glaskastens und eines Schrankes! ausgeführt. Etwa 50 goldene Ringe, Tuchnadeln, sowie andere Schmucksachen und Wertgegenstände, wie Becher und Pokale werden vermißt.

Berlin, 19. Febr. Die Einheit der Mächte in dem Vorgehen gegen Griechen­land ist gestört, da England die Beteili­gung an der Blockade des Piräus ab­lehnte.

Erfurt, 20. Febr. Heute früh 5 Uhr stießen auf dem hiesigen Güterbahn­hof 2 Güterzüge zusammen. Ein Ran- girer wurde getötet, 3 Wagen sind ent­gleist.

Konstantinop el, 19. Febr. Die Pforte richtete an den türkischen Gesan­dten auf Kreta eine Depesche, welche furchtbare Masfacres in Seytia meldet. Christliche Insurgenten metzelten zuerst! 1000 Muselmänner nieder. Von densel-! ben konnten sich nur 28 retten.

Athen, 20. Febr. Die Truppen des Obersten Vassos auf Kreta haben das Fort Vukolis genommen. 11 grie-! chische Soldaten wurden getötet, 1 Leut-^

nant schwer verwundet. Von den Tür- ken wurden gegen 106 getötet oder schwer verwundet und 200 gefangen genommen.

Lokal! es.

Wildbad, 21. Febr. Am Samstag abend veranstaltete der hiesigeLied er - kranz" einen Maskenball im Gasth. z.Sonne" Ter Ball war ziemlich gut besucht und gestaltete sich der Abend unter dem hier bisher ungewohnten Scepter des Prinzen Carneval zu einem recht ge­mütlichen und heiteren. Neben sehr ein­fachen Masken sah man auch manche hübsche und gelungene, namentlich beim schönen Geschlecht, so z. B. eine Dame in Pfauencostüm, schmucke Bauernmädchen, Jägerinnen, Nitterfräulein u. s. w. Die von vier Masken mit urkomischem Aeuhern zum Vortrag gebrachteschnurrige Mo­ritat vom schlimmen Schlnmmersberger" und einige von Hrn. C. Weber in ge­lungenem Clowncostüm vorgetrageneu hu­moristischen Couplets sorgten für die rich­tige Fastnachtsstimmung.

K Wildbad, 20. Febr. Der hiesige Wohlthätigkeits-Verein hielt am 8. d. M. im Gasth. z.Adler" seine jähr­liche General-Versammlung. Der Vorstand erösfnete dieselbe und erteilte dem Kassier das Wort. Nach denn Rechenschaftsbericht betragen die Einnahmen seit dem Bestehen des Vereins (Januar 1895) Mk. 244.90. Die Ausgaben an Bedürftige sowie für Sammelbüchsen rc. rc. betragen Mk. 126.25 somit Kassenbestand Mk. 118.65. Das Geld ist bei der Spar- und Vorschuß-Bank hier angelegt. Vorstand Fr. Link und Kassier Hieber wurden durch Acclamation wie­dergewählt; als Schriftführer wurde Fr. Schulmeister gewählt. Die verehrl. hiesigen Einwohner werden sreundl. er­sucht, durch Sammeln von Cigarren-Ab- schnitten, Staniol, das als Verpackung dient bei Chocolade, Thee, Tabak, Seife, Flaschenverschlüssen rc.rc.und vielfach weg­geworfen wird, sowie durch baar Geld den Verein auch ferner zu unterstützen, damit derselbe in den Stand gesetzt ist jederzeit hilfsbereit eintreten zu können. Freiwillige Gaben für den Verein nehmen oben genannte Vorstandsmitglieder stets entgegen.

Gemeinnütziges.

Zur Vertilgung des Haus- schwammes, welcher sich in dem Hohl­raum zwischen Zimmerfußböden und Zim­merdecken angesiedelt hat, verfährt man in der Weise, daß in den Fußboden oder die Decke Löcher gebohrt werden und Chlorgas in die Räume geleitet wird, worauf man die Löcher durch Pfropfen wieder schließt. Das Chlorgas dringt in alle Fugen und Spalten und vertilgt den Hausschwamm.

Vermischtes.

Für wirksameren Vogelschutz soll, wie uns von geschätzter Seite mitgeteilt wird, demnächst in umfangreicher Weise eine Agitation eingeleitet werden. Hoffent­lich ist dieselbe auch von Erfolg begleitet. Die Klagen der Landwirtschaft über die zunehmende Verheernng von Wald und Flur durch Insekten sind bekannt; aber auch der Tierfreund empfindet es schmerz­lich, daß manche Gegenden, die früher einen reichen Bestand an vorzüglichen Sängern, an Drosseln, Grasmücken, Fin­ken hatten, mehr und mehr der Verödung