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die Glasscheiben ein. Er entnahm der Auslage Uhren und Ketten im Werte von etwa 2500 Mk. Durch den Lärm wurde die Nachbarschaft wach, die noch sah, wie der Dieb im Dunkel verschwand. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, desselben habhaft zu werden. Bor zwei Tagen ist in Schorndorf und gestern in Gmünd auf gleiche Weise eingebrochen worden, so daß man es hier scheint's mit einer organisierten Diebesbande zu thnn hat.

Tübingen, 20. Nov. Ein Massen­mörder hat in der letzten Nacht im Uni- versitätsreithaus ein Blutbad angerichtet. Ein dem Universitätsstallmeister Fritz ge­hörigerzahmer" Ichneumon ist der hies. Chronik zufolge in einer Anwandlung der seiner Art anhaftenden schlimmen Räuber­gewohnheiten in den Tanbenschlag seines Herrn eingedrungen und hat 32 Tauben die Hälse abgebissen. Unter den Gemor­deten befindet sich eiue Anzahl recht wert­voller Exemplare, so daß der Gesamt­schaden sich auf etwa 200 Mk. beläuft. Der Mörder der sich jetzt in sicherem Ge­wahrsam befindet, soll zur Strafe der Sammlung des zoologischen Jnüituls ein-, verleibt werden.

Ebingen, 21. Nov. Heute bewegte sich ein großer Leichenzug durch die Stadt, um einem der edelsten Bürger, Karl Groz Droguist, die letzte Ehre zu erweisen. Der Verstorbene hatte sein Geschäft so emporgebracht, daß er mit den entferntesten Ländern im Ver­kehr stand; dabei zeichnete er sich aus durch seine Menschenfreundlichkeit und Mildthätigkeit gegen die Armen, durch seine eifrige Anteil­nahme an allen öffentlichen und gemeinnüzigen Fragen, durch sein reifes und selbständiges Urteil und nicht zuletzt durch seine entschieden nationale Gesinnung.

Die Schwurgerichtssitzungen pro IV. Quartal werden in Tübingen am 9. Dez. eröffnet.

Gmünd, 22. Nov. Das am Markt­platz neuerbauteHotel zum goldenen Rad," das C. Seufert an Stelle des im Frühjahr abgebrochenen alten Wirtschafte gebäudes durch Bauunternehmer Angsten- berger hier erbauen ließ, wurde gestern mit einem Eröffnungsfestessen dem Be­trieb übergeben.

Ueber unserm städt. Wasserwerk waltet ein Unglücksstern! In der gestrigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien teilte der Stadtschultheiß mit, daß der Schächte- und Stollenbau am Wasserwerk infolge eingetretener Zahlungs-Unfähigkeit des Unternehmers Deilmann vorläufig ins Stocken geraten sei, dem Gesuch des Ge­nannten um eine Abschlagszahlung aber Den abgeschlossenen Verträgen zufolge nicht entsprochen werden könne. Die Arbeiten werden vielmehr neu zur Bewerbung aus­geschrieben. Die Stadt wird sich zunächst an der hinterlegten Kaution und den ver­tragsmäßig innebehaltenen Geldern schad­los halten.

Leutkirch, 20. Nov. Eine unver­hoffte Rechnung über die Sedansfeier wurde nachträglich der Stadtgemeinde Leut- kirch präsentiert. Am Vorabend des Ju­beltages wurde nämlich auf dem Grund­stück eines dortigen Oekonomen von seiten der Stadt ein Freudenfeuer abgebrannt. Von der zurückgebliebenen Asche, welche, wie die chemische Untersuchung ergab, schwefelsaures Salz, enthielt, leckren die auf der Weide befindlichen Kühe des be­sagten Oekonomen, infolgedessen 6 Stück

verendeten und einige erkrankten. Der Eigentümer machte eine Schsdenforderung von 2000 ^ geltend, während die bür­gerlichen Kollegien in der letzten Sitzung nur 1200 bewilligten, so daß der nicht uninteressante Fall voraussichtlich aus dem Rechtswege seine Entscheidung finden wird/

Schussenried, 20. Nov. Die Hals­bräune, sonst ein seltener Gast hier, hat in letzter Woche ziemlich heftig um sich gegriffen. Heute wurden deshalb d>e Schulen geschloffen.

Rundschau.

Karlsruhe, 20. Nov. (Feines Geschäfls- gebahren.) In einem hiesigen Blatte, schreibt derBad. Lob.", findet sich das nachstehende Inserat:Eine sehr leistungsfähige Buch­druckerei wünscht größere fortlaufende Buch­druck-Arbeiten garantiert zu kulligsten Preisen zu übernehme». Für Vermittlung wird an Buchhalter, Beamte u. s. w. gerne größere Provision vergütet. Diskretion selbstverständ­lich. Offerten" u. s. w. Dazu bemerkt der Landesbote": Die Schamlosigkeit, mit ! welcher hier vorgegangen wird, ist allerdings I kaum noch zu überbieten. Die Beamten und Angestellten sollen einfach von dem sauberen Einsender jenes Inserates bestochen werden. Es ist bekannt, daß kaum auf einem anderen Gebiete mehr als auf dem des Buchdrucker­gewerbes eine gewissenlose Konkurrenz mit Schleuderpreusen arbeitet, welche dem Besteller allerdings insofern keinen Nutzen bringen, als er bald einsehen muß, daß die Qualität der Waren eine geringe ist. Wenn sich nun zu diesem unqualisizierbaren Treiben die Korrup­tion in ihrer nacktesten Form gesellt, so muß von den anständigen Firmen der Branche auch in der Oeffentlichkeit auf jenes schimpfliche Ge­bühren hingewiesen und vor demselben ge­warnt werden!

In Mannheim kursieren gegen­wärtig eine Menge falscher Zweimarkstücke v r- schiedenen Gepräges.

Darmstadt, 20. Nov. Die Regie­rung hat der zweiten Kammer einen Ge­setzentwurf über die Gehälter der Volks­schullehrer zugehen lassen, nach welchem der definitiv angcstellte Lehrer von Volks­schulen nach 3jähriger Dienstzeit ein Ge­halt von 1100 Mark bezieht, das von 3 zu 3 Jahren um 100 Mk. bis zum Höchst­betrag von 2000 Mk. steigt. Außer dem Gehalt hat jeder Lehrer eine angemessene Wohnung, womöglich mit Garten, oder eine Mietziusentschädigung zu beanspru­chen. Für definitiv angestellte Lehrerinnen sollen dieselben Bestimmungen gelten, aber mit der Einschränkung, daß nach 18jähr. Dienstzeit bezw. nach Erlangung eines Gehalts von 1600 Mk. ein weiteres Auf­steigen nicht mehr stattfindet. Das Gesetz soll mit dem 1. April 1897 in Kraft treten.

M e ini n g e n, 22. Nov. Ungeheures Aufsehen erregt die Entdeckung, daß der bekannte Geologe Dr. Proscholdt Lehrer am hiesigen Realgymnasium, Jahre lang an Zöglingen Vergehen begangen hat, die unter die ZZ 174 und 175 des Strafgesetzbuches fallen. Proscholdt ist ge­flüchtet und wird steckbrieflich verfolgt.

Frankfurt a. M., 21 Nov. Heute vormittag fand die feierliche Enthüllung des auf dem ehemaligen Hühnermarkt er­richteten Denkmals für Friedrich Stoltze statt. Dr. Heinrich Rößler feierte den ! großen Sohn Frankfurts in schwungvoller ^ Rede und übergab das Denkmal der Stadt, in deren Namen Oberbürgermeister

Adickes daufte Wrd fixenge Obhut ver­sprach. Namens der Familie des Ver­storbenen dankte der Schwiegersohn, Re­dakteur Franz Schreiber. Dieser ermahnte die junge Generation, angesichts des Denk­mals stets im Sinne des Heimgegangenen für die Freiheit einzutreten. Der Festakt wurde mit Musik- und Gesangsvorträaen eingeleitet und geschlossen.

Aus der Schweiz, 20. Nov. In Mühlehoru ereignete sich, wie dieNene Zur. Ztg." berichtet, in der Bierbrauerei Tiefenwinkel ein schwerer Unglücksfall; ein junger deutscher Braubursche fiel in einen Sud Bier und starb sofort eines schrecklichen Todes. 100090 Schnecken, »änderten, berichtet das LuzeruerVa­terland", am Donnerstag von Meiringen nach Paris. DiesesWandern" ist selbst­verständlich nicht wörtlich zu nehmen; die Schneckenwurden" vielmehr gewandert, das heißt mit der Eisenbahn nach Paris geschickt, um dort alsechte Burgunder Schnecken" den Gaumen der Feinschmecker zu laben. Die Sendung wog zwei Ton­nen.

Berlin, 21. Nov. Der Bundesrat stimmte dem Ausschußantrage zu dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung des un­lauteren Wettbewerbs zu; ebenso dem Aus­schußantrag zu dem Gesetzentwurf betref­fend die Abänderung des Gesetzes über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaf­ten vom 1. Mai 1895.

Die Zeichnung des Kaisers mit der UnterschriftVölker Europas, wahrt eure theuersten Güter!" ist jetzt im Lichtdruck der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht worden. L nks vom Beschauer, überstrahlt vom Licht­glanze des christlichen Symbols, stehen auf hoher Felsenplatte die allegorischen Gestalten der europäischen Kulturmächte. Im Vorder­gründe Deutschland das blanke Schwert in der Rechten, folgt es aufmerksam dem An­wachsen und Vorschr iten der Gefahr. Hinter ihm Rußland, für die gemeinsame Kultur­arbeit gewonnen, legt in traulicher Annährung den Arm ihm auf die Schulter. Hinter diesen beiden bemühen sich Oestreich und Italien, das etwas zögernd sich im Hintergründe hal­lende England der gemeinsamen Arbeit zu ge­winnen. Im Vordergründe etwas seitwärts steht Frankreich, mit der Linken das Auge be­schattend, als ob es an die Nähe der Gefahr noch nicht recht glaube. Vor der Gruppe sehen wir die Gestalt des Erzengels, welcher m t gewaltiger, eindringlicher Geberde hinüber­weist auf die heranziehende Gefahr. Am Fuße des Felsens, der diese Gruppe trägt, vehnt sich das Kulturland Europa aus. Schützend trennt ein breiter Strom diese Lande von den sich heranwälzenden asiatischen Horden. Den Weg, den sie genommen, beleuchtet das Flammen­meer einer lodernden Stadt. Die drohende Gefahr in Gestalt des Budha thront auf den Rauchwolken, getragen von chinesischen Drachen und gleichsam den Dämon der Vernichtung verkörpernd. In unheimlichem Vordringen nahen sich die alles Verwüstenden Scharen den Ufern des Stromes. Schon trachten sie, diesen zu durchqueren. Dieses Unternehmen zu hemmen, bezweckt des Kaisers Mahnung, die vielleicht durch die Christenniedermetzelungen in China geweckt worden ist.

Hamburg, 22. Nov. Das Schwur­gericht, welches gestern und heute nochmals aegen die Banknotenfälscher Agent Thies und Buchdruckereibesitzer Kronenmayer verhandelte, da das Reichsgericht die Sache an das hiesige Schwurgericht zurückverwiesen hatte, verurteilte beide Angeklagte wiederum zu je 8 Jahren Zuchth.