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Kur, und siehe, die Natur that ihr Wun­der, denn nach 5 Tagen während eines Blitzgusses trat plötzlich das Sprachver- mögen wieder ein. Kürzlich stellte Herr Pfarrer Kneipp den zum üblichen täglichen Vortrag versammelten Kurgästen den Ge­heilten vnr und am letzten Samstag ver­ließ der Geheilte, überglücklich über die wiedererlangte Sprache, Wörishosen, an das er wohl sein Leben lang denken wird.

Aus D ingo lfing (Bayern) wird bayr. Blätter berichtet: Auf dem Lande herrscht viel­fach noch der Aberglaube, daß, wenn eine Leiche aus dem Hause getragen wird, im selben Augenblick derJmb" (Bienenstock) und das Krautfaßl" gehoben werden müssen, «damil's net absteh'n." In Befolgung dieses Brauches wurden auch die 6 Bienenstöcke des Bauers Kerscher von Gattering gerüttelt, als dessen verstorbene Mutter aus dem Hofe getragen wurde. Die Bienen aber verstanden zur jetzigen heißen Hochtrachtszcit keinen Spaß. Gereizt stürtzen sich die Schwärme wütend auf den Leichenzug, so daß die auseinanderstiebenden Leidtragenden sich kaum mehr der rachenehmenden Bienen erwehren konnten und die Sargträger ob der vielen Stiche laut aufjammertcn-

Nürnberg, 19. Juli. Im Dutzend­teich wurde die Leiche eines 4jährigen Mädchens gefunden. Das Kind trägt Strangulationszeichen am Halse, so daß zweifellos ein Verbrechen vorliegt. Die Leiche war nur mit einem Hemdchen be­kleidet.

Augsburg, 18. Juli. Gestern Abend ging ein schweres Gewitter, verbunden mit Hagelschlag, über Augsburg und Umgebung nieder, das teilweise großen Schaden anrichtete. Der Blitz steckte den Oekonomiehof Schury in Oberzell, einen der größten Bayerns, in Brand. Das Feuer griff gewaltig um sich. Der Oekonomiehof brannte bis auf den Grund nieder. Hochbeladcne Leiterwagen u. s. w. und mehrere Stück Vieh wurden ein Raub der Flammen.

Köln, 19. Juli. Gestern ging in der Nähe von Köln ein Gewitter mit wolken­bruchartiger Regen nieder. Mehrere Per­sonen wurden durch den Blitz verletzt, eine Frau getötet.

Be rlin, 18. Julli. DieVossische Zeitung" erachtet es angesichts der Vor­gänge im Südosten Europas für geboten, daß der deutsche Botschafter am Wiener Hof, Graf Eulenburg, der im Gefolge des Kaisers auf dessen gegenwärtiger Reise sich befindet, auf seinen Posten zurükehrt.

Merlin, 19. Juli. Die Voss. Z meldet aus Helgoland: Unweit der Insel wurde der norwegische DreimasterNieu" in Trümmern treibend gefunden. Er war von der Mann­schaft verlaßen. Das Schicksal der letzteren in unbekannt. Der Lokalanz. meldet aus Paris: Sardou ist zum Kommandeur, Paul Bürget und Andrä Theuriet zu Offizieren und Catulle Mendes zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden.

Ans Grottau (Sch'esten) wird gemel­det: Im hiesigen Kreise hat ei» Orkan furcht­bare Verheerungen anzerichtet. Zahlreiche Mßcher sind abgedeckt, Bäume entwurzelt und Fensterscheiben zerschlagen worden. Auf der Mährt von Kübsmalz nach Falkenau wurde Postomnibus umgeworfeu, wobei die "-WMg'erc verletzt wurden.

^^ern, 18. Juli. Soeben starb im Alter von 72 Jahren infolge einer Gehirn­verletzung durch Sturz des Bundesrats Karl Schenk, welcher sechsmal schweizer­ischer Bundespräsident war.

Bologna, 16. Juli. Dupierrv.der Direktor

der Straßenbahn, wurde gestern Nachmittag durch einen von der Gesellschaft angcstellten Kutscher, der sich hatte anmelden lassen, in seinem Pivat- bureau durch einen Dolchstich tödlich verwundet. Der Verbrecher ist flüchtig und bisher nicht er­griffen worden.

Paris, 18. Juii. Paul Mercier, ein alter Journalist, der seit 7 Jahren in n der Rue Alfred Stevens wohnte, und sehr zurückgezogen lebte, wurde seit eini­gen Tagen von den Bewohnern desselben Hauses vermißt. Heute sprengte man die Thür auf und fand in dem mit Kunst­schätzen angefüllten, aber verwahrlosten, unreinlichen Zimmers Merciers Leichnam. Die Aerzte stellten fest, daß er einer Ver­giftung durch die Miasmen der seit 7 Jahren nicht gelüfteten Wohnung erlegen war.

Sofia, IS. Juli. Stambulow hin­terläßt ein sehr bescheidenes Vermögen, das gerade hinreichen dürfte, seine Witwe und die 3 Kinder, deren jüngstes 7 Jahre alt ist, nach bulgarischen Verhältnissen an-. ständig zu, erhalten. Jndeß glauben die Freunde Stambulows, die Witwe werde Bulgarien ganz verlassen.

In einem Interview mit einem un­garischen Journalisten hält Stambulows Freund und ehemaliger Minister-College, Petkow, das Attentat von langer Hand vorbereitet und erklärt, daß die Polizei die Schuldigen habe entweichen lassen.

Sofia, 20. Juli. DieAgence Balca- nique" meldet: Prinz Ferdinand untersagte angesichts der Haltung der Familie Stambu- loff's allen Mitgliedern des Civil und Militär­staates, an der heutigen Leichenfeier Stamm- buloff'S theilzunehmen. DieAgence Balca- nique" versichert ferner, die Polizei habe drei am Morde Stombuloff'S betheiligte Personen entdeckt; der eine von ihnen sei der bereits verhaftete Georgiew. Es scheint, die Mörder hätte» den wegen Hochvcrraths auf Veranlassung Stambuloff's Hingerichteten Major Panitza rächen wollen.

London, 17. Juli. Gestern feierte die Bank von Schottland ihr 200jähriges Jubiläum. Ein Schotte hat die Bank von England ge­gründet und ein Engländer die Bank von Schottland. Vor 200 Jahren besaß Schott­land noch sein eigenes Parlament und dieses erteilte dem neuen Institut seine Privilegien. Der Gründer der schottischen Bank war John Holland.

Aus Sidney wird gemeldet: Durch einen großen Erdrutsch in einer Mine bei Brockenhill wurden 8 Personen ge­tötet, zwei verwundet.

Peters bürg, 19. Juli. Anläßlich des Todes Stambulows sagt der Swjet: Der gefallene Feind ist kein Feind. Wenngleich die Regierung Stambulows bitter für Bulgarien, feindlich gegen Rußland war, ist Stambulow doch e ner der hrevorragendsten bulgarischen Staatsmänner gewesen.Nowoje Wremja" äußert: Mit Stambulows Tode komme gleich­sam die lange Periode dunkler Tage Bulgariens zum Abschlüsse. Europa stehe nunmehr vm einer neuen Lage der Dinge. Rußland werde jedenfalls anders zu den jetzt in Bulgarien bevorstehenden Ereignissen sich verhallen. Es werde wahrscheinlich alles thun, um Bulgarien eine Verbesserung seiner traurigen Lage zu er­möglichen. Die wahren bulgarischen Patrioten müßten im Auge behalten, daß keinerlei Ab­weichungen von dem Programme der völligen Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung in Bulgarien laut den Stipulationen des Ber­liner Vertrages zu erwarten sind.

Lokales.

Wildbad, 18. Juli. Eine primi­tivere Vorrichtung zum Schreiben, als wie im Hauptpostamt zu Wildbad am Bahn­hof haben wir noch in keinem, selbst noch viel weniger bedeutenden Bade, wie es doch das hiesige ist, gefunden. Weder ein ordentlicher Platz zum Schreiben, noch eine ordentliche Feder, weder Löschblatt noch Streusand ist allda vorhanden. Baldige Abhilfe erbitten

Mehrere Badegäste.

Wildbad, 20. Juli. Viele der hie­sigen Kurgäste scheinen es nicht zu wissen, daß im hiesigen unscheinbaren Theaterge­bäude eine gute Gesellschaft vorzüglich spielt, andernfalls müßte der Theaterbesuch ein weitaus besserer sein; denn wo kann man sich feiner amüsiren als im Theater bei einem gut zur Aufführung gelangenden Lnst- oder Schauspiel! Mit diesem kur­zen Hinweis glaubt manchen Damen und Herren einen Dienst erwiesen zu haben Ein langjähriger Besucher WUddad's.

Vermischtes

Der Verwaltungsausschuß der Jnva- liditäts- und Altersversicherungs-Anstalt von Oberfranken bew lligte einem vorläufigen Betrag von 150 000 Mark, der gegen eine Verzinsung von 3 Prozent Bauunternehmern behufs Erbauung von Arbeiterwohnhäusern zur Verfügung gestellt wird.

Die Verkaufs-Automaten er­obern eine Branche nach der anderen. Ein jetzt in Holland neu erschienener Automat dürfte an Originalität seines Inhaltes alle anderen übertrumpfeu, da derselbe nichts An­deres wie einen automatischen Arzt vor- stellt. Der Apparat, der äußerlich die Figur eines pedantischen, bezopften Doktors zeigt, ent­hält auf seinem Körper verteilt eine Menge Einwurf-Oeffnungen, über welchen sich der Name je eines Leidens oder einer Krankheit befindet. Leidet der Kranke z. B. an Kopf­schmerz oder Bandwurm, so wirft er ein Zehn­cent-Stück in den betreffenden Schlitz, wo- ihm sofort cm Päckchenunfehlbar" helfender Arzenei in die Hand fällt. Der Zuspruch zu dem neuen Aeskulap soll kein geringer sein und, da viele den Hrn. Doktor auch wohl nur aus Neugierde konsultiren, ohne eigentlich krank zu sein, so verabreicht derselbe auch Mittel, namentlich gegen Magenweh, die einen stets willkommen alkoholischen Extrakt bitterer, wohltuender Pslanzenstoffe enthalten. Böse Zungen behaupten übrigens, der automatische Herr Doktor sei nichts Neues und wollen schon Exemplare gesehen haben, die sogar gehen und klug reden konnten, sich von dem erwähnten neuen Doktor sonst aber nur darin unterschieden daß sie ihre automatischen Mittel erst abgaben nachdem man ihnen nicht ein Zehneentstück, sondern mindestens ein Zweimarkstück in die Hand drückte. Hoffentlich bleibt Deutschland von beiden Sorten Doktoren auf die Dauer verschont; vielleicht bringt cs der geniale Hol­länder dahin, daß der Automat auch noch die niederen chirurgische Operationen verrichtet, was ihm erst den Stempel der Vollkommen­heit aufdrücken würde.

E ine Eis enbahn d urch Arabie n ist das Projekt eines englischen Ingenieurs, welcher dieselbe von Po« Said aus bis zur südöstlichen Spitze Arabiens gehend, plant; von hier aus wäre eine kurze Dampfverbindung nach Karatschi in Ost-Indien anzuschließen, so daß es auf diese Weise möglich würde, von Europa aus unter Umgehung der Fahrt durch den Suez-Kanal und Beschränkung der