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lische Interesse zu überwiegen. Zollerhöhungen seien gefährlich, weil das Ausland uns mit f gleichem Maße mißt, wie wir ihm unsere ^ Thors verschließen. Graf Kanitz (Kons.) er? I klärt sich mit der Vorlage in allen Punkten einverstanden und bedauert nur, daß dieselben nicht umfangreicher ausgefallen. Andere Län­der machen mit ihrem Zolltarif, was sie wollen, beispielsweise erhöhte kürzlich Rußland die Baumwollzölle. Wir müßten dasselbe thun. Redner verweist auf die Schädigung der Na­turbutterproduktion durch die Margarinefabri­kation und die Zollgesetzgebung, v. Macschall widerlegt die Darstellung des Vorredners bezügl. der Schädigung durch die russ. Baumwollzölle Bröckmann (Zentr.) tritt kür den Zoll ein- Möller (natl.) stimmt der Vorlage zu. Er be. fürwortet die meisten Positionen der Vorlage wünscht jedoch eine Ablehnung der Zoller­höhung auf Honig und Baumwollsamenöl. v. Posadowski betont, die Vorlage habe kein fiskalisches Interesse, sondern diene lediglich dem Interesse der in Frage stehenden Industrien. Abg. Wurm bekämpft die Vorlage, weil die Zollerhöhungen die armen Leute am schwersten treffe. Kröber befürwortet Kommissionsbe­ratung. Die Weiterberatung wird vertagt.

23. Jan. Die neulich abgebrochene Beratung der Initiativanträge auf Abände­rung der Gewerbeordnung (Organisation der Handwerkerkammern, Einschränkung der Ge­fängnisarbeit) wird fortgesetzt. Beckh (freist): Als Vertreter der gewerbreichen Stadt Nürn­berg sei er ebenso ein Freund des Hand­werks wie die Conservativen, welche sich als die alleinigen Freunde des Handwerks, als die alleinigen Königstreuen geberden. Er sei aber ein entschiedener Gegner der Handwerker­kammern, des Befähigungsnachweises, der ob­ligatorischen Innungen. Bei richtiger Ge- tverbefreiheit und guten Bildungsanstalten werde es tüchtig vorwärts gehen. Es sei eine leere Redensart, daß das Handwerk zu Grunde ^ gehe, wenn ihm nicht mit Zwangsmitteln bei- gesprungen werde. Metzner(Ztr.): Dem Staats- sekr. v. Bötticher fiel eine undankbare Aufgabe zu, als er die Stellung der Regierung in der Handwerkerfrage verteidigen sollte; denn die Regierung that nichts und thut nichts. Ich bezweifle, ob die Handwerkerkammern ein gutes und brauchbares beratendes Element für die Negierung abgeben, v. Bötticher: Er begreife den Wunsch des Vorredners nach Organisa­tion des Handwerks. Die Schuld an dem allzulangsamen Tempo falle nicht allein der Regierung zu. Es habe sich nicht ohne Wei­teres ein dem Reichstage vorzulegender Ent­wurf Herstellen lassen. Baden, Hessen, Würt­temberg wollten von Zwangsinnungen nichts wissen. Die Bildung von Gewerbekammern sei doch nicht irrationell. Die Frage des Be­fähigungsnachweises sei umstritten. Er hofft, der Vorredner werde der Regierungsvorlage über Handwcrkerkammern s. Z. zustimmen. Lotze (d. Reformp.) verlangt, die Regierungen sollten es sich ernstlich überlegen, ob sie den Befähigungsnachweis und die Zwangsinnungen ablehnen dürfen. Schneider (freist Volksp.) tritt den Ausführungen des Abg. Gamp, daß die Gründung von besonderen Gewerbebanken für das Handwerk erforderlich sei, entgegen, be­kämpft die Zwangsinnungen und wünscht dis Einrichtung von Fachschulen. Kühne (Soz.) glaubt nicht, daß es der Regierung gelingen werde, dem Handwerk, wie sie wünsche, wieder einen goldenen Boden zu verschaffen. Die Anträge der Abgeordneten Kropatschek betr. Befähigungsnachweis und Gamp betr. die or­ganisierte Vertretung der Handwerker in den Handwerk-rkammern und die Resolution Gamp,

die Regierungen wollen auf die mögliche Ein­schränkung der Beschäftigung der Strafge fangenen wirken, werden angenommen. Zu den Anträgen betr. die Konsumv.reine teilt Staatssekretär v. Bötticher mit, dem Bundesrate werde demnächst ein Gesetzentwurf betr. die Abänderung des Gesetzes über die Erwerbs- und Wirtschastsgenofsenschaften vom Mai 1869 zugehen, welcher eine anderweitige Regelung des Verkehrs der Konsumvereine in Aussicht nebme.

Berlin, 23. Jan. Die Kommission des Reichstags für die Umsturzvorlage

nahm heute den Absatz 1 des § 1 l 1, betr. die Aufforderung zur Begehung strafbarer Handlungen, einstimmig nach der Re­gierungsvorlage an. Die zu Absatz 2

gestellten Abänderungsanträge Lenzmann (Freis. Volksp.) und Spahn (Ztr.) wurden abgelehnt und sodann Absatz 2 der Re­gierungsvorlage mit 14 gegen 12 St.

gleichfalls abgelehnt. (Der angenommene Absatz lautet:Wer auf die im Z 110 bezeichnet^ Weise zur Begehung einer strafbaren Handlung auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die! Aufforderung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch derselben zur Folge gehabt hat." Der abgelehnte Ab­satz lautet:Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis zu 600 oder Gefängnisstrafe bis zu Einem Jahr und, sofern es sich um die Aufforderung zu einem Verbrechen handelt, Gefängnisstrafe bis zu 3 Jahren ein. Die Strafe darf jedoch der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte.")

Mühlheim a. d. Ruhr, 22. Jan. Die Tabakfabrik von Joh. Wilh. v. Eiken Hierselbst, teilte ihren Arbeitern aus An­laß des 125jährigen Bestehens der Fabrik mit, daß von jetzt ab jedem verheirateten oder einem Haushalte vorstehenden Ar­beiter ein Wohnungsgeldzuschuß von 60 oder 120 Mk. ausgezahlt werden solle. Das verdient Anerkennung.

In Guh rau in Schlesien erhäng­ten sich der Kanzleirat Albert Kersten und sein Bruder, Amtsgerichts-Sekretär Kuni­bert Kersten, in einem Neubau.

Für Lehrer ist folgende Anzeige desRatiborer Anzeigers" von Interesse: Ein Lehrer, verheiratet, über 10 Jahre im Amt, sucht, da er bei 650 Mk. Bar­gehalt bereits 5000 Mk. Kapital zugesetzt hat, um leben zu können, da er Barver­mögen nicht weiter zusetzen will, andere Stellung. Mit doppelter Buchführung vertraut." Das läßt tief blicken!

Straßburg i. E. Eines der älte­sten Straßburger Häuser, das Haus Kam- merzes am Münsterplatz, welches mit ei­nem Kostenaufwand von über 100000 ^ restaurirt worden ist, wird in der nächsten Zeit zu einer elsässischen Weinstube ein­gerichtet. Der Gemeinderat hat das histo­risch merkwürdige Gebäude an ein Konsor­tium von 5 Weingroßhändlern unserer Stadt vermietet.

Luzern, 23. Jan. Andauernde starke Schneesälle bedrohen den Verkehr auf bei­den Seiten des St. Gotthardt.

Paris, 23. Jan. Eine Anzahl Blät­ter deuten heute die intimen Vorgänge im Hause Casimir-Periers an. Gemeint ist damit, daß er mit Frau Bürde au, einer schönen Kreolin, ein Verhältnis habe,

daß diese Frau aber nach den Anfeindung­en Augst gehabt habe, es im Elhsee fort­zusetzen, und daß Casimir deßhalb in to­taler Nervenzerrüttung zurückgetreten sei. Er soll auch mit seiner Frau unglücklich leben und jetzt vor der Scheidung stehen.

Ein Felix Faure existirte in der parlamentarischen Geschichte Frankreichs schon früher. Derselbe war mit dem jetzi­gen Präsidenten nicht verwandt und war von 1828 bis 1832 Abgeordneter. Dann wurde er zum Pair von Frankreich ernannt. Sein Nachfolger als Abgeordneter war Augustin Perier, der Bruder des Mini­sters Casimir Perier, Großonkel des Vor­gängers von Felix Faure.

Der neue Präsident FelixFaure hat 25000 Francs zu wohlthätigen Zwecken, darunter 20000 Francs für die Pariser Armen, gespendet.

Nach einer Meldung derPolit. Korresp." aus Petersburg soll demnächst ein Ausschuß mit der Ausarbeitung der Grundzüge einer neuen zeitgemäßen Preß- gesetzgebung betraut werden.

Wom ostcrfrcrtisctzen Kriegs.

Schanghai, 22. Jan. Die tele­graphische Verbindung mit Tschifu ist wieder hergestellt. Dort ist alles ruhig. Die Eingeborenen schweben in der größten Angst vor dem Einrücken der Japaner. Von englischen, amerikanischen, deutschen und französischen Kriegsschiffen sind Mann­schaften zum Schutze der Konsulate ge­landet; sie patroullicen unausgesetzt in dem europäischen Viertel. Weihaiwei dürfte von den Japanern binnen kurzem zu Land und Wasser umzingelt sein. Japanische Kavallerie besetzt die nach Süden führen­den Landstraßen. Die Landung japanischer schwerer Geschütze in der Bai von Auug- tscheng wurde am Montag noch nicht be­werkstelligt. In Aungtscheng hat der ja­panische General sein Quartier aufge­schlagen. Es verlautet, daß Tengchou vollständig in den Händen der Japaner und daß ein japanisches Armeekorps bei Kaiping gelandet sei. Das Shengtung- vorgebirge ist durch die von Jungtscheng abgesandte Truppeuabteilung geschützt. Der englische Konsul in Hanchow hat tele­graphisch um Entsendung eines Kriegs­schiffes ersucht, da die Eingeborenen eine drohende Haltung angenommen hätten.

Eingesandt.

Wildbad, 23. Jan. Die Gegner der Candidatur Bätzner können es sich nicht versagen, mit allen möglichen Ge­hässigkeiten Bätzner und seinen Anhängern zu schaden und dadurch sich selbst über die jetzt schon so glänzenden Aussichten dieser Candidatur hinwegzutäuschen. Wenn man alle Angriffsartikel gegen den Can- didaten Bätzner genau betrachtet, so muß man sich sagen, daß hohler, einfältiger und unwahrer noch nichts geschrieben worden ist; namentlich deshalb nicht, weil man Bätzner im ganzen Bezirk als das Gegen­teil von dem kennt, liebt und verehrt, was hierin seine Gegner von ihm zu behaup­ten sich erdreisten. Denken diese vielleicht durch ihr Gefasel Bätzner zu schaden? Da täuschen sie sich gewaltig! Ihr Gegner: Geht doch hinein in den mittleren tt»V