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UntersuchungshaftGenommener ist, so wünschenswert sie auch wäre, undurchführbar. Bezüglich der Bestimmungen über die Eidesabnahme stimme ich vollständig mit der Vorlage überein, dagegen bin ich mit der Ausdehnng des Kontumazialverfahrens in dem von der Vorlage beabsichtigten Umfange nicht einverstanden. Gegen die Besetzung des Vorsitzes der Strafkammern durch die Landesjustizverwaltung kann man theoretische Bedenken geltend machen; mir ist aber doch ein verantwortlicher Justizmimster lieber als ein verantwortliches Präsidium. Was die geschäftliche Behandlung der Vorlage anlangt, so halte ich ihre Verweisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern für genügend. Ich hoffe, wir werden ein brauchbares Gesetz zu Stande bringen, durch das das Strafverfahren ein gutes wird. — Abg. Grmllen- berger (Soz.): Erfreulich ist es, daß die Regierung Concessionen macht, bedauerlich sind die vielen Gegenforderungen. Redner wünscht in der Berufung die Besetzung der Collegien durch 5 Richter, die Ausdehnung des Beweisverfahrens, die Beschränkung der Befugnis zur Inhaftnahme Angeschuldigter und die weitgehendste Ausdehnung des Wiederaufnahmeverfahrens. Zm Weiteren erklärt sich Redner gegen die Geschäftsverteilung durch die Justizverwaltung und gegen die Einschränkung der Zuständigkeit der Schwurgerichte. Zum Schluß wünscht Redner die Entschädigung unschuldig Verhafteter. Abg. Werner (Ant.) bemängelt die hohen Gerichtskosten, wünscht erfahrene Richter für die Scrafrechtsprechung und die Aufklärung der Schöffen über ihre Stellung. Redner ist gegen die Einschränkung des Wiederaufnahmeverfahrens, dagegen für die unbedingte Verurteilung. Im Namen seiner Partei beantragt er die Beratung durch eineCommissiov von 28 Mitgliedern. Abg. v. Buol (Eentr.) ist gegen die Erweiterung des Wiederaufnahmeverfahrens und die Wiedereinführung der Berufung. Er will nur die Entschädigung solcher, deren Unschuld erwiesen ist. Abg. M a r q u a r d - fen (natl.) ist mit den Ausführungen des Vorredners einverstanden, er sei kein Gegner der Revision des Strafprozesses, wenn dieselbe sich nicht allein auf Preußen ausdehne. Abg. Lerno (Eentr.) und Hilpert (bayr. Buuernb.) Die Vorlage möge nur ja schnell Gesetz werden. Für Bayern sei die Bestimmung wegen Entschädigung unschuldig Verurteilter gleichgültig, da dort schon bestehend. Abg. v. Ezar- ltuski wünscht die Entschädigung unschuldig Verhafteter. Die Vorlage wird an eine 28er Kommission verwiesen.
— Die Reichstagsbaukommission hat beschlossen, aus der Vorderfront des Reichstagsgebäudes die Inschrift: „Dem Deutschen Reiche" anbringen zu lassen.
— Pretiosen im Werte von 8000 Mk. sind in Charlottenburg bei der Gräfin W. gestohlen worden. Ein zweiter Einbruchsdiebstahl wurde in der vorletzten Nacht bei einem in der Raupachstraße wohnenden Sanitätsrat ausgeführt. Die Diebe entnahmen dem Schreibtisch des Sanitätsrats 900 Mk., während das Ehepaar in der benachbarten Stube schlief.
Hamburg, 20. Jan. Der seit 24^ Jahren bei der Dynamit-Aktiengesellschaft vormals Nobel angestellt gewesene Hauptbuchhalter und Kollektiv-Prokurist Karl Zander hat der Gesellschaft einen Betrag von 750000 Mark veruntreut. Zander ist verhaftet.
Kiel, 20. Jan. Die sämtlichen Ost- uad Nordseehäsen Schleswig-Holsteins sind eisfrei; die Eider ist für Dampfer
wieder passirbar. Der Eisgang nimmt auch hier ab.
Beuthen, 21. Jan. In Tworog, Amtsgericht Tarnowitz, erschoß ein steckbrieflich verfolgter Wilddieb bei seiner Verhaftung einen Gendarmen und einen Heger. Der Mörder entfloh.
Wien, 21. Jan. Gestern Nacht wurve in Budweis von unbekannten Thätern der israelitische Tempel vollständig ausgeraubt. Die geraubten Gegenstände haben einen erheblichen Werth.
Nancy, 18. Jan. Infolge der Schneeschmelze ist plötzlich die Meurthe ausgetreten und hat die tieferliegenden Stadtviertel überschwemmt. Zahlreiche Personen mußten sich auf die Dächer ihrer Häuser retten. Abends war das Wasser wieder zurückgetreten. Der Verkehr auf den meisten Strecken und Eisenbahnen ist wieder offen.
Paris, 20. Jan. Ueber die Szenen, die sich bci Ankunft von Dreyfus in La Rochelle abspielten und die Mißhandlungen denen er ausgesetzt war, bringen die hiesigen Blätter lange Berichte. Der Pöbel durchbrach auf dem Bahnhof die Barriere, schlug Dreyfuß mit Stöcken und Fäusten und schrie: „Ins Wasser! Tod dem Berräther!" Es gelang den wenigen vorhandenen Sicherheitsmannschaften nur mit Mühe, ihn dem rasenden Pöbel zu entreißen und in den Wagen zu schaffen. Die wüthende Menge verfolgte den Wagen und zertrümmerte die Fenster mit Steinwürfen. Mehrere Blätter finden sich, die das alles mit sichtlichem Entzücken berichten.
Lissabon, 20. Jan. Durch strömende Regengüsse sind zahlreiche Ueberschwemm- ungen herbeigeführt worden. Der Tajo hat bereits eine größere Höhe als im Jahre 1876 erreicht.
Newyork, 21. Jan. Am Samstag Abend erhielt die Miliz Befehl, die bei den Wagendepots der Tramways in Brooklyn angesammelte Menge zu vertreiben. Diese warf mit Steinen und andern Gegenständen, so daß die Miliz mehrmals zum scharfen Angriff Vorgehen mußte. Es regnete Geschosse von den Dächern und von den Bögen der Hochbahn. Mehrere Mann von der Miliz und eine Anzahl Meuterer wurden verwundet. Die Casss sind geschlossen. Die Depots werden militärisch bewacht. Telegraphen- und Telefondrähte sind abgeschnitten und bilden eine Gefahr für die Fußgänger. Am Sonntag Nachmittag fand eine Zusammenkunft zwischen den Vertretern der Omnibus- und Tramway-Gesellschaften in Brooklyn und ihrer Angestellten statt. Eine Einigung kam nicht zu Stande. Die Unruhen dauern fort.
Louisville (Kentucky), 21. Jan. Der Dampfer „State of Missouri" aus Cincinnati, der nach New-Orleans ging, stieß gestern unterhalb Alton auf einen Felsen im Ohioflusse und sank nach 5 Minuten. 100 Personen sprangen in das Wasser; es verlautet, 37 davon seien ertrunken.
Auckland , 18. Jan. Ein furchtbarer Orkan hat, wie schon gemeldet, die Fidschiinseln heimgesucht. Der Sturm hat große Verheerungen zu Wasser und zu Lande angerichtet. Die Barke „Ophir," die eine Ladung Kopra an Bord hatte, ist an einem Riff bei Lebuka gescheitert und ein unbekannter Schuner ist auf der Höhe
von Taviuna untergegangen. Auch mehrere kleinere Schiffe gingen verloren. Auf den Inseln wurden viele Häuser dem Erdboden gleichgemacht. An vielen Orten wurden die Kokosnußpflanzen verwüstet. Von den 5 Kirchen in Suva, der Hauptstadt, stürzten 3 ein. Das Dach der anglikanischen Kirche wurde abgerissen. Die kathol. Kirche erhielt minder starke Beschädigungen. Auch das Zollverschlußlager wurde zerstört. Die Zuckerfabriken dagegen blieben unbeschädigt.
Wom ostasicrtischsn Kriege.
— Der Winter hindert die Japaner nicht, die Kriegsoperatiouen fortzusetzen. Während sie bei Niu-Tschwang am Nordende des Golfs von Ljao Tong den Chinesen eine neue Niederlage beibrachten, haben sie gleichzeitig im Süden der Straße von Petschili festen Fuß gefaßt, indem sie nämlich bei Schuu-Tschang, etwa 9 Stunden westlich von Wei-Hai-Wei landeten. Die gelandeten Truppen dürften zunächst gegen den befestigten Kriegshafen Wei-Hai-Wei marschiren, um diesen wichtigen Platz eben wie Port Arthur, von der Landseite anzugreifen.
Schanghai, 21. Jan. Die dritte japanische Armee von 25 000 Mann mit Kavallerie und Artillerie, ist in Schun- Tscheng gelandet. 50 japanische Transportschiffe befinden sich in der Bai. Ein vereinigter Land- und Seeangriff ans Wai-Hai-Wei steht unmittelbar bevor. Wie berichtet wird, befinden sich 11000 Chinesen in Weih-Hai-Weih, mehrere chinesische Kriegsschiffe liegen unter dem Schutze der Forts vor Anker.
Dokohama, 21. Jan. John Foster ist auf dem Dampfer „Empreß of Jndia" eingetroffen, um die chinesischen Unterhändler bei den Friedensunterhandlungen zu unterstützen.
— Die „Times" meldet aus Peking: General Wei wurde hingerichtet. — Aus Hiogo : Die Japaner schlugen eine äußerst starke Abteilung Tonhaks vollständig, töteten 300 und zerstreuten die übrigen.
London, 21. Jan. Das „Reuter'-- sche Bureau meldet aus Tschifu: 35 Transportschiffe und 15 Kriegsschiffe der Japaner trafen am >9. ds. Abends in der Bucht von Jungtsching ein. Am Morgen darauf griffen 3 japanische Schiffe die chinesischen Strandbatterien an und brachten dieselben zum Schweigen. Die Chinesen gaben den Widerstand auf. Hierauf wurden 25,000 Japaner in Jungtsching, 35 englische Meilen von Wei-Hai- Wei entfernt, gelandet. Während der Kämpfe fiel reichlich Schnee.
Der Hrästn Aache.
Von H- Waldemar.
(Fortsetzung.)
Die Gräfin erbleichte. Unfähig, auf diese Anklage zu erwidern, warf sie ihrem Stiefsohn nur einen tieferzürnten, haßerfüllten Blick zu.
„Hüte Dich, Gert," raunte sie leise, „hüte Deine Zunge, es könnte Dir leicht ebenso ergehen wie Deinem Vater, nur mit dem Unterschiede, daß Du mit offenen Augen in Dein Unglück rennst."