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getauft, eingesegnet und getraut ist, hat sich nach derElbinger Ztg." am letzten Sonntag in Elbing zugetragen, da eine sechzehnjährige Schöne zu ihrer Trauung weder Tauf- noch Einsegnungsschein vor­legen konnte. Auch die Kirchenbücher gaben nicht den nötigen Ausweis, so daß die Braut in aller Eile vor der Trau­ung noch getauft und eingesegnet werden mußte.

Gollnow in Pommern ist eine glückliche Stadt. Die Stadtverordneten haben beschlossen, jedem berechtigten Bürger, d. h. Hausbesitzer der Stadt, im nächsten Jahre 2 Stoß Holz und 6000 Stück Torf frei zu verabfolgen. Die Ursache liegt darin, daß der Stadt weit ausge­dehnte Wiesen, sowie große Wälder und Felder gehören, aus denen so reicher Ge­winn gezogen wird, daß die Bürger nicht nur von Gemeindeabgaben frei sind, sondern auch noch diese Begünstigung umsonst er­halten.

Straß bürg i. E., 19. Jan. Das Desertieren in der französischen Armee nimmt immer mehr zu. In der letzten Woche sind nicht weniger als 5 Deser­teure in Straßburg angekommen. Nach zuverlässigen Mitteilungen leben in Elsaß- Lothringen über 600 französische Deser­teure, ebensoviel sollen in Belgien und noch mehr in der Schweiz sich aushalten. In dem Dorfe Harskirchen hat sich eine zweite Hochzeit von Kanaan ereignet. Als der dortige Pfarrer in der Sylvester­nacht die Magd in den Keller sandte, nm von dem dort befindlichen Brunnen einen Eimer Wasser zu holen, brachte sie echten Rotwein zurück. Pfarrer und Frau begaben sich selbst in den Keller, richtig: Der Brunnen spendete Rotwein und setzte diese Freigebigkeit noch mehrere Tage da rauf fort. Erklärung: Der nebenanwoh­nende Weinwirt hat das Unglück gehabt, eine Daube seines großen Lagerfasses zu zertrümmern, ohne es zu bemerken, und so fließt das edle Naß dem pfarrherrlichen Brunen zu. Schaden und Spott bringt das Malheur dem Wirte genug ein.

Straßburg i. E. Die am 15. Mai beginnende Industrie- und Gewerbeausstellung für Elsaß-Lothringen, Baden und die Pfalz, welche rin lehrreiches Bild des Standes der hochentwickelten Industrie und des Gewerbes in den drei Ländern bieten wird, zeichnet sich schon äußerlich vor manchen ihres Gleichen durch die landschaftliche Schönheit des gewähl­ten Ausstellungsplatzes aus. Es ist dies ein die städtische Orangerie, den neu angelegten Stadtgarten und ein zugepachtetes Grundstück umfassendes Gelände innerhalb der Stadt. Dasselbe ist zum größten Theil bedeckt mit prächtigen Parkanlagen, wo Teiche und Hügel, Gruppen alter Bäume und Blumenbosquets abwechseln. Die Gesammtgröße beläuft sich auf 81 Hektar und übersteigt den sonst von der­artigen Ausstellungen beanspruchten Platz ganz bedeutend. Auch die Ausstellungs-Gebäude, Wirtschaften, einzelne Pavillons und vergl. Nicht mit inbegriffen, haben mit mehr wie zwei und ein halb Hektar Grundfläche eine außer­gewöhnliche Ausdehnung.

Kehl, 17. Jan. Rhein und Kinzig steigen hier rapid, bei ersterem ist eine Hochwassergefahr, da wir jetzt noch nicht einmal Normalwasserstand haben, vorerst ausgeschlossen, nicht so bei der Kinzig,

deren Wasserspiegel ist nahezu den Ufern gleich.

Aus der Schweiz. Sieben Jahre lang unschuldig im Zuchthaus gesessen hat der solothurnische Bürger Vitor Misteli von Aeschi. Auf trügerische Anzeichen und irrtümliche Aussagen hin wurde der Aermste im März 1881 schuldig erklärt, am 4. Okt. 1880 sein Haus angezündet zu haben und zu einer Zuchthausstrafe von 7 Jahren verurteilt, die er auch voll­ständig abgesessen hat. Erst vergangenen Sommer bekannte sich ein gewisser Miets- mann Mistclis, ein Taver Stampfl, der bald darauf starb, als Urheber der Brand­stiftung, worouf eine Revision des Pro­zesses folgte, die vor dem Schwurgericht in Sololothurn mit der nachträglichen Freisprechung des unschuldig Verurteilten endigte. Fürseine Entschädigungsansprüche wurde der hart geprüfte Mann an den Zivilrichter gewiesen.

Wien, 18. Jan. Die Wahl Faures macht einen vortrefflichen Eindruck. Die ganze Presse bespricht dieselbe in zustim­mender Weise. DieNeue Freie Presse" schreibt; Mit der Entscheidung des Kon­gresses sei wieder einmal der besonders kräftige Lebenstrieb des französischen Volkes zu spüren. Ueber die Wahl in Paris schreibt dieArbeiter-Zeitung," Faure sei eine Null; derselbe werde ebenso wie Perier es sich zur Aufgabe machen, den Sozialismus zu bändigen und einen Er­folg der Arbeiter gegen den Kapitalis­mus zu verhindern.

Versailles, 17. Jan. Der neue Präsident der Republik, Felix Fauer feiert in den letzten Tagen dieses Monats seinen 54. Geburtstag. Er ist ein Selfmade-l man und hat als junger Mann lange in den Gerbereien der Touraine gearbeitet. Heute ist er ein reicher Mann, Chef eines großes Handlungshauses und einer Schiffsrhederei in Havre. In Havre war er währenddes deutsch-französsischen Kriegs Kommandant der Mobilgarde. Damals ward ihm das Kreuz der Ehrenlegion zu­geteilt. Unter dem reakionären Mini­sterium Broglie wurde er von seinem Posten als Marine-Adjunktin Havre, den er inne hatte, abgerufen. Er widmete sich nun der Politik. 1876 kandidirte er zum ersten Mal. Aber erst im Jahre 1881 wählten ihn die Republikaner. Seither gehörte er ohne Unterlaß dem Parlament an und hatte einen großen Einfluß auf die Reform des Eisenbahntarifs. Er ar­beitete viel in Kommissionen, war mehr­mals Untersekretär der Kolonien, im Ka- binet Dupuh ward ihm das Portefeulle der Marine zu Teil. Man erinnert sich, daß er am 3. Jan. noch als Mitglied des Kabinets den Republikanern als der ein­zige Mann erschien, der in der Wahl um das Kammerpräsidium Brissions entgegen­zustellen wäre. Damals refüsirte er, heute hat er im Ringen um den höchsten Staats­posten Brisson geschlagen. Felix Faure ist eine hohe magere Erscheinung, schon weißhaarig, mit einem kleinen Weißen Schnurrbart. Er kleidet sich modern, und man sah ihn in der Kammer stets in ele­gantem Rock und Gamaschen. Er ist nahe verwandt mit dem höchsten Beamten des Kongostaates, und diese Verwandtschaft

Toll der französischen Republik wie dem Kongostaat schon über manche Schwierig­keit hinweggeholfen haben. Einen her­vorragenden Ruf als Redner hatte er in der Kammer nicht und zählte überhaupt bisher nicht zu den markanteren politi­schen Persönlichkeiten der dritten Repu­blik. Er ist verheiratet, hat Kinder und macht in Paris ein schönes Haus.

Die Sozialisten erklärten gestern in den Couloirs, dem Präsidenten Faure nicht so feind­lich gegenüber zu stehen wie Casimir-Perier. Sie wollen ihm jedenfalls Zeit taffen, sich am Werke zu zeigen, und erwarten versöhnende Maßnahmen, beispielsweise die Freilassung Ge« rault-Richards.

Die jetzt bekannt gewordenen offiziellen Zahlen des Stichwahlergebnisses sind: Felix Faure 430, Brisson 361 Stimmen. Die Majorität für Faure beträgt also nicht 72, sondern nur 69 Stimmen.

Paris, 19. Jan. D r Exkap tän Drey- fus wurde in aller Stille auf dem Orleans- Bahnhof in einen Zug gesetzt und nach ver Ile de Rs gebracht, wo er seine Deportation erwartet. Dreyfns war kahl geschoren und trug Sträflingskleider. Er führt die bei der Degradation abgerissenen Galans in einem Kof­fer mit sich. (Fr. I.)

Mailand, 18. Jan. Um 2 Uhr heute Nachm ttaz ließ sich beim Oberstaatsanwalt am hiesigen App-llhof Celli, ein Unbekannter melden, ver vorgelassen wurde und auf den gerade schreibenden Beamten zuschritt, dem er mit einem scharfen Messer den Hals durchschnitt. Der Tod trat sofort ein. Der Mörder, der auf der Stelle verhaftet wurde, soll angeblich der anarchistischen Partei angehören. Ernennt sich Bcllocchio. Er antwortet auf die Fragen nicht und heuchelt Irrsinn. An dem That- orte befinden sich gegenwärtig die Gerichtsbe­hörden. Die Aufregung in der Stadt ist groß.

Kopenhagen, 18. Jan. Wie hier­her gemeldet wird, hat sich der Zustand des russischen Großfürsten Georg sehr verschlimmert. Die Zarin-Witwe reist nach dem Kaukasus.

London, 18. Jan.Times" meldet aus Peking: General Wei wurde am 16. d. M. hingerichtet. Aus Hiogo: Die Japaner schlugen eine äußerst starke Ab­teilung Tonghaks vollständig, töteten 300 und zerstreuten die übrigen.Times" meldet aus Washington: Sherman brachte im Senat eine Bill ein für Abgabe 3proz. Obligationen mit 5jähriger Umlaulszeit.

London, 18. Jan. DerStandard" billigt die Wahl Faure's. Derselbe sei aber genötigt, das zu thun, was Perier hätte thun sollen, nämlich die Kammer auflösen und dasLand zu befragen.Daily Telegraph" sieht in der Wahl eine Nieder­lage der Sozialdemokraten. DieTimes" finden die Wahl ausgezeichnet.

Jokohama, 18. Jan. Nach einem Telegramm des General Nodzu vom 15. d. M. aus Kaiping befinden sich in der dortigen Umgebung 41 feindliche Regimenter. Der Kommandeur der 3. Division berichtet, daß eine feindliche Abteilung in südwestlicher Rich­tung von Urinsai vorgerückt sei. 2000 Mann befinden sich mit 5 Feldgeschützen in Karitsu Tokako.

Wie im Jahre 1871 die Deutschen bei dem Einzug in Paris, so bestehen jetzt die Japanesen auf dem Einzug in Peking. Der vom Kaiser von China nach