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Brosche als Andenken übersandt und die Frau Pastorin mit einem größeren Geldgeschenk erfreut.

Zürich, 26. Jan. lieber die Gefahren beim Tragen künstlicher Gebisse hat Professor Krönlein kürzlich in der Schweizer odontolo- gischen Gesellschaft beachtenswerte Mitteilungen gemacht. Er hat 4 Fälle beobachtet von Ver­schlucken de» Gebisses im Schlafe; einer der Fäll« endete tätlich. In einem Fall bei einer Frau von 30 Jahren, gelang die Entfernung mittelst Gräfe'schem Münzfängers. Bei zwei anderen Patientinnen war der Speisenröhren­schnitt erforderlich. Professor Krönlein hat aus der medizinischen Literatur 37 Fälle fest- gestellt, in denen jene Operation wegen ver­schluckten Gebisses gemacht wurde; 29 Per­sonen genaßen, 8 starben. Der Gelehrte schließt mit der dringenden Mahnung, die Ge­bisse beim Schlafen abzulegen und defekt ge­wordene Stücke sofort reparieren zu lasten.

Paris, 24. Jan.Gestern Früh" er­zählt derFigaro",befand sich der Anarchist Sebastien Faure auf dem Bahnhof in Mar­seille, um nach Nimes zu reisen. Bei dem Gedränge am Billetschalrer wurde ihm seine Brieftasche mit 1200 Franks gestohlen. Dies anzuzeigen wies er ab, da es seinen Grund­sätzen zuwiederlauke, gegen Jemand Beschwerde zu führen, der das Ggenthumsrecht mißver­standen habe."

Frankreich führte im Jahre 1893 für 334 Millionen Franken Ware nach Deutsch­land Ms und empfing von Deutschland Waren deren Wert ebenfalls 334 Millionen betrug.

Barcelona, 26. Jan. Im Augenblick, als der Gouverneur vor der Präfektur in einen Wagen stieg, feuerte ein Individuum einen Re­volver auf ihn ab. Der Gouverneur wurde am Kopfe verletzt. Die Aerzte erklären, daß keine Gefahr vorhanden ist.

Kairo, 27. Jan. Der Chedive ist heute Morgen zurückgekehrt und wurde von den britischen und egyyptischen Stabsoffizieren und den Ministern empfangen.

Wismar ck in Wertin.

Berlin, 26. Jan. Fürst Bismarck ist um 1 Uhr im Lehrter Bahnhof eingetroffen. Von Spandau benützte er einen Separatzug, besten Lokomotive und zwei Wagen bekränzt waren. Bei der Einfahrt stand Bismarck am Fenster, er wurde von Prinz Heinrich und den befohlenen offiziellen Personen empfangen und herzlich begrüßt. Fürst Bismarck sieht gut und heiter aus. Bor dem Bahnhofe hatten sich viele Tausende angesammelt. Beim Erscheinen Bismarcks, welcher mit Prinz Hein­rich fuhr, erschallten brausende Hoch- und Hurrahrufe, die Menge zeigte tiefste Beweg­ung. Fürst Bismarck war sichtlich ergriffen. Eine Kürassiers-Eskorte begleitete den Wagen. Bei dem Vorbeifahren wurden überall Blumen geworfen. Die brausenden Hochrufe pflanzten sich auf dem ganzen Wege bis zum Schlosse fort. Es herrscht prächtiges Wetter. Nach Ankunft des Fürsten Bismarck und dessen Empfang durch den Kaiser erfolgten auf dem Platz vor dem Schlosse andauernd sehr herz­liche und begeisterte Kundgebungen. Tausende stimmten die Lieder an:Heil dir im Sieges­kranz",die Wacht am Rhein" undDeutsch­land, Deutschland über alles". Der Kaiser, die Kaiserin und Fürst Bismarck zeigten sich wiederholt dankend und grüßend am Fenster. Die Ovationen dauern ununterbrochen an. Um 3 Uhr gaben der Reichskanzler Caprivi und hieraus alle Staatssekrtärc ihre Karten bei Bismarck ab. Sämtliche Staatsgebäude und zahlreiche Privatgebäude, auch abseits von I Len Linden, haben geflaggt. Als der Zug sich I

dem Schlöffe näherte, verließen Bismarck und. Prinz Heinrich bei Portal 5 die Galakutsche und schritten die Front der Ehren-Kompagme des 2. Garderegiments ab, welche mit Musik und Fahne erschienen war. Dann defilierte die Ehren-Kompagnie und die sie begleitenden Kürassiere. Prinz Heinrich führte sodann den Fürsten Bismarck in seine Gemächer. Drinnen empfing der Kaiser, umgeben von seinem ge­samten Hauptquartier und sämtlichen Kabinets- chefS den Fürsten. Die Begrüßung war äußerst herzlich, Bismarck sichtlich gerührt. In der Woh­nung waren anwesend auch die 3 ältesten kaiserl. Prinzen. Gegenwärtig 1^/« Uhr findet Früh­stück bei den Majestäten von drei Gedecken statt, für den Kaiser, die Kaiserin und Bis­marck. Der Kaiser trug die Uniform der schlesischen Kürassiere. Die Magdeburgischen Kürassiere, von denen eine Regimentsdeputation eingetroffen ist, stellten vor der Wohnung Bis­marcks Posten. Nach dem Frühstück begibt sich Fürst Bismarck in seine Gemächer. Der Kaiser machte einen Spazierritt. Der Kai­ser wird dem Fürsten Bismarck dringend Zure­den, länger als bis heute abend zu verweilen, mit Rücksicht auf die Anwesenheit der Bundes­fürsten, die sonst kaum mit Bismarck sprechen könnten.

Berlin, 26. Jan., abends 9 Uhr. Bei soeben erfolgter Abreise geleitete der Kaiser den Fürst Bismarck in zweispännigem Gala­wagen zum Bahnhofe und verabschiedete sich herzlichst. Der Kaiser verblieb solange auf dem Perron des Bahnhofs bis der Zug aus der Halle hinausgefahren war. Die Menschen­menge sangDeutschland, Deutschland über alles." Bismarck besuchte nachmittags die Kaiserin Friedrich. Unter den Linden hatten mehrere Gebäude illuminiert.

Friedrichsruhe, 27. Jan- Fürst Bismarck ist gestern Abend 11 Uhr in bestem Wohlsein hier eingetroffen. Der Weg vom Bahnhof bis zu seinem Schlöffe war mit Magnesiumlicht beleuchtet. Die versam­melte Menge brach in stürmische Hurrahrufe aus.

New york, 27. Jan. Der Herald meldet aus Montevideo: Die brasilischen Fö­deralisten nahmen San Juan Battista ein; die Einwohner, Ausschreitungen der Truppen befürchtend, flohen. World meldet aus San Salvador: General Ortiz, Befehlshaber der Truppen von Nicaragua, zog in die Vorstadt von Tegucicalpa ein, ein Teil der Stadt steht in Flammen.

Z)ie Wforte öes ScHwarz- wcrl'öss.

(Schluß.)

Reichlich wird der Wanderer belohnt, der auch die wasserreichen Nebelthäler besucht, so das Mohnbachthal, das Schweins­bachthal und Kollbachthal, sowie das Lau­terbachthal. In letzterem liegt, ganz zwi­schen den Bergen eingenistet, Bad Tei- nach, durch seinen Brunnenversandt und als Badeort in aller Welt bekannt. Za- velstein, die kleinste, ehemalig freie Reichs­stadt Zavelstein, der beliebteste Höhenaus- slugsort der Bewohner Stuttgarts und des ganzen mittleren Schwabenlands, mit seiner noch gut erhaltenen Burg, von de­ren Plattform man eine entzückende. Fern­sicht ins weite Schwabenland genießt, 558 Meter über dem Meere, erklettert der Wanderer in zehn Minuten. Nach­dem wir noch eine Flasche Wein auf der hübschen Veranda des Gasthauses getrunken Ihaben, treten , wir bei eintretender Däm- I merung den Rückmarsch nach Calw an,

.das nach einer Stunde erreicht wird, i Rasch führt uns von hier aus das Dampf­roß durch das in Mondlicht gebadete Nagoldthal zurück nach Pforzheim in lauer Sommernacht eine entzückende Fahrt.

Der dritte Tag ist dem Enz thal ge­widmet. Wir verlassen Pforzheim dieses Mal am Westausgang und marschieren in das Thalgelände hinaus. Gewerbe und Industrie stehen hier in hoher Blüte und auf der Enz wird Flößerei betrieben. Meist ist es Tannen- und Eichenwald, der hier den Fluß umsäumt und die Berge bedeckt. Reich an Altertümern ist die württembergische Oberamtsstadt Neuen­bürg, die sich höchst malerisch um den Schloßberg gruppiert, von dessen Höhe die Trümmer des alten Schlosses und das neue Schloß ins liebliche Thal hinab­schauen. Hinter Neuenbürg kommt thal- aufwärts die bekannte Sägemühle Rothen­bach, die ihr geschnittenes Holz bis nach Holland hin vertreibt. Eine schön ge­pflegte Landstraße verbindet hier das Enz-mit dem Alb- und Murgthal. Das rei­zend gelegene Herrenalb erreicht man von hier aus über Dobel in 2 Stunden, eben­so durch das Eyachthal den beliebten Aus­sichtspunktdie Teufelsmühle" in 4 Stun­den. Die Ortschaften Höfen und Calm­bach sind bald passiert und schon zeigen die sorgfältigen Wege und Gartenanlagen, daß wir uns Wildbad nähern, dem Schooßkinde der württembergischen Kam­mer, die schon Hunderttausende für die Verschönerung des Städtchens und seiner Umgebung bewilligt hat. Alle Nationen sind während der Badesaison hier vertre­ten, vorherrschend sind es aber Russen und Engländer, die in den wärmen Quel­len Heilung suchen und finden. Sehens­wert ist das neue Badegebäude, ein pracht­voller, im Renaissancestyl gehaltener Bau. Wildbad ist Endstation der Enzthalbahn, hier rasten wir bei den Klängen der Kur­kapelle und ziehen spät Abends wieder in Pforzheim ein.

Dutzende von herrlichen Wanderungen lassen sich noch von Pforzheim aus unter­nehmen, so auch ins Kraichgauer Hügel­land, zum Kloster Maulbronn, in lieb­liche Neckarthal, zu Schillers Geburts­stätte Marbach u. s. f. Ein norddeutscher Tourist sagte mir einst, er begreife nicht, warum so wenig Touristen diese an Na­turschönheiten überreiche Gegend besuchen, und ich kann als einzige Erklärung dafür auch uur den Mangel an zielbewußter Propaganda anführen, zu dem sich Gast­wirte und Berkehrsvereine zusammenthun müßten. Allerdings hat die Sache auch ihre Kehrseite, die wenigen Touristen finden eine äußerst billige und gute Ver­pflegung; über teuere Preise hört man hier Niemanden klagen.

Trotzdem darf die Aufgabe nicht ver­nachlässigt werden, unser herrliches Ge­birge dem großen Fremdenstrom mehr und- mehr zu erschließen, und sie wird sich reichlich lohnen, denn wer einmal den Schwarzwald gesehen, der kehrt immer wieder zu seinen Bergen zurück, von de­nen Auerbach singt:

O Schwarzwald, Dein Zauber bleibt ewig neu.

Dich lieb ich so innig, Dich lieb ich getren.

Und nahet mein Ständlein, vor Dir nur allein.

Von Dir überwölkt, will begraben ich sein.

Wo Waldvögel zwitschern in frühroten Höh'n.

O Schwarzwald, o Heimat, wie bist Du so schön.

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