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LSro. 148.

Donnerstag, 21. Dezember 1893.

29. taki'gang.

Württemberg.

Stuttgart. Die Frkf. Ztg. meldet: Die von einigen Blättern ausgestreute Nach­richt, Frhr. v. O w habe Aussicht gehabt, Minister des Innern zu werden, ist unrichtig. Dagegen erfahre ich, daß der König in erster Linie dem Staatsrat v. Moser das Porte­feuille anbot. Dieser zweifellos im Einver­ständnis mit dem Ministerpräsidenten von Mittnacht erfolgte Antrag war nicht etwa ein Akt formeller Höflichkeit sondern durchaus ernst gemeint. Moser hat abgelehnt, nicht aus irgend welcher Verstimmung, sondern weil das ihm angebotene Ressort seiner bisherigen Karriere nicht entsprach. Die hier gemeldeten That- fachen beweisen endgiltig, daß ein Konflikt zwischen Mittnacht und Moser nicht besteht.

Die Reichsschulden-Verwaltung macht imWürtt. Staats-Anzeiger" bekannt, daß in neuerer Zeit falsche Reichskassenscheine zu fünf­zig Mark zum Vorschein gekommen und an­gehalten worden sind. Sie sichert demjenigen, welcher einen Verfertiger oder wisflntlichcn Ver­breiter solcher Falschslücke zuerst ermittelt, eine nach den Umständen zu bemefsende Belohnung, bis auf eine Höhe von 3000 Mark zu.

Albert Stotz, Inhaber der bekann­ten Fabrik schmiedbarer Eisengußwaren ist gestern abend im Alter von 78 Jahren in der Klinik von Professor Liebermeister in Tübingen an Altersschwäche gestorben. Stotz war langjähriger Stuttgarter Gemeinderat und königl. niederländischer Hoflieferant. Paul Stotz, der Chef der kunstgewerblichen Werk­stätte und der berühmten Erzgießerei, ist ein Sohn des Verstorbenen.

Geislingen, 17. Dez. Gestern Nacht 11 Uhr brach im Hause des Bäckers Hofmann in Giengen Feuer aus, das, obwohl von einer Magd, die Wasser holte, im Entstehen bemerkt, so rasche Fortschritte machte, daß mit Ausnahme des Viehs nichts gerettet werden konnte. Der Gesamtschaden beträgt ca. 6000 Mark. Der Geschädigte ist versichert.

Ulm. Einem hiesigen Kaufmann war am 3. Dez. aus dem offenen, in seinem Kon­tor befindlichen Kassenschranke, das er, ohne es abzuschließen, auf kurze Zeit verlassen hatte, der Betrag von annähernd 3000 Mark ge­stohlen worden, ohne daß der Bestohlene zur Wiedererlangung des Geldes und Entdeckung des Thäters Schritte gethan hätte. Nun wur­den am 11. d. M. in St. Gallen durch die dortige Polizei 2 Burschen aufgegriffen, die sich durch unverhältnismäßig große Geldaus­gaben auffällig gemacht hatten. Bei einem der Festgenommenen, der etwa 340 Mark ber sich hatte, waren bei genauer Durchsuchung des­selben noch 500 Mark vorgrfunden worden, die in den Schuhen versteckt hatte. Em

anderer der Kumpane wurde in Fraucnfeid verhaftet; in feinem Besitz fanden sich noch etwa 900 Mark, zum Teil in den Hosen ein­genäht; derselbe gestand nun in St. Gallen, in einem Hause in Ulm, das er zum Betteln betreten, einen größeren Diebstahl ausgeführt zu haben und sodann nach Augsburg gefahren zu sein. Etwa 1700 Mark wurden so dem hiesigen Kaufmann durch d e Achtsamkeit der schweiz. Polizei gerettet.

N undscha u.

Berlin, 18. Dez. Die Wiener Deutsche Zeitung verzeichnet, laut dem B. T., das Ge­rücht von der Verlobung des Thronerben Franz Ferdinand von Este mit der Kronprin­zessin-Witwe Stephanie.

Die NeueZürich. Ztg." schreibt an­läßlich des Pariser Bombenattentals über Anarchie und Sozialdemokratie:Die anarchistischen Mordthaten haben in den An­schauungen der gebildeten Welt eine Wand­lung hervorgebracht. Als vor 10 Jahren die ersten Anarchistenmorde und Attentate statt­fanden, da forderte wohl dieser unv jener in seiner gerechten Entrüstung, der Staat möge alle Aufreizungen zu solchen Thaten und ihre Verherrlichung durch die Presse bestrafen und überhaupt gegen diese Gesellschaft schärfer auftrelen. Da wurde aber ein solcher unbe­sonnener Mann belehrt, daß man nur den wirklich unternommenen Versuch, nicht aber schon das Predigen der Verbrechen bestrafen dürfe nur dann solle der Staat einichreiten, > wenn sie im wörtlichen Sinne Hand angelegt! zur Ausführung ihrer Pläne . . . Man sagte, cs ist doch ein großer Unterschied zwischen Sozialdemokratie und Anarchie. Jene will einen neuen stark organisierten Staat aus neuer Grundlage errichten, die Anarchie ist aber ge­rade das Gegenteil vom Staate, sie will Staat und Gesellschaft auflösen. Heute ist man nicht mehr so sehr geneigt, den revolu­tionären Sozialismus als so unschuldig anzu­sehen. Die Presse aller Länder führt seit den neuesten Bombenattentaten eine schärfere Sprache auch gegen die Sozialdemokratie. Wohl ist es richtig, daß die revolutionäre Sozialdemo­kratie und die Anarchie ganz verschiedene Ziele verfolgen, daß sie in ihren Endbestrebungen vollständige Gegner sind. Um aber überhaupt ihren Zweck erreichen zu können, müssen sie ein gemeinsames Hindernis beseitigen, das ist die jetzige Staats- und Gesellschaftsordnung... Wenn man einem Arbeiter jahraus jahrein fast jeden Abend in Wort und Schrift wieder­holt, er werde vom Fabrikherrn und vom Kapitalismus ausgebeutet, der einen Teil seines Arbeitsertrages zurückbehalte, damit ein Einzelner schlemmen und prassen könne, und

er, der Arbeiter könnte ebenfalls behaglich leben, wenn die Kapitalherrschaft und die heutige Staats- und Gesellschaftsordnung zer­stört und der neue sozialdemokratische Staat mit Kollektivarbeit und womöglich auch mit kollektivem Genuß eingeführt sei, wenn solche Lehren immer und immer wiederholt werden, da wird der arme Arbeiter schließlich unge­duldig und verlangt zu wissen, wann denn endlich der Tag einer schöneren Zukunft an­brechen werde. Der sozialdemokratische Führer verspricht ihm, wie das geschehen ist, den Um­sturz in wenigen Jahren, so auf Ende des Jahrhunderts; später schiebt er denselben aus die ersten Jahre des nächsten Jahrhunderts hinaus. Der sogenannte unabhängige Sozial­demokrat oder was gleich bedeutend ist, der Anarchist, kommt nun aber zum Arbeiter und sagt ihm, jener andere Sozialistenführer sei nur ein Betrüger, der aus Kosten der Arbeiter gut leben wolle, der denselben aber nie Hilfe Hilfe bringen werde, da auf dem bisher cin- geschlagenen Wege nichts erreicht werde und namentlich die parlamentarische Arbeit keinen Erfolg habe. Nur auf dem Wege der revo­lutionären That werde der Arbeiter von seinem Elende erlöst. Nun hängt es nur von seiner sittlichen Kraft und auch von seinem Verstände ab, ob der Arbeiter zum Anarchismus über­geht oder bei der alten Sozialdemokratie bleibt. Wird er Anarchist, so hat ihn aber die sozial­demokratische Propaganda durch ihre beständi­gen Hetzereien und ihre Aufreizungen zum Klaffenhaffe dazu vorbereitet und darum darf man die sozialdemokratischen Wühlereien wohl mitverantwortlich machen für die anarchi­stischen Attentate; denn sie haben in die Seelen von Arbeitern den Keim zur Gesetzes­verachtung und Gewaltthaten gelegt und den Unterschied zwischen Gutem und Bösen ver­wischt. ... So lange der Kapitalismus re­giert, d. h. also so lange der sozialdemokra­tische Staat mit seiner Kollektivarbeit nicht eingeführt ist, wird eben das Dynamit reden müssen, sagt ein sozialistisches Blatt in Bel­gien. Und gegen solche Hetzereien in der Presse, die ebenso schlimm sind, wie die blut­dürstige Sprache der Anarchistenblätter, soll der Staat nicht emschreiten dürfen?

Leipzig, 19. Dez. (Reichsgericht.) Die beiden angeklagten franz. Offiziere Degouy und Daguet werden für schuldig befunden des ver­suchten Verbrechens gegen Z 1 des Spionage­gesetzes vom 3. Juli 1893. Degouy wurde zu 6 Jahren, Daguet zu 4 Jahren Festung verurteilt. In der Begründung wird ausge­führt: Festgestellt sei, daß die Angeklagten Spionagedienste geleistet, Aufzeichnungen und Bemerkungen von erheblicher Wichtigkeit, deren Geheimhaltung geboten sei, gemacht haben.