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währenden Schneedecke, die Staub nicht auf- kommen läßt, ein Winter, wie er auf Deutsch­lands bewaldeten Gebirgshöhen fast ausnahms­los alljährlich herrscht, ist etwas für die Ge­nesung Lungenkranker so Vorteilhaftes, daß das gegen denselben bestehende Vorurteil nur lebhaft zu bedauern ist. In den gut eingerichteten Gebirgsanstalten für Lungen­kranke würden in der Wintersaison mindestens ebenso gute Erfolge erzielt, wie im Sommer. Die Erfahrung lehrt, daß Kält- an und für sich auf eine kranke, besonders eine sickernde Lunge nur wohlthütig einwirkt. In Amerika schickt man die Schwindsüchtigen in die rauhen Aderondackgebirge, wo die Kranken in Baracken und Zelten leben, wobei sie sich unbedenklich den Schädlichkeiten des rauhen Klimas aus­setzen. Ueberraschend gute Erfolge beweisen die Richtigkeit des Prinzips.

Rundschau.

Karlruhe, 5. Dez. Der national- lieberale Abgeoronete der zweiten Kammer, Gesell-Pforzheim, hat wegen der Vorkommnisse in der Handelskammer Pforzheim sein Mandat niedergelegt,

Durlach, 4. Dez. Ein seltenes Jagd­glück hatte verflossenen Samstag Herr Pri­vatier F. Kindler von hier, indem es ihm auf seiner Jagd mit einem Kugelschuß gelang, einen schneeweisen wilden Schwan, sogenannten Singschwan, auf den Durlacher Eiswieseu zu erlegen. Derselbe, ein Prachtexemplar, wiegt 9 Kilo, mit Flugspanuweite 9 Meter 10 Ceutim., vom Schnabel bis zur Schwauz­spitze 1 Meter 70 Centimeter.

Berlin, 4. Dez. (Reichstag.) Be­ratung des Gesetzentwurfes, betr. die Abän­derung des Gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen. Pingen (Zentr.) beantragt die Ueberweisung an eine Kommision. Kruse (n.l.) wünscht eine bessere Vorbildung der Tierärzte. Die Vor­lage selbst entspreche dem praktischem Be- Bedürfnis. Conrad (Ztr.) wünscht mög­lichste Beaufsichtigung der Viehtransporte aus Rußland. - Klose (Zentr.) hält die Ent­schädigungspflicht nicht für ausgedehnt ge­nug. Für Schweine gebe es gar keine. Der preuß. Landw. Min. v. Hayden bemerkt, daß die Vorlage den Zweck habe, der Maul­und Klauenseuche erfolgreicher entgegenzutreten, als bisher. Zu diesem Zweck sollten in Zu­kunft auch die Viehändler unter größere Kon­trolle gestellt werden. Ferner werde man durch die Impfung gegen Lungenseuche Vor­gehen. Human (Zentr.) fürchtet, daß das Gesetz in manchen ländlichen Gemeinden zu große Kosten auferlege. Böckel ist der Ansicht, daß die strengen Kontrolmaßregeln die Landwirte nur erbittern, ohne zu nützen. Die Viehhändler müßten noch viel schärfer kontrolirt werden Bantleon (natl.) warnt davor, von der Vorlage allzuviel zu halten, denn auch durch Sperrmaßregeln sei eine Seuche schwer zu lokalisieren. Die Vor­lage wird einer Kommision von 21 Mitglie­dern überwiesen.

5. Dez. (Stempelsteuer.) Der bayrische Finanzminister von Riedel erklärt: Die ver­bündeten Regierungen legen das größte Ge­wicht auf die Annahme der Steuerentwürfe. Die Matrikularbeiträge überstiegen die Ueber- weiiungen jährlich um 53'/z Millionen Mark und die Reichsausgaben seien fortwährend im Wachsen. Gegen den Gedanken einer Reichs- . nkommensteuer müsse er sich ganz entschieden er­tön». Die verbündeten Regierungen hätten s vermieden, die unentbehrlichsten Lebens­

mittel als Steuerquellen heranzuziehen. Siel seien auch bestrebt gewesen, die Landwirtschaft zu schone». Weder der Quittungsstempel noch die Weinsteuer bedeute eine Belästigung des armen Mannes. Die ganze große Agitation gegen die Tabakfabriksteuer beruhe auf der Annahme, daß ein starker Rückgang des Kon­sums emtreten werde, dagegen spreche die Er­fahrung. Die Ablehnung der Steuervorlagen würde in den Einzelstaaien eine Erhöhung der direkten Steuern zur Folge haben, die gerade die schwächeren Schultern mehr belaste. Das gegenwärtige finanzielle Verhältnis zwischen dem Reich und den Einzelstaaten bedürfe un­bedingt der Abänderung, um Schwankungen des Etats zu beseitigen. Er schloß mit der Erklärung, der Bundesrat rechne auf die Zu­stimmung des hohen Hauses, durch welche dem ganzen Volke ein Dienst erwiesen werde. Richter spricht sich gegen obige Steuervoischläge aus. Staatssekretär v. Posadowsky er­klärt alle Befürchtungen bezüglich der Wirkung der Börsensteuer hätten sich unrichtig erwiesen. Allerdings dürfe die Börsensteuer nicht allzu­hoch bemessen werden.

Graf Kanitz (kons.) bittet, nicht zu ver­gessen, daß es sich nicht nur um die Deckung der Kosten der Militärvorlage, sondern auch um die Zollausfälle durch d:e neuen Handels­verträge handle. Die neue Böcsensteuer sei durchaus gerechtfertigt, sie enthalte sogar Er­leichterungen, mit denen seine Partei nicht einverstanden ist. Der Quittungsstempel müsse progressiv gestaltet werden, ebenso Check und Stempel auf Giroanweisungen, wenn dieselben Erträge bringen sollten. Frhr. von Buol (Ztr.) bedauert, daß die reinen Differenzge- schäste nicht höher besteuert und empfiehlt Er­höhung des Lotteriestempels und verwirft die Quittungssteuer. Singer (Soz.): Die allein richtige Steuer sei die Einkommensteuer. Die Sozialdemokraten stimmen gegen die Börsen­steuer, weil deren Ertrag für Deckung der Kosten der Militärvorlage bestimmt iei. An sich verdiene die Börsensteuer den Vorzug vor den anderen Steuervorlagen. Gamp (Reichs­partei) wünscht, daß den Obligationen aus­ländischer Unternehmungen der Zutritt zu deutschen Börsen erschwert werde, rechtfertigt die Besteuerung der Termingeschäfte, befürchtet, daß durch die Quittungssteuer der Mittelstand ungerecht belastet werde, regt die Erhöhung der Minimalgrenze für Erhebung der Quittungs­steuer an und mißbilligt, daß auch die höchsten Beamten vom Quittungsstempel befreit seien. Finanzminister Miq uel spricht sich gegen die Aufhebung der sogenannten Liebesgabe an die Brenner aus. lieber die Einzelheiten der Stempel­steuer werde die Kommission Klarheit schaffen.

Berlin, 6. Dez. Die Handelsvertrags­kommission des Reichstags nahm den rumä­nischen Handelsvertrag mit 12 gegen 8 St., den serbischen mit 13 gegen 7 St. an.

Die Budgetkommission des Reichstags nahm das erweiterte Jnvalidengesetz wesentlich unverändert an.

Nach der Beendigung der 3. Lesung der Handelsverträge wird sich der Reichstag am 15. Dez. vertagen. Tabak- und Wein- steuer kommen erst im Januar zur Beratung.

Das Schicksal der Reichsfinanzreform unterzieht derHamb. Korr." in einem Leit­artikel einer Betrachtung. In derselben ist die Ansicht ausgesprochen, daß wohl die Börsen­steuer Annahme im Reichstage finden werde, dann aber heißt es: Schon sehr viel unsicherer ist das Schicksal der Tabakfabrikatsteuer. Aus der Etatsdebatte war zu ersehen, daß die Ab­neigung gegen diesen Steuermodus, sogar bis

tief in die Reihen derjenigen Abgeordneten geht, die sonst grundsätzlich einer durchgreifen­den Fmanzreform geneigt sind. Der Wider-

teressenten, Händ- taucher ist ein sehr auch manche lieber- un die Ex stenz oder ur. entsprungen, mit ist doch nicht zu ver- sitlla eiu gut Teil

stand aus den Kreise ler, Fabrikat scharfer und treibung, der einer gereizte, untergelaill-n kennen, .ß .

Berechtigung innewoynl

(Zur Weinsteuer.) DerStraßb. Post" schreibt ein Korrespondent aus Berlin: »Ich glaube, daß Sie Ihre Weinbauern be­ruhigen können, denn diesmal wird das Steu­ergespenst noch an Ihnen vorüber gehen. Bis­her hat dieser Miquel'sche Entwurf eigentlich bei keiner Bartei Gegenliebe gesunden und allem Anschein uach n»rd er sehr bald den Weg alles Fleisches gehen, ohne daß ihm viel Thränen nachaeweint werden dürften. Es ist das wohl aus dem ganzen Steuerbouquet diejenige Vorlage, die Ihren näheren Lands­leuten als die unannehmbarste erscheint und sie können sich daher freuen, diesmal noch mit der Angst davongekommen zu sem.

London, 1. Dez. Die Influenza lich­tet die Rechen der Parlamentsabgeordneten wieder bedeutend. In Liverpool tritt die In­fluenza in bösartiger, epidemischer Form auf. Sie wirft sich sofort auf d,e Lungen, während sie sonst gewöhnlich nur Nase, Mund und Augen ergreift.

L o k cr L e s.

Wildbad, 7. Dez. Gestern Abend 6 Uhr ist in Stuttgart Staatsminister des Innern v. Schmid, der verdiente Ehren­bürger unserer Stadt, einer kurzen, schweren Krankheit erlegen. In voller Mannes­kraft stand der Verstorbene noch vor we­nigen Tagen mitten in der Arbeit seines beruflichen Wirkens, dem nun ein so jäher Abschluß gesetzt ist. Sechs Jahre stand derselbe an der Spitze des Departements in einem verantwortungsvollen Berufe, auf dem er seine bedeutende Arbeitskraft, seine Energie, wie in den parlamentarischen Verhandlungen seine Rednergabe bethä- tigte. Im vorigen Jahre wurde dem Ver­ewigten in Anerkennung der warmen und erfolgreiche,. . nretung der Interessen unserer Badestadt, anläßlich der Bewillig­ung der Mittel zur Erbauung des König- Karls-Bades, das Ehrenbürgerrecht ver­liehen. Uns Wildbadern wird der Ver­storbene durch seine Fürsorge für das Wohl und die gedeihliche Zukunft unserer Stadt in stetem Gedächtnis bleiben.

An den nächsten drei Sonntagen dürfen die Läden morgens von 79 Ühr und von vormittags 11 bis abends 6 Uhr offen gehalten werden.

Ber misch tes.

München. Nachdem erst kürzlich die Hochzeit der Zweitältesten Tochter des Pinzen Leopold, Prinzessin Augusta, mit dem österreich. Erzherzog Joseph August sich vollzog und in prunkvoller Weise mit allen einem Mitglied des Königs, bezw. Kaiserhauses zukommenden Ehren vor sich ging, kommt jetzt die Meldung von der ganz im Stillen vollzogenen Ver­mählung der erstgeborenen Tochter des Prin­zen Leopold, der 19jährigen Prinzessin Elisa­beth, mit dem Lieutenant ves Jnf.-Leib-Regts. Frhrn. Otto v. Seefried auf Butterheim. Schon längere Zeit bildete in hiesigen gesell-