schrecklichen Leiden. Es ist ja kein Zweifel darüber, daß er durch eigene Schuld den Tod gefunden hat, allein was Kühnle gethan hat, geschieht fast täglich, und es ist nur zu verwundern,udaß nicht schon früher ein Unglück geschehen ist. Ein Schienenstrang der Hess. Ludwigsbahn, die sog. Verbindung zwischen Ost- und Hauptbahnhof führt dort neben der Straße her und muß von denen überschritten werden, die über den Eisernen Steg wollten. Gerade dieser Uebergang wird aber häufig durch die Güterzüge versperrt, und da es oft lange Zeit dauert, bis diese sich vom Flecke rühren, so sieht man vielfach Personen zwischen den Wagen durchkrischen. Nicht nut Unrecht fordern jetzt die Zeitungen, daß Vorkehrungen getroffen werden, die derartige Un- glücksfälle in Zukunft verhindern.
Nürnberg, 5. Dez. Das hiesige Schwurgericht hat den Oekonomen Konrad Eisenmeier von Haag, der seine Schwägerin erschoß und seinen Schwager erschießen wollte, zum Tode verurteilt.
Berlin, 2. Dez. Das Schwurgericht verurteilte Hugo Löwy wegen betrügerischen Bankerotts zu 4 Jahren 9 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der bereits früher verhängten Strafe von 2 Jahr d Monaten und zu 5 Jahren Ehrverlust, ferner Ehrlich zu 1 Jahr 3 Monaten und Arnauld zu 1 Monat Gefängnis. Frau Löwy und Lewin wurden freigesprochen.
B erliu, 2. Dez. (Reichstag.) Jnva- lidengesetznovelle. Kropatfchek (kons.) beantragt Kommissionsberatnng zur Prüfung der Einzelnheiten. Die Summe für die bayr. Invaliden erscheine unveihältnismäßig hoch. Der bayr. Bevollmächtigte Haag kon- statirt, daß Bayern aus eigenen Mittel» noch 80000 Mk. für die Invaliden ausgebe, Fritze» (Zentr.) wünscht beschleunigte Beratung der Vorlage, v. Schöning (kons.) und Pieschel (nat.-lib.) bemängeln einzelne Bestimmungen der Vorlage. Herbert (Soz.) hofft, daß die Peiistonen' nicht nach der politischen Gesinnung verteilt werden. Bocket (Antis.) hält die Pensionen für zu gering. Generallieut. Spitz sagt die eingehende Erörterung der geäußerten Wünsche in der Kommission zu. Die Vorlage wird an die Budgetkommission überwiesen. — Es folgt die Beratung der Zollverordnung gegen Rußland. Möller (nat.-lib.) wünscht, daß der Zollkrieg, der beiderseits Wunden schlage, bald beendet werde, sowie daß der Zuschlagszoll für Lieferungen znrückgewährt werde, die bona 6äs vor Verkündigung der Zollverordnung kontrahirt waren, aber nicht mehr rechtzeitig über die Grenze expedirt werden konnten. Rickert (freis. Ver.) bedauert, daß die deutschen Interessenten, die in letzterer Angelegenheit petitionirten, nicht einmal eine Antwort vom Bundesrat erhielte». Staatssekretär Graf Posadowsky zeigt die Geneigtheit des Bundesrats zu Zollnachlässen für doua liäs kontrahirte Lieferungen zu, sowie für solche, die wegen niedrige» Wasserstandes oder sonstiger vis wajor die,Grenze nicht zeitig passieren konnte». Schatzsekretär Graf Po fad o wsky verweist in dieser Beziehung auf den Memeler Holzhandel, v. Hermann (Zentrum) schließt sich den Ausführungen Möllers an. Schönlank (Soz.- Demokrat) erklärt, die Sozialdemokraten stimmen gegen die Zollverorduungen wegen Verteuerung der Lebensmittel. Nach einer kurzen Bemerkung des Grafen Kanitz-So- lisch (kons) schließt die 1. Lesung. Sodann wird der Handelsvertrag mit Columbien i» erster und zweiter Lesung angenommen. Das Uebereinkommen mit Serbien betreffend den
Muster- und Markenschutz wird der Handels- vertragskommisfion überwiesen. Nach Annahme des Zusatzprotokolls zu dem internationalen Vertrag betreffend den Branntweinhandel auf der Nordsee vertagt sich das Haus. Tagesordnung: Unterstützungswohnsitznovelle und kleinere Vorlage».
Berlin, 4. Dez. (Reichstag.) Novelle zum Unterstützungswohnsitz. Greiß (Ztr.) befürwortet, daß die von den Gememden unterstützten Personen in besonderen Anstalten beschäftigt werden. Brüh ne (Soz.) hält eine Abänderung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung für wichtiger als diese Vorlage. Er wünscht die Ausdehnung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz auf Bayern und Elsaß Lothringen, welchem Wunsche Os an (nat.lib.) sich anschließt. Staatssekretär von Bötticher erklärt, die Ausdehnung auf Elsaß-Lothringen, werde sich ermöglichen lassen, sobald in Elsaß-Lothringen die Verwaltungs- Organisation und die Steuerreform beendet seien. Bezüglich Bayerns komme das Resec- vatrecht in Frage. Man möge zunächst die zunehmende Wirksamkeit der sozialpolitischen Gesetze abwarten. Holleufer (kons.) erklärt sich mit der Vorlage im wesentlichen einverstanden. — Böcke! (Antis.) tritt für die Vorlage ein und begrüßt >n derselben eine Entlastung der ländlicben Gemeinden. — Gamp (Reichsp.) empfiehlt die Bestimmung, daß nach einem Alter von 60 Jahren kein neuer Unterstützungswohnsitz erworben werden könne und daß dre Altersgrenze für den Erwerb desUnterstützungswohnsitzes auf 16 Jahre herabgesetzt werden möge. — Staatssekretär v. Boetticher spricht sich gegen die Einführung der von dem Vorredner genannte» Altersgrenzen aus, da die Gefahr nahe liege daß die Stadtgemeinden bestrebt sein würden, solche Leute, welche sich obiger Altersgrenze nähern, abzuschieben. — Schröder (Freis. Ver.) hält die Komm.- Beratung für überflüssig ; ebenso Marquardsen (nat. Ob.) — Winterer (Elf.) widerspricht der Ausdehnung auf Els.-Lothr.; — Schädler (Z ntr.) der auf Bayern, wo man mit dem bayrischen Heimatgesetz ganz zufrieden sei. —
Freiherr von Gültlingen (Reichsp): Es ist ein Irrtum, daß die Vorlage im vorigen Reichstag auf allen Seiten Anklang gefunden hat. Der verstorbene Frhr. v. Hornstein hat lebhaften Widerspruch dagegen erhoben. Die Vorlage bringt manche Verbesserungen, aber sie werden alle aufgehoben durch die Handhabung der Altersgrenze für die Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes. Diese Handhabung widerspricht den Anschauungen Süddeutschlands schnurstracks und vermehrt die Zahl der Landarmen erheblich, denn um das 18. Lebensjahr herum befinden sich die jungen Leute vielfach auf der Wanderschaft, sie halten sich nirgends so lange auf, um einen neuen Unterstützungwohnsitz zu erwerben, verlieren aber ihren ursprünglichen Unlerstützungswohnsitz durch mehr als zweijährige Abwesenheit. Wer auf diese Weise vom Gesetz für wirtschaftlich selbständig erklärt wird, wird auch anderweitig als selbständig erscheinen wollen und sich nicht mehr um die Familie und deren Autorität kümmern. Für die Süddeutschen ist das Gesetz unannehmbar. M olkenbuh r (Soz.) erklärt die Strafbestimmungen für unannehmbar. Der Gesetzentwurf geht schließlich an eine Kommission von 21 Mitgliedern.
— Der Kaiser hielt bei der großen Parade in Hannover eine eindringliche Ansprache an die zur Reitschule kommandierten Offiziere, worin auch die Vorgänge bei dem Spieler Prozeß zur Sprache gekommen sind.
Berlin, 2. Dez. Zur Annahme des Jesuitenantrags meint die „Nationalzeitung", vorläufig sei nicht zu be orge», daß der Antrag seinen Zweck erreiche. Die „Vossische Zeitung" glaubt, d-ß die Rückkehr der Jesuiten als letzter Schritt auf dem Wege nach Canossa angesehen und eine Ausregung und Zwietracht entfesselt werde, die hinter der Bewegung um das Volksschulgesetz in Preußen nicht zurückbleibe.
— Die „N. Z. Z." schreibt u. A. über die Annahme des Jesuitengesetzes: Wir glauben nicht, daß durch den Wiedereinzug der Jesuiten in Deutschland dem Reiche eine unmittelbare Gefahr entstehen würde. Das deutsche Reich und das Volk werden sogar stark genug sein, um auch die konfessionellen Wühlereien und Hetzereien der Jesuiten zu überwinden, ebenso w e schließlich ein gesunder Mensch eine Portion Gift in sich aufnehmen kann, ohne daß er immer daran zu Grunde gehen muß. Aber fragen wir: Wozu soll ein Mensch Gift zu sich nehmen, das ihn, wenn es ihn auch nicht gerade tötet, doch schwächt und krank macht ? Und wozu soll das deutsche Reich die Jesuiten wieder zulaffen, die es auch nicht zu Grunde richten, die aber doch den konfessionellen Frieden stören und die ihr altes Treiben wieder beginnen werden, welches nun einmal unabänderlich gegen den Protestantismus und jegliche religiöse Freiheit gerichtet ist?
— Bei der Abstimmung über den Jesuitenantrag in der Reichstagssitzung vom 1. Dez. fehlten 31 Kowervative, 7 Volksparteiler (6 Württembergs!:) und 6 Antisemiten, also von diesen Parteien 50—60 Proz., von den anderen Fraktionen fehlten nur etwa 10 Proz.
Berlin. Den Schneeschuhen hat auch die Militärbehörde ihre Aufmerksamkeit zugewendet, um im Hinblick auf die Möglichkeit eines im Osten zu führenden Kriegs auch in di-ser Beziehung für die Schneefelder Rußlands gerüstet zu sein. Wal sie dort von großem Nutzen für den Nachrichtendienst wären, haben bereits mehrfache militärische Uebuagen mit Schneeschuhen stattgefundeu. Man hielt sich übrigens bei diesen Hebungen nur an bereits gegebene militärische Vorbilder, da sowohl im norwegischen und russischen Heere wie bei der Miliz der kanadischen Kolonien Mannschaften mit diesen Schuhen ausgebildet sind und in Norwegen ganze Abteilungen aus Schneeschuhläufern bestehen.
Zürn GifenbaHn-Ungluck in WaiLanö.
Mailand, 2. Dez. Die Linie Mailand Treviglio wurde heute frei. Die Zahl der Opfer ist noch nicht zu bestimmen, da viele ganz zu Asche verbrannt sind. Sicher ist, daß der Wagen 3. Klasse 47 Personen enthielt, von denen nachweisbar nur 3 gerettet worden sind. Alle übrigen kamen in den Flammen vor Aller Augen ohne Möglichkeit einer Hilfeleistung um. In der 1. KI. fanden den Tod 5 oder 9 andere Reisende und vier Beamte. Haarsträubende Einzelheiten werden berichtet. Die brennenden Waggons sind völlig zerstört worden. Erst morgens um 4 Uhr erlosch der Brand. Die Unglücksstätte bedeckte einen Haufen von verkohlten Trümmern, Leichen und Gliedmaßen. Vier Waggons wuideu förmlich in einander gekeilt. Mehrere Lebende liegen noch unter den Trümmern. Als der Schlafwagen in Brand geraten war, versuchte u. a. ein deutscher Reisender mit der Kraft der Verzweiflung durch das Fenster des Waggons sich in Sicherheit zu bringen. Dem Unglücklichen waren aber beide Beine eingeklemmt;