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ürchten. v. Manteufel (kons.) erklärt namens seiner Partei, daß dieselbe stets bereit gewesen sei, den sog. Kulturkampf zu beseitigen und den konfessionellen Frieden zu fördern. Seine Partei habe aber niemals in dem Jesuitengesetz ein solches Kulturkampfgesetz erkannt, La ja in manchen deutschen Staaten ähnliche Gesetze bereits länger bestanden. Andererseits würde die Aufhebung des Gesetzes unter den augenblicklichen Verhältnissen der Erhaltung des konfessionellen Friedens nicht förderlich sein. Seine Partei werde mit wenigen Ausnahmen gegen den Antrag stimmen. (Unruhe im Zentrum.) Mirbach (Reichsp.) erklärt, die Grundsätze des Jesuiten- Ordcns seien mit den Grundsätzen des modernen Staates schwer vereinbar. Die Jesuiten schädigen das friedliche Zusammenwohnen der verschiedenen christlichen Konfessionen. Bei allem Entgegenkommen gegen berechtigte Wünsche der katholischen Mitbürger müsse seine Partei der Aufhebung des Jesuitengesetzes widersprechen. Seine Partei habe zu dem Bundesrat volles Vertrauen, daß er durch keinerlei Nebenrücksichten sich bestimmen lassen werde, der Zulassung des Jesuitenordens welche in den weitesten Kreisen tief beunruhigen würde, zuzustimmen. Die Protestanten wollen init ihren katholischen Mitbürgern in Frieden leben. Sie verlangen aber die Achtung vor ihrem Glauben, welche der Jesuitenorden nicht habe. Seine Zulassung würde zur Verschärfung der konfessionellen Gegensätze führen, v. Marquardsen (nat.lib.) erklärt namens seiner Partei, die Niederlassung des Jesuitenordens in den Bundesstaaten mit gemischter Bevölkerung könne nicht empfohlen werden. Seine Partei lehne daher im Interesse des konfessionellen Friedens den Antag ab. v. Hol- leufer (kons.) erklärt: Eine Anzahl seiner Parteigenossen enthalte sich mit Rücksicht auf die Stimmung ihrer Wahlkreise der Abstimmung. Lotze (Antisemit) sagt, die Reformpartei überlaste ihren Mitgliedern nach eigenem Ermessen zu stimmen. S chröd er (freis. Vereinigung) bestreitet, daß das Jesuitengesetz ein Kulturkampfgesetz sei. Daß die Jesuiten für die kath Kirche unumgänglich notwendig seien, könne Niemand behaupten; habe doch selbst ein Papst die Meinung gehabt, daß der Jesuitenorden schädlich sei. Der Orden sehe seine besondere Aufga be in der Bekämpfung des Protestantismus und in der Vernichtung der selbstständigen bürgerlichen Persönlichkeit. Er stehe, wie die Sozialdemokratie, dem Staate mit völliger, internationalerGleichgiltigkit gegenüber. Lieber (Z ) betont vas Jesuitengesetz sei eines der blutigsten Kulturkampfgesetze. Die Jesuiten seien für die katholische Kirche notwendig. Dre Katholiken bekämpfen den Protestantismus, aber nicht diejenigen, welche in ehrlicher Ueberzeugung daran festhaltcn. Wenn die Kurie rüsten- oder franzosenfreundliche Politik tereiben wollte, so erstrecke sich die Unfehlbarkeit nicht auf die Erfüllung von politischen Pflichten der deutschen Katholiken. Dieselben werden festhalten an ihrem bisherigen Verhalten treu zu Kaiser und Reich, »oll Hingebung für das Vaterland. Blos (Soz.) und Frhr. v. Hodenberg (wild) erklären sich sür den Antrag, weil sie gegen alle Ausnahmegesetze seien. Desgleichen erklären Radziwill (Pole) und Richter (freis. Volksp.), ihre Parteien stimmten gegen alle Ausnahmegesetze und würden dem Anträge zustimmcn.
Berlin, 1. Dez. Der Reichstag nahm in zweiter Lesung den An (rag Hompesch aufAufhebung desJesui- tengesetzes mit 173 gegen 136 St. an.
! — Obwohl der Annahme des Zentrums
antrags auf Aufhebung des Jesuilengesetzes >m Hinblick auf die ablehnende Haltung des BundesralS und der nach Aufhebung des Reichsgesetzes noch fortbestehenden beschränkenden Landesgesetze über die Zulassung der Orden eine praktische Bedeutung nicht zuerkanntwerden kann, so ist es doch tief bedauerlich, wenn die Reichstagsabgeordneten die Volksseele so wenig verstehen, daß ihrer nicht weniger als 88 fehlten, bei einer Verhandlung, an der das ganze Volk lebhaftesten Anteil nahm. So allein war es möglich, daß, da das Zentrum alle Freunde seines Antrags Mann für Mann herbeigeschafft hatte, angesichts der verhältnismäßig schwachen Beteiligung seitens der Gegner des Antrags eine Mehrheit für denselben von 37 Stimmen herausgebracht wurde. Wären die 88 fehlenden Abgeordneten zur Stelle gewesen, das Bild hätte ein wesentlich anderes Aussehen bekommen.
Berlin, 2 Dez. Die Handelsver- tragskomuiissioii stimmte mit 15 gegen 6 Stimmen dem Handelsvert:ag mit Spanien zu. Vorher wurde ein Antrag der Reichs- Partei, den Vertrag nur auf 3 Jahre zu bewillige», abgelehnt.
Köln, 2. Dez. Die „Kölnische Ztg." meldet aus Sofia, daß der bulgarische Offizier Iwanow wegen eines Mordanschlags gegen den Fürsten Ferdinand verhaftet wurde. Der Anschlag wurde durch Zufall zwei Tage vor der Ankunft der Leiche des Grafen Hartenau entdeckt Iwanow ergriff die Flucht, wurde jedoch eingeholt und legte ein vollständiges Geständnis ab. Auch mehrere des Anarchismus verdächtige Studenten wurden verhaftet.
— Im französischen Senat konstatierte, der Berichterstatter Boulanger, Frankreichs Schuld nähere sich demBetrage von 32 Milliarden. Das ist ein größerer Betrag als die vereinigten Schulden des Dreibundes.
— Wie der Triefter „Piccolo" meldet, hat sich im ..Hotel Windsor" zu Monte-Carlo ein junges französisches Ehepaar durch Kohlen-! gas getötet nachdem dasselbe in den Spielsälen 300 000 Franken verloren hatte.
Newpork, 1. Dez, Die „World" und der „Newport Herald" bestätigen, daß die Aufständischen in Rio Grande do Sul den General Jsidoro gefangen genommen haben. Die gelieferte Schlacht habe den ganzen Montag und Dienstag gedauert. Die Zahl der Toten werde auf 400 geschätzt. Die Aufständischen machten 1000 Gefangene und belagerten jetzt Bage.
Vermis chtes.
— Eine Angelegenheit, die seiner Zeit in Oberbaden viel Aufsehen erregte, ist nunmehr von dem Reichsgericht zu endgültigem Eutscheid gekommen. Wir entnehmen darüber der „Frankfurter Ztg.:" Der Verleger Hermann Poppen zu Freiburg in Baden unterhielt mit einer Elsässerin, Karoline Bertsch, ein intimes Liebesverhältnis. Als die Niederkunft der Bertsch nahe bevorstand, gab er sie in Colmar in Pension, und nach der Entbindung versprach er ihr, für alle Zeiten sür daS Kind zu sorgen, das mit beiderseitigem Einverständnis einer gebildeten Familie in Colmar i» Pflege gegeben wurde; einige Monate lang bezahlte Poppen auch für das Kind die volle Pension, aber sehr bald wurde dies ihm lästig und zu kostspielig. Indem er der Mutter vorgab, daß er das Kind in eine bessere Pension bringen wolle, holte er es von Colmar ab und schickte seinen Schwager mit demselben nach dem mit
Findelhäusern reichlich versehenen Paris, um bas Kind i» einem Findelhause unterzubringen, was demselben aber wegen Mangels au Ausweispapieren nicht gelang. Da wählte er den bequemsten Weg, um das Kind los zu werden; er setzte es auf eine Nebenstraße von Paris. Dort wurde es gefunden; nian brachte es in das Fiudelhaus und gab ihm einen französischen Name». Der Mutter des Kindes hat Poppen jede Aufklärung über dessen Verbleib verweigert. Poppen wurde angeklagt, eine minderjährige Person durch List ihrer Mutter entzogen und den Personenstand des Kindes vorsätzlich nicht nur unterdrückt, sondern geradezu gefälscht zu haben, indem er es ohne jeden Ausweis »ach Paris gesandt und unter einem anderen, französischen Namen in das gesetzlich anerkannte, dem amtlichen gleichsiehenden Personenstandsregister des Findelhauses habe ein- tragen lassen (Z§ 225 und 169 des St -G.-B.) und wegen beider Vergehen vom Landgericht zu Freiburg zu einer Gesamtstrafe von 8 Monaten Gefängnis verurteilt. In seiner vor 8 Tagen zur Kenntnis des Reichsgerichts gelangten Revision machte iiuii der Angeklagte geltend, daß das französische Recht, in dessen Gellungsgebiete das uneheliche Kind gebo>en sei, die Karoline Bertsch gar nicht als Mutter anerkenne, daß er mithin von der ersten Anklage frelzusprechen sei. Das Reichsgericht vertagte die Sache, erkannte aber heute aus Verwerfung der Revision, weil für das deutsche Reichsstrafrecht die Mutterschaft der Karoline Bertsch feststehe und durch das Personenstandsregister erwiesen sei. Daraus, daß das französiicke Ziviirecht keine Mutter des uneheliche» Kindes kenne, folge noch nicht, das auch für das deutsche Strafrecht tue Mutter und ihre Rechte und Pflichten nicht in Betracht kommen dürften.
— Aus einem Studentenbrief. . . . Ich bitte Dich, lieber Onkel, gieb mir recht bald wieder Nachricht, und wärs auch nur so viel, alr auf dem Coupon einer Post-Anweisung Platz hat. . . .
— In der Weinkneipe. „Nun, wie schmeckt Ihnen dieser Rheinwein, famoses Weinchen, wie?" — Gast: Nicht übel, nur meine ich, es wäre ein bischen viel Rhein drin."
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