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Uro. 14-l..
Dienstag, 5.
Dezember
1863.
29. tskl-gang.
Württemberg.
Stuttgart, 2. Dez. Die Schärfe, mit welcher von Seiten der deutschen Partei gegen die Reichswein st euer vorgegangen wird, erregt hier allgemeine Befriedigung. Auf Veranlassung unseres Reichstagsabgeordnetcn Gustav Siegle, welcher dem Gemeinderat gegenüber erklärte, er stehe vollkommen auf dem Boden der von demselben gegen die Weinsteuer gerichteten Petition, ist heute ein Flugblatt erschienen, das eine ganz ungewöhnlich scharfe Tonart anschlägt. Es wird u. a. darin gesagt: Die neue Weinsteucr betrage das 1^/s fache des alten Zehnten und dabei soll das Volk ruhig bleiben? Welche Laufereien, Schimpfereien, Schreibereien werde es geben, bis die Wein- und Kellerschnüsfller befriedigt wären? Und dieses Schauspiel, diese Aufregung aller Gemüter, würde sich Jahr für Jahr wiederholen. Und diese Auftritte sollten zum Nutzen des deutschen Reiches sein? Man Vermehre nur gleich die Landjäger und die Gerichte, denn der Majestälsbeleidigungen wäre keine Ende. Wie kann man auch auf ein Objekt, das so großen Schwankungen unterworfen ist wie der Wein, eine Reichssteuer gründen, für welche doch in einer Etatswirtschaft die erste Bedingung, die Sicherheit des Ertrags, ist? Gestern hat die deutsche Partei eine Volksversammlung in Sachen der Weinsteuer abhallen.
Stuttgart, 1. Dez. Die Beleidigungsklage des Grafen v. Scheler gegen „Beob." und „Tagwacht" findet, wie es scheint, ihre Erledigung durch eine öffentliche Entschuldigung der Beklagten. Beobachter und Tagwacht schreiben gleichlautend: Nach Kenntnisnahme der angestelllen Ermittelungen und der vorliegenden Akten haben wir unS . . . überzeugt, daß die Annahme eines Betrugsversuchs von Seiten des Herrn Grafen v. Scheler vollständig ausgeschlossen ist. Ferner ist eine Reihe von Fällen nachgewiesen worden, in welcher die K. Generaldirektion teils aus Ansuchen der Beteiligten, teils von sich aus von einer Strafverfolgung und Beamtenbeleidigung abgesehen hat. Wir zögern daher nicht, die an die hervorgehobenen thatsächlichen Jrrtümer geknüpften Schlußfolgerungen mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückzunehmen.
— Der Martikvlarbeitrag Württembergs für 1894—95 ist auf 18,974,360 Mark festgesetzt und weist demnach eine Steigerung von ca. 2 , 400,000 Mk. auf.
Ludwigsburg, 2. Dez. In den letzten Tagen sind in der hiesigen Garnison einige Fälle von Genickstarre vorgekommen. 2 Soldaten, ein Angehöriger des Ulanen- Regiments und ein Infanterist sind gestorben.
Weil i. D-, 1. Dez. Heute wurde im Föhrichswald hier Hofjagd gehalten, an der
sich etwa 20 Schützen beteiligten. Obwohl das anhaltend neblige Wetter ver Jagd nicht sehr günstig -war, konnten doch 3 Rehböcke, 2 Fasanen, 1 Raubvogel und 100 Hasen zur Strecke gebracht werden.
Vom Schwarzwald, 38. Nov. Wie im vorigen Jahr, so sind auf dem Schwarzwald auch Heuer wieder größere Bestellungen in Tannenzapfen gemacht worden und es hat ein Händler allein die Lieferung von 1000 Zentnern übernommen. Dieselben kommen nach Bayern, wo, wie wir hören, aus den entsamten Früchten Lohe zum Gerben bereitet wird. Für das Sammeln wird Heuer pro Zentner nur eine Mark bezahlt, gegen 2 Alk. 60 Pfg. im vorigen Jahr. Da jedoch die Tannenzapfen sich Heuer, wie alle Baumfrüchte in Menge vorfinden und ein Mann täglich ietwa 3 Zentner zusammenbringt, so ist das Sammeln derselben, wenn auch eine gefährliche doch noch eine lohnende Arbeit.
Ulm. 25 000 Mark beträgt die Unterbilanz des flüchtigen Kommissionärs Neuburger. Es sind viele Wechselreitereien der schlimmsten Art aufgedeckt worden, so war ein Bauer dem Moses Neuburger 3000 Mk. schuldig; letzterer wußte den Landman daranzukriegen, 5 Blanko-Wechsel zu unterschreiben, die er mit 23 000 Mk. statt mit 3000 ausfüllte und weitergab. Der Bauer muß zahlen und ist ruiniert, ähnlich ging es der Zementfabrik Wolf in Allmendingen und vielen andern. Neuburger arbeitete in Verbindung mit einem gewissen Blumenthal, den er ebenfalls um 12 000 Mk brachte.
Rundschau.
Berlin, 30. Nov. (Reichstag.) Reichskanzler Graf Caprivi, an Liebknechts Worte anknüpfend, erklärt, die heutigen beiden Reden bewiesen, mit wie wenig Weisheit oft im Parlament gesprochen werde. Solche agitatorische Reden seien beklagenswert. Liebknecht erwähnt öfter die Vorkommnisse in Hannover. Dieselben werden ibre Ahndung durch die zuständigen Instanzen und Behörden finden. Die Militärbehörde setzt Alles daran, um die Wahrheit zu ermitteln. Die Untersuchungen über die Vorkommnisse sind im Gange, und ich möchte bitten, da die Verhandlungen noch schweben, die Dinge, wie man dies sonst bewohnt ist, nicht weiter öffentlich zu besprechen. Die sozialdemokratische Partei hat sich zweifellos die Ausgabe gestellt, die Armee in ihren innersten Tiefen zu erschüttern. Dazu ist ihr jedes Mittel recht. Sie glauben, durch Vorbringen des Falles in Hannover die Disziplin und das Vertrauen zu den Vorgesetzten bei solchen Leuten zu erschüttern, die Ihnen glauben. Die Sozialdemokratie hat den Anarchismus groß gezogen. Erst entstanden die Aelteren;
aus ihnen rcknitirten sich die Jüngeren und ibr: jüngsten Nachfolger sind die Anarchisten. Die Sozialisten sind daher für deren Verbrechen veranlwoitlich. Im Uebrigen sage ick: Lieber keine Armee als eine schlechte. Der Reichskanzler wendet sich sodann gegen die Antisemiten. Die Unzufriedenheit weiche die Antisemiten erregten, fließe der Sozialdemokratie zu. Die Antisemiten sind nicht die Männer, die Bewegung aufzuhalten. Sie werden die Bewegung nicht vor dem jüdischen Kapital aufhalten, sie wird schließlich das gesamte Kapital erfassen wollen. (Zurufe: Sehr richtig!) Betreffs der Steuergesetze halte die Regierung an den beiden Gesichtspunkten fest: keine Schädigung der Landwirtschaft, keine Belastung der schwächeren Schulter» herbeizuführen, soweit es möglich sei. Z i m m ermann sagte, die jetzige Politik ertnnere an die Zeiten vor der französischen Revolution; welche Rolle hat sich Zimmer- inann bei dieser Bewegung Vorbehalten? Ich möchte ihn daran erinnern, daß Männer von Mirabeau bis Danton nicht im Stande waren, die Bewegung da zum Stehen zu bringen, wo sie wollten. Ich möchte nicht erleben, daß Zirnmerman den Versuch an seiner eigenen Person macken müßte. Nachdem v. P l ö tz (Bund der Landwirte,) sowie Förster (Antisemit) gesprochen, wird die Debatte geschlossen. In einer persönlichen Bemerkung verteitigt sich Zimmermann erregt gegen die Vorwürfe des Reichskanzlers. Die Hauptteile des Etats werden der Budget- kommission überwiesen. — Die nächste Sitz- unglfindet morgen statt. Tagesordnung; Erste, event. zweite Beratung des Jesuiten-Antrags.
Berlin, I.Dez. (Reichstag.) Beratung des Antrags Hompesch (Zentr.) auf Aufhebung des Jesuitengesetzes. Graf Hompesch befürwortet den Antrag, welchen seine Partei mit Entschiedenheit vertreten werde, denn er entspreche den Rechten des kathol. Volkes (Beifall im Zentrum). Es liege kein Grund vor, ein Gesetz aufrecht zu erhalten, welches einer erregten Zeit kirchenpolitischen Kampfes entstamme. Die Jesuiten seien rein und makellos aus der Prüfung hervorgegangen, es habe sich nichts gezeigt, worin sie friedenstörerisch gewirkt hätten. Allen gegen die Jesuiten gerichteten Verdächtigungen gegenüber halte seine Partei an dem Protest des Episkopats von 1872 fest. Möge die Regierung es ernstlich überlegen, ob es weise ist, ein Gesetz aufrecht zu erhalten, das Millionen Deutscher verletzt. Wir wollen nicht, daß das Banner der Sozialdemokratie auf unsern Häusern wehe, wir wollen der sozialistischen Thätigkeit die antisozialistische entgegensetzen. Das deutsche Vaterland hätte von der Zurückberufung der Jesuiten entschieden nichts zu