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an eine höchst unglückliche, wobei die Schuld nicht auf Seite der Frau war. Pfändungen, Zwangsversteigerungen kamen dazu, so daß von einem einigermaßen erträglichen Familien­leben keine Rede sein konnte. Eine Krisis war unausbleiblich, nur kam sie anders als man vermutete. Heute nachmittag 3 Uhr durchlief die Schreckenskunde unser Dorf, der Doktor habe seine Frau vergiftet. Obgleich sofort 3 Aerzte zur Stelle waren, konnten sie nur die geschehene Vergiftung feststellen; alle angewendeten Rettungsversuche waren erfolg­los, nach wenigen Stunden trat der Tod ein, ohne daß die Frau nochmals zum Bewußtsein gekommen wäre. Schelldorf wurde sofort ver­haftet; er zeigte ein stumpfsinniges Wesen und trank noch im Gefängnis über einen Liter Wein. Das grohh. Amtsgericht, telegraphisch herbeigeruwn, nahm noch heute Abend an Ort und Stelle den Sachverhalt in Augen­schein, worauf der Uebelthäter in das Amts- gefangnis nach Breisach abgeführt wurde.

Dr. Karl Schelldorf ist jetzt 30 Jahre alt, Sohn eines Arztes in Breiten. Er stu­dierte in Freiburg Medizin, führte ein äußerst luxuriöses Leben und verbrauchte in ca. sechs Jahren etwa 90,000 Mark. Sein Vorleben war in sittlicher Beziehung derart, daher von der Prüfungskommission der Universität nicht zum Arztberuf hätte zugelassen werden sollen. Anfangs hatte Sch. in Jhringen eine aus­gezeichnete Praxis, hielt schöne Pferde, Hunde und lebte in Saus und Braus. In der letzten Zeit vernachlässigte er seine Kundschaft, blieb tagelang im Bette liegen, ohne sich nm seine Patienten zu bekümmern. Das Drängen der Gläubiger nahm zu, ebenso die Mißhandlungen seiner Frau, die öfters in die benachbarten Hauser flüchten mußte, um denselben zu ent-^ gehen. Sch. verlangte von seiner Frau und deren Anverwandten, sie sollen Geld beischaffen was diese aber verweigerten. Am 17. d. M. hörte die Mutter, welche auf Wunsch der Tochter zu Besuch kam, im Nebenzimmer plötz- l'ch ein«« Schrri; sie eilte dahin und erblickte ihre Tochter am Boden liegen, Sch. auf ihr knieend, in der einen Hand ein kleines Taschen­messer, in der andern ein Fläschen Blausäure, welche Flüssigkeit er einige Tage zuvor in einer hiesigen Apotheke, woselbst er gut bekannt war, unter der Angabe holte, er wolle da­mit seinen Hund tödten. Mit dem Taschen­messer zwengte er seinem Opfer den Mund auf und schüttete den Inhalt des Fläschens bis auf einen kleinen Rest in den gewaltsam ge­öffneten Mund. Die Mutter riß ihm das Fläschchen aus der Hand, allein es war schon zu spät. Eine Stunde später war die Frau todt. Bei der Verhaftung mußte die Poluei Allem aufbieten um den Mörder nock lebendig in die Hände des Gerichts zu liefern. Die versammelte Menge hätte ihn gelyncht, i wäre sie seiner Meister geworden. Die Frau erst achtundzwanzig Jahre alt, war sehr be­liebt, aber sie hörte aus keine Warnungen, weder auf die ihrer Mutter noch auf jene von Verwandten und Freunden, ja sie fühlte sich, wie sie öfters sagte, besonders dazu be­rufen, ihren Mann auf den rechten Weg zu bringen und ihn wieder zu einem würdigen Mitglieds der Menschheit zu machen. Allein es kam anders. Die mutige Frau mußte ihr Vorhaben mit dem Leben büßen.

Fr ei bürg, 20. Nov. Dr. Schellvorf wurde heute auf Verfügung der Gerichtsbe­hörde vorläufig in die hiesige Jrrenklinik ver­bracht. Er scheint vie Thal in einem Anfall von Geistesstörung begangen zu haben.

Berlin, l 7. Nov. Der von den kon­servativen Abgeordneten Frhr v. Hammel­

stein, Frhr. v. Manteufel und v. Polen; im Reichstag etngebrachre Antrag geL dahin, die Regierung zu ersuchen, einen Asetzent- wurf vorzulegen, »ach welchem den nicht reichsangehörigen Israeliten die Einwande­rung über die Reichsgrenzen untersagt wird.

Berlin, 18. Nov. Der Exjesuit Graf Hoensbroch wird lautVoss. Ztg." in Rom Besprechungen mit dem Jesuitengeneral und dem Papste haben. Der Gesamtbetrag der Militärpenstonen beträgt für 1894/95 27 550,000 Mk. geaen 26,130,000 Mk. im Vorjahr und 17,780,000 Mk. in l 888/89. Es ist nach dem Etat auf eine regelmäßige jOhrliche Steigerung von 2,100,000 Mk. zu rechnen.

Berlin, 20. Nov. Nachdem das Wein­steuergesetz in der Ausschußsitznng des Bnn- desrats am Samstag mit unwesentlichen Abänderungen von der Mehrbeit angenommen worden, gelangen, so berichtet eieVoss. Z./' die sämtlichen Steuergefetze in der heutigen Plenarsitzung an den Bundesrat. Die An­nahme derselben seitens der Mehrheit in der von den Ausschüssen festgesetzten Fassung ist zweifellos und die Entwürfe werden wohl schon heute dem Reichstage zugehen.

In der deutsch ostafrikanischen Schutz­truppe werden den Militärpersoneu hohe Ge­halte gezahlt. Nach soeben erschienenen An­gaben des Kriezsdepartements bezifferten sich die Gehälter für die Oberführer auf 12000 Mk. jährlich für Kompanieführer auf 9000 Mk., für Leutnants ans 5000 Mk bis 7200 Mk. für den Chefarzt auf 12000 Mk., für Oberärzte 9600 Mk., für Aerzte auf r6000 bis 7200 Mk., ferner für Zahlmeisteraspi- ranten auf 4800 Mk. bis 5400 Mk., für ^ Oberfeuerwerker auf 4800 Mk., für Feld­webel auf 3600 Mk., für Sergeanten und Unteroffiziere auf 2400 Mk. bis 2760 Mk., für Schreiber (im Unteroffiziersrange) auf 3200 bis 4000 Mk., für Lazaretgehilfen auf 2400 Mk. bis 2760 Mk., für Ober­büchsenmacher auf 4800 Mk., für Uuterbüch- senmacher auf 3000 Mk.

Berlin, 20. Nov. Ein deutsch-eng­lisches Abkommen wurde unterzeichnet, wonach das südliche Ufer des Tsad-Sees an Deutsch­land abgetreten wird. Die Mitteilung hie­von erscheint im Reichsanzeiger in den nächsten Tagen.

Zweibrücken, 16. Nov. In dem Pirmasenser Straßenkrawall-Prozeß anläßlich der letzten Neichstagswahl erhielten 15 An­geklagte 18 Monate bis 4 Monate Gefäng­nis. Einer wurde freigesprochen.

München, 16. Nov. Hier starb Frau Barbara Müller Rentbeamtenswitwe, im Alter von 100 Jahren 5Vg Monaten.

Ma iland , 19. Nov. Die offiziöseGazette ! Piemontese" erhält wichtige Mitteilungen über den Zweck der Reise des östreichischen Reichs­kanzlers Kalnoky nach Monza. Durch die bisherige Tripelallianz sei Italien nur verpflichtet gewesen, Deutschland mit einem Landheer zu unterstützen; nunmehr sei der Vertrag auch auf Italien und Oesterreich ausgedehnt; dafür erhalle Italien im Ernstfälle eine territoriale Belohnung.

Rußland. Die Getreidep reise sind kolossal gesunken, es fehlt alle und jede Nachfrage. 100 Kilo Weizen sind schon für 4 Mark verkauft worden, 100 Kilo Gerste sogar für eine einzige Mark. Dieses Bauern- Elend wird nicht eher beseitigt werden als bis der deutsch-russische Zollvertrag unterzeichnet 1 wurde und russisches Getreide dann wieder j gegen einen normalen Zoll nach Deutschland ausgeführt werden darf.

Sofia, 20. Nov. Fürst Ferdinand spendete 10,000 Francs zur Errichtung eines Nationaldenkmals für den Grafen Hartenau. Der in Wien auf Staatskosten Bulgariens weilende Bildhauer Iwan Perkoff ist mit der Ausführung des Denkmals betraut worden.

Newyork, 20. Nov. DerWorld" meldet aus Rio de Janeiro vom 14 Nov. : In Nictheroy wurden durch das Bombarde­ment 300 Häuser zerstört. Mehrere Hundert weitere wurden beschädigt. Von den 37,000 Einwohnern wurden mehrere Hundert getötet. 30,000 Menschen verließen den Ort.

Derr Sieger- von Skivnihcr ff-.

. . . Und menschliche Größe

Erlischt wie ein Traum . . -

Die wehmütigen Zeilen des Zarenlieves ließen sich als Motto dem Lebensroman des Prinzen von Battenberg, einstmals Fürst Alexanders von Bulgarien, zuletzt Grafen von Hartenau, voraussetzen, der am letzten Freitag in Graz ganz unvermutet zu Ende ging. Graf Alexander von Hartenau ist daselbst der schweren Krankheit, die ihn seit wenig Tagen heimgesucht, erlegen. Und in dem Grafen starb ein Mann, der wie ein flammend Meteor dereinst am politischen Him­mel hellstrahlend sichtbar wurde, um dann wie in Nacht und Dunkel zu verlöschen. Prinz Alexander von Battenberg schien ei» Günst­ling des Geschickes, wie wenige, und es hat eine Zeit gegeben, wo die Augen von ganz Europa bewundernd an dem jungen Fürsten hingen, der aus dem bulgarischen Ländchen eine achtunggebietende Balkanmacht schuf, die es wagen konnte, jetzt dem Großherrn in Konstantinopel diplomitisch, jetzt dem ser­bischen Nachbarlande mit den Waffen in der Hand entgegenzuireten. Der schneidige Kriegs­zug des jungen 28jährigen Fürsten gegen die Serben, die nur durch das zur Hilfe aus der Versenkung erscheinende, heute von Serbien verleugnete, Oesterreich vor d m Aeußersten gerettet wurden, vor allem der glänzende Sieg von Slivnitza umgab den Fürsten Alexander von Bulgarien, mit der hellleuchtenden Gloriole eines Volks- und Kriegshelden Wie ein Streifzug ins ferne romantische Land, so ist ein Rückblick auf Vas Leben des Fürsten. Als zweiter Sohn aus der morganatischen Ehe des Prinzen Alexanders von Hessen mit der Gräfin Julie von Hanke, spätere Prinzessin von Battenberg, sah er nach menschlicher Vor­aussicht ein ruhiges Leben in sich. Aber schon den Lieutenant im 2. Hess. Dragoner-Regiment hatte cs nicht in seiner Garnison gelassen, als hinten fern in der Türkei die Völker aufeinander schlugen." In der Suite des russischen Kaisers und im Stabe des Generals Gurko machte er den russisch-türkischen Krieg 187778 mit und gewann dabei in Ruß­land einen solch festen Halt, daß dieses ihn auf der Berliner Konferenz zum Fürsten des neugeschaffenen autonomen Fürstentums Bul­garien vorschlug und durchsetzte. Nachher freilich verwandelte sich diese Freundschaft in bitteren Haß, als Fürst Alexander es wagte, den russischen Einfluß zu zügeln, seinen Staat frei groß und selbstständig zu machen. Ein nicht geringes Zeichen dieser Selbstständigkeit war die Vereinigung des bisher »och türkischen Ostrumeliens mit dem übrigen Bulgarien.

So schien Alexander von Battenberg dazu ausersehen, als gefeierter Siegesheld den alten Traum von der bulgarischen Zarenkrone wahr zu machen, als das Schicksal ihm den Weg zum Ruhme sperrte. In der Nacht vom 20. auf den 21. Äug. 1886 von eigenen Regi­mentern in Sofia gefangen genommen, sah