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bisherigen Erfahrungen bezüglich des finan­ziellen Verhältnisses zwischen dem Reich und den Einzelstaaten haben bewiesen, daß ohne Schädigung d s Reichs und der Einzelstaaten eine Auseinandersetzung zwischen denselben nicht länger aufschiebbar sei. Die Anforder­ungen des Reiches an die Einzeistaaten sollen in ein festes Verhältnis gestellt werden; den Einzelstaaten sollen gesetzlich festgelegte Anteile an den Reichseinnahmen für einen längeren Zeitraum zugesichert werden. Ein diesbezüg­licher Gesetzentwurf, ebenso wie Gesetzentwürfe betreffend die Besteuerung des Tabaks und Weins und der Erhebung von Reichs­stempelabgaben gehen dem Reichstage zu. Der Reichshaushalt ist mit äußerster Sparsamkeit aufgestellt. Ferner gehen dem Reichstage zur Beschlußfassung die Handels­verträge mit Spanien, Rumänien und Ser­bien zu. Die Thronrede teilt sodann dem Reichstage mit, es würden sofort Verordnungen betreffend außerordentliche Erhöhung der Ein­fuhrzölle gegenüber Rußland vorgelegt. Der Kaiser hofft, daß die schwebenden Verhand­lungen mit Rußland zur Beseitigung dieser Maßnahmungen führen würden. Den ener­gischen Bemühungen der Regierungen sei es gelungen, der Verbreitung der Choleraepidemie erfolgreich entgegen zu treten. Die Thron­rede kündigt ein Reichsseuchengesetz, sowie die Vorlegung der Beschlüsse der Dresdener Sani­tätskonferenz zur Genehmigung des Reichs­tages an. Mit Rücksicht auf die größeren Aufgaben des Reichstages auf finanziellem und handelspolitischem Gebiet sei der Kreis der Vorlagen im Uebrigen thunlichst beschränkt worden. Im Verhältnis zum Ausland sei «ine Aenderung nicht cingetreten. Bei der Fortdauer der engen Freundschaft mit den zur Verfolgung gemeinsamer friedlicher Zwecke uns verbündeten Reichen stehen wir zu allen Mächteninguten, fr eundlichenBez ich ungen. Ich gebe mich daher der Zuversicht hin, daß es mit Gottes Hille die Segnung des Frie­dens uns auch fernerhin erhalten bleiben.

Der Tabakkonsum wird sich nach der eigenen Rechnung der Regierung infolge der Tabaksteuererhöhung um 29 Prozent ver­mindern. Ohne Verminderung des Konsums würde die neue Steuer im ganzen 143,600,000 Mark einbnngen an Stelle der jetzigen Ein­nahme von 55 Mill. Mark. Die Negierung selbst rechnet aber nur auf eine Einnahme von 104 Millionen Mark, also nur auf 71 pCt. des Betrages. Daraus folgt die Annahme eines Rückgangs des Konsums um 29 pCt., was mit der Entlassung von 3040,000 Arbeitern nach Einführung der neuen Steuer gleichbedeutend ist.

Der Antrag, das Iesuite n - Gese tz aufzuheben, soll nach Beginn des Reichs­tags sofort beraten und zur Abstimmung ge­bracht werden, noch ehe die Entscheidung über die neuen Steucrvvrlagen fällt. Bei der heutigen Zusammensetzung des Reichstages ist d>e Annahme des Antrages mit zwei, drei Stimmen möglich; geschlossen dafür stimmen werden 99 Centrumsmänner, 19 Polen, 44 Sozialdemokraten und 10 Elsaß-Lothringer. Das sind schon 172 Stimmen. Von den 23 Mitgliedern der freisinn. Volkspartei, den 11 süddeutschen Volksparteilern und der welfischen Gruppe sind bekanntermaßen eine Reihe von Abgeordneten für die Aufhebung des Jesui- tengesetzes, so daß also gerade eine knappe Mehrheit herauskommen könnte. Nach der bezüglichen Erklärung d.s Reichskanzlers Grafen Caprivi ist freilich nicht zu erwarten, daß der Bundesrar einem entsprechenden Reichstags- beschlusse bestritt.

Die Voruntersuchung gegen die zwei verhafteten französischen Spione hat, wie aus Kiel gemeldet wird, zu einem bemerkenswerten Ergebnis geführt. Die Angeschuldigten sollen selbst eingestanden haben, daß sie Offiziere des französischen Generalstabs seien. Wenn das wahr ist, werden sie wohl für's Erste nicht nach demschönen Frankreich" zurückkehren.

Luzern. Die Gasanstalt, die im Vor­jahr noch einen Rein-Ertrag von 90,000 Franken erzielte, geht fitzt unter Vermeidung eines Prozesses, laut getroffener gütlicher Ver­ständigung nach 14 Monaten an die Stadt Verwaltung über. Der Kaufpreis beträgt 580,000 Franken. '

In den Alpen haben schwere Schnee­fälle stattgefunden. Die Verbindungen sind vielfach unterbrochen In Wien herrscht gleich­falls starker Schneefall.

UntkrhaltknAs.

Hin Stammgäste-Wih.

Einen rechten Schelmenstreich haben wie man derTagt. Rundschau" erzählt kürzlich die Stammgäste eines Restaurants in Berlin verübt. Dort verkehrt seit Jahren jeden Samstag ein alter Jude, David Aaron B. . . ., der von den Gästen, mit denen er auf sehr freundschaftlichem Fuße steht, ge­wöhnlich nur David Aaron genannt wird. David Aaron ist seines Zeichens Kommis­sionär und geht jeden Samstag gewissenhaft in die Synagoge. Nun feiern die Stamm­gäste nach altem Brauch gemeinschaftlich ihre Geburtstage, wobei das jeweilige Geburts­tagskind die Zeche trägt. Aus diesem Gmnde hat David Aaron natürlich keinen Geburts­tag, denn er ist gewöhnt, die Groschen fest zusammenzuhalten. Die Stammgäste hatten aber einen Ausweg gefunden: es wird ein bestimmter Samstag als David Aaron's Geburtstag festgesetzt und die Stammkasse übernimmt die Zahlung. Dabei gebt es ge­wöhnlich unbändig lustig zu und selbst der alte David Aaron, der ein mäßiger Bier­trinker ist, aber gern einenpfeift," plegt dann etwas schicker nach Hause zu wanke». Neulich ward nun auch wieder sein Geburts­tag gefeiert und ein Spaßvogel hat sich einen ganz besonderen Scherz dazu ausgedacht. Er hat nämlich für den Alten eine soge­nannte Antisemiteunadel besorgt, die auf einem dreifachen Eichenzweige bekanntlich die Buch­staben D. A. B. (Deutscher Antisemiten- Buud) trägt, die auch die Namensinitialen David Aarons find. Diese Nadel wurde dem Alten mit einer bezüglichen Ansprache feierlichst als Geburtstagsgeschenk überreicht und erweckte bei David Aaron ein Gefühl der tiefsten Rührung.Wenn ich auch taxiere, daß se kostet höchstens sswei Mark, werd ich se doch trage» so lang wie ich lebe und wie se hält", sagte er ahnungsvoll in seiner Dankbarkeit. Dann wurde die Nadel unter stürmischem Jubel auf seine blaue Kravattte gesteckt und David Aaron kaufte sich in seiner Seelen-Seligkeit einen tüchtigen Schwips. Am nächsten Samstag wartete man natürlich mit äußerster Spannung auf de» Alten. Und er erschien, aber ganz ,,ka- duk," mit einem wahren Leichenbittergesicht. David Aaron, wo haben Sie die Nadel?" rief es von allen Seiten.Gott, was Se sind vor witzige Leite. Haben Se mer ge­bracht um en ganzes Vermögen, nicht ssu gedenken, daß ich beinahe habe gekricht Kaile an der Börse", sagt David Aaron und be­stellt wehmütig eine» Nordhauser.Erzählen

Sie David Aaron."Heißt erssähle», was mer ist gewesen ain herber Schlag. Bin ich gekommen am Montag zum Kommerzinrat Cohn und sage: Herr Kommerzienrat, sag' ich, wolle» Se haben die Güte, und mir auftragen's Geschäft, wovon Se haben ge» spiochen und wobei ich soll verdiene» Zehn­tausend Mark! Kuckt er mer a» von oben bis unten, kuckt mer wieder au und kuckt immer nach meine blaue Kravatte. Denn sagt er, daß es mer wird laufen eiskalt über'» Buckel:David, sagt <>r, wenn Se sind geworden Geschäftsantisemit, machen Se die Geschäfte wo anders und packen Se sich raus." Herr Kommerzienrat, ruf' ich, 's ne schreiende Ungerechtigkeit l Wo ich Hab' getragen ne rote Kravatte, haben Se gesagt, ich bin 'n Sozialdemokrat. Hab' ich mer gekauft vor sswei Jahren de blaue Kravatte und habe gemacht mit de blaue Kravatte de besten Geschäfte for Sie und for Andere und nun reden Se, daß ich bin ' Antisemit," Machen Se, daß Se rauskommen" schreit er, oder ich lasse Se rausschmeißen durch mein' Diener I" Da ist mer ganz schwindlig geworden und ich bin gegangen nach de Börse zum Kommerzienrat Meyer. Herr Kommer­zienrat, sag ich, wenn se haben 'n Geschäfte werd' ich for Se arbeiten, Herr Cohn hat mer belaidigt. Kuckt er nach meiner Kravatte und sagt: David, sagte er, Ihr Vater ist gewesen ein ehrlicher Mann. Wenn Se sind geworden Geschäftsantisemit, gehen Se nach deStaatsbürgerzeitung" oder nach de Stadtmission. Bleiben Se mer vom Leibe." Da hat er sich umgedrehi und ich bin raus- gegaiigen, ich weis nicht wie. Draußen be» gegnet mer mein Vetter Hirsch, knckt mer an und sagt:David sagt er, bist meschlugge? Wenn de machst Geschäfte mit de Antesemiten, trag' de Nadel; aber wenn de kommst an de Börse, stich se weg." Und wie ich ge­worden bi» ganz bleich, hat er mer gesagt, was es ist for ne Nadel, was Se mer ha, ben geschenkt ssum Geburtstag. Hier haben Se de Nadel und geben Se mer de fünf Mark, was se hat gekostet und wodurch ich bin gemacht ssum ruwierteu Manu."

B e r m i s ch t es

Bei Nichtbenutzung einer Rückfahrkarte auf der Rückreise wird infolge Reklamation der Teilbetrag seitens der Eisenbahnverwaltung zurückbezahlt. ES ist Vorschrift, dies vor Ab­lauf des Gültigkeitstennins dem Beamten der Station zu melden, damit die nicht erfolgte Rückfahrt bescheinigt wird. Gegen diese Be­stimmung verstößt das reisende Publikum viel­fach, indem die Meldung von der Nichtbc- nutzung des Billets meistens erst dann erfolgt, wenn die Reise beendigt und das Billet un­gültig geworden ist. Wer also eine Rück­fahrkarte nicht voll benützt hat und den Be­trag für die Rückfahrt sich zurückerstatten lassen will, ist verpflichtet, spätestens am letzten Gil­tigkeitstage die Bescheinigung des Bahnbeamten einzuholen, widrigenfalls eine Reklamation fruchtlos ist.

Die Stadtgemeinde Dornstetten, O.A. Freudenstadt, ist Heuer in der angenehmen Lage, jedem Bürger neben Holz und Almand- ländern eine Gabe von 100 Mk. überreichen zu können. Mit dem baren Gelde werden auch die unter der Fahne stehenden Bürger­söhne erfreut. Dieser Bürgernutzen ist in diesem Jahre umsomehr zu schätzen, als der Futterausfall auch in Dornstetten ein sehr be­deutender ist. Viele Bürger mtchten ihren Viehstand um die Hälfte, ja um zwei Drittel vermindern.