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Die Dynarnit-GZLptofron in Santander.

Santander, 4. Nov. Ein mit Dyna­mit beladenes Schiff geriet in Brand und flog mit ungeheurem Krachen in die Luft; alle Fenster der Stadt und Umgebung sind zersprungen, die brennenden Trümmer wurden weit fortgeschleudert. Die Katastrophe hat zahlreiche Opfer gefordert.

Die grauenvolle Dynamit explo­siv», deren Schauplatz die Hafenstadt San­tander in Spanien geworden ist, gehört zu den furchtbarsten Unglücksfällen, die man sich denken kann. Der Boden ist von Leichnamen und Stücken menschlicher Körper bedeckt; überall siebt man Arme, Beine, Fetzen von Menschenfleisch zwischen den Trümmer» ei­niger 20 vollständig zerstörter Häuser liegen. In der Nacht vom Freitag auf den Samstag war an Bord des große Dynamitmengen für industrielle Zwecke führenden Transport­dampfers Cabo Machicago ein Feuer ausge­brochen, das bald, angefacht durch den Wind, sich den Hafengebänden und Lagerhäusern mitteilte, so daß schon 2 Stunden später jener gauze Hafenstadtteil in Flammen stand. Das dicht am Quai verankerte, lichterloh brennende Schiff frei zu mache» und iu die offene See hinauszuführe», war vollständig ausgeschlossen. Und doch wäre das die ein­zige Möglichkeit gewesen, die eigentliche Ka- tastrofe abzuwenden, den» die inmitten des fortwährend um sich fressenden Flammen­meers noch scheinbar harmlos ruhenden Dynamitmassen mußte» jeden Augenblick von den Flammen erfaßt werden und explodieren. Kurz nach 4 Uhr trat das Furchtbare ein. Die ganze Stadt und die bis auf mehrere Meilen im Umkreise liegenden Dörfer er­zitterten bis in ihre Grundfesten. Meilen­weit waren Tbüren und Fenster zertrümmert, Häuser abgedeckt, Mauern »iedergerissei: wor­den, während der ganze, den Hafen umge­bende Stadtteil einen einzigen großen Trüm­merhaufen bildete, über den ein Feuer- und Flammeurezen niedergiug. Das Dynamit- schiff selber war verschwunden, in Millionen Atome zerschlagen. Das Telegrafenbureau war wie vom Erdboden fortgefegt, so daß direkte Meldungen gar nich-t abgehen konnten, und Boten die Nachrichten in der benach­barten Stadt Bon dem Telegrafenamt über- bringeu mußten, der Bewohner von San­tander hatte sich ein solcher Schrecken be­mächtigt, daß fast eine Stunde lang an Retten und Löschen Niemand dachte. Erst als aus Victoria und San Sebastian Trup­pen und Feuerwehr iu Sonderzügen eintrafen, konnte man daran denken, dem verheerenden Brande wenigstens Einhalt zu thun. Der Gouverneur von Santander ist unter den Verschwundenen. Am Hafeuquai die Rettungs­arbeiten leitend, wurde er durch die Explo­sion von der Seite des Generalsekretärs ge­rissen, und die Reste seiner Leiche wurden, wie die so vieler Anderer, umhergestreut. Die Anzahl der Menschenopfer ist deshalb so furchtbar groß, weil Tausende und aber Tausende sich um die Quais drängten, ohne die Dynamitgefahr zu kennen. Außerdem waren Hunderte von Feuerwehrleuten, Gen­darmen und Truppen am Hafen in Tätig­keit, als um 4 Uhr Morgens, inmitten dieser dicht zusammengedrängten Volksmenge die Dynamitexplosion erfolgte, gleichzeitig die noch unversehrten Lagerhäuser, umliegenden Wohnhäuser und den Nordbahnhof in Flam­men setzend. In demselben Augeblick lies der Madrider Eilzug ein, und fing Feuer, noch ehe die Reisenden die Koupees verlasse»

konnten; so daß viele von ihnen in den Wag­gons den Flammentot fanden, während an­dere sich aus den Fenstern, des noch in vollem Gange befindlichen Zuges stürzten. Der Bahnhofsdirektor fand hier seinen Tod. Auf der andern Seite des Hafens wurde» Hunderte dort zusammengedrängter Neugie­riger durch die Gewalt der Explosion ins Meer geschleudert, und wenn auch die Mehr­zahl derselben durch Leute gerettet wurde, so kamen doch auch hier viele um. Das Bild war ein furchtbares. Ringsum bren­nende Trümmer, einstürzeude Mauern, in­mitten eines endlos scheinenden Flammen­meers, aus dem die verzweifelten Schreie deiVerwundeten, die Hilferufe der lebendig Begrabene», das Todesröcheln der Sterben­den heraufscholl. Stunden vergingen, ehe die erste Hilfe eiutreffen konnte, denn die nächste Telegrafenstation war 8 Kilometer entfernt. Am Sonntag Morgen, d. h. 24 Stunden später, hatte man noch keine auch nur annähernd zuverlässige Liste der Toten. Man weiß nur, daß neben dem Gouverneur auch der Polizeipräfekt und Kommandant der Garnison, der Oberst der Gendarmerie, der Bahnhofvorstand, Offiziere und hohe Beamte mit vielen Gendarmen, Soldaten und Feuerwehrleuten den Tod gefunden haben. Der Minister des Innern und der Finanz- minister trafen Sonntag auf der Unglücks­stelle ein. Die Regierung hat sofort eine» unbegrenzten außerordentlichen Kredit für die Rettungsarbeiteu und die Unterstützung der Hilfsbedürftigen zur Verfügung gestellt.

Madrid, 4. Nov. Unter den bei der Katastrophe in Santander Getöteten, nach­träglich auf 300 geschätzten Personen befinden sich der Civilgouverneur der Stadt und andere Autoritäten. Außerdem standen gestern abend infolge der Explosion etwa sechzig Häuser in Flammen; man befürchtet beim Mangel von Löschapparaten weitere Ausdehnung des Brandes.

Lokales.

Wildbad, 5. Nov. Mit dem 1. d. M.

trat in unserem Bezirk eine wohlthätige, viel Segen versprechende Einrichtung ins Leben, eine B ezir k s kra nkenpfl eg e. Auf Anregung des früheren Oberamt­manns Hofmann tratder evangel. Kirchen­gemeinderat, hier unter dessen Aufsicht und Verwaltung die evangelische Diakonissen- Station steht, der Frage näher, ob es möglich wäre, durch die hier stationierten Diakonissen die Krankenpflege für den ganzen Oberamtsbezirk besorgen zu lassen, nachdem bisher schon in vereinzelten drin­genden Fällen Diakonissen von Wildbad in dankenswerter Weise in die Nachbar­orte gesandt worden sind. Doch mußte manchmal eine dahingehende Bitte abge­schlagen werden, weil für gewöhnlich Wild­bad selbst hinreichend Arbeit bot. Um so freudiger wird es nun überall anerkannt, daß die Verhandlungen, die im Laufe dieses Sommers zwischen dem Kirchen­gemeinderat Wildbad, der Amtsversamm­lung Neuenbürg nnd dem Mutterhaus in Stuttgart geführt wurden, das Ergebnis erzielten, daß zwischen beiden ersteren ein Vertrag abgeschlossen wurde, wonach die Diakonissenstation in Wildbad die Krankenpflege im Oberamtsbezirk über­nimmt und zu dem Ende zu ihren bis­herigen 3 Schwestern noch 2 weitere auf 1. Nov. beruft; sie stellt ihre Schwestern für die Krankenpflege zur Verfügung, so­bald eine weltliche oder geistliche Ortsbe­

hörde deren Hilfe sich erbittet; im Be- dürfnissall wird die Zahl der Schwestern der Station noch vermehrt werden. Damit auch Unvermöglichen der Genuß dieser wohl- thätigen Einrichtung zu Gute kommt, wird es Sache der kirchlichen und weltlichen Ortsbehörden sein, hiefür Mittel zu sam­meln und zur Verfügung zu stellen. Die am 18. Sept. abgehaltene Diözesansynode hat über diese ganze Angelegenheit, wie insbesondere über die Möglichkeit, kranke Arme in diese Verpflegung einzubeziehen, eingehend Beratung gepflogen und zu diesem Zweck die Errichtung von Sammel­kassen empfohlen, in denen etwaige. Bei­träge der bürgerlichen Armenpflege, der Kirchenpflege, Kirchenopser, Gaben von Privaten u. s. w. fließen sollen. Es ist dies unseres Wissens der erste auf der Grundlage der Garantieleistung durch die Amtskorporation in unserem Lande ge­machte Versuch einer durch die Stuttgarter Diakonissen geleiteten Bezirkskrankenpslege.

Die Her bst-Kontrollvers amm- lung findet Donnerstag den 9. Nov. nachmittags 3 Uhr bei der Trinkhalle statt.

Lsrmischtes.

(Neue Erfindung fürdasSchnei- dergewerbe.) Bei Gelegenheit des in der Zeit vom 30. Juli bis 2. Aug. d. I. in Stuttgart stattgefundenen Kongresses derSüd. Bekleidungs-Akademie" wurde von dem Direk­tor M. Lutz eine neue Erfindung auf dem Gebiet der Zuschneivekunst vorgeführt, welche das höchste Interesse der aus nah und fern zusammengekommenen 200 Teilnehmer erregte. Die Erfindung ist in allen Kulturstaaten zur Patentierung angemeldet und besteht nach der Patentbeschreihung aus einem Moment-Zu- schneide- Verfahren mittels beweglicher Modelle, welche durch einen einzigen Griff für jede Körperhaltung und Bauart passend eingestellt werden können. Hierdurch kann das Zu­schneiden in der Hälfte der bisher hiefür er­forderlichen Zeit ausgeführt werden, was natürlich von epochemachender Bedeutung für das ganze Schneidergewerbe sein muß. Die mit den Modellen hinsichtlich ihrer Sicher­heit vorgenommenen Proben lieferten selbst bei ganz abnormen Körperbildungen ein so ausgezeichnetes Resultat, daß sich der Kon­greß veranlaßt sah, seiner Verwunderung über die neue Erfindung in einer besonderen Re­solution Ausdruck zu geben, in welcher die­selbe als segenbringend und der weitesten Ver­breitung würdig bezeichnet wird, damit alles bisherige auf diesem Gebiet übertroffen wird. Den alleinigen Betrieb des neuen Lutz'schen Moment-Zuschneide-Verfahrens, welches nament­lich für Kleinmeister und Zuschneider von hohem Wert sein dürfte, besitzt bis auf weiteres ausschließlich dieSüdd. Bekleidungsakademie" in Stuttgart, welche auch zu weiterer Auskunft über dasselbe bereit ist

In einer Gesindekammer des Schlacht­hauses in Heilbronn wurden in letzter Zeit mehrfach Beträge von 510 Mk. ent­wendet, ohne daß man von dem Dieb eine Spur entdecken konnte. Nun ist es aber doch gelungen, den Fall aufzuklsren und zwar auf folgende originelle Weise. An der Thüre des besagten Raumes hatte man eine Vor­richtung angebracht, die mit einer Schußwaffe in Verbindung stand, so daß wenn eine un­eingeweihte Person die Thüre öffnete, ein Alarm­schuß sich löste. Dieser Alarmschuß ertönte am letzten Samstag und der Dieb wurde inPerrson eines l ljährig. Schulknaben ermittelt.

Drei seltene Schwimmer haben es kürzlich bei Maxau unternommen, den Rhein