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— AuS Friedrichsruh 8 Okt. liegt über die Ankunft des Fürsten Bismarck noch folgende Meldung vor: Gleich nach II Uhr gestern abend traf der Extrazug, der den Fürsten Bismarck hicher führte, ein. Die Feuerwehr bildete auf dem kurzen Wege bis zum Herrenhaus Spalier. Der Fürst fragte teilnehmend, wie alles stehe und „ob alles gesund sei." Die Reise scheint dem Fürsten sehr gut bekommen zu sein, da derselbe trotz der Strapazen sehr wohl aussah.
Straßburg, 5. Okt. In der Straß. P. war dieser Tage der Verlust eines Tausendmarkscheins angezeigt. Ein blutarmer Schuster namenS Dienst, der in einer Schuhfabrik Arbeiter ist, hat den Schein gefunden und sofort in der Fabrik davon Mitteilung gemacht. Gestern las er in der Str. P. die betreffende! Anzei ge und lieferte den Schein straks an den Verlierer, Möbelhändler Hagenauer ab, der den ehrlichen Finder mit 50 Mk. beschenkte Heute Morgen besuchte Hr. Hagenauer den braven Mann in dessen Wohnung und fand die Familie in so überaus dürftigen Verhältnissen, daß die Ehrlichkeit des hart bedrängten Familienvaters in einem noch höheren Lichte strahlte.
Neuß, 9. Okt. In einem Graben vor dem oberen Thor wurde ein 4jähriges Mädchen mit aufgeschlitztem Leibe aufgesunben, das bald darauf starb.
Paris, 8. Okt. Beim Verkaufe des Rennstalles des bekannten Sportsmann Lupin, erzielte der Hengst Kaintraillcs den höchsten, bisher in Frankreich für ein Pferd erreichten Preis, nämlich 200,000 Franken.
Paris, 9 Okt. Der „Eclaire" meldet, der französische Expeditionschef Monte! sei mit einem Trupp von 200 Mann nach dem französischen Kongo abgereist, um an der Quelle die Differenzen zwischen Frankreich und dem Kongostaat zu studieren und die Schwierig keiten eventuell mit Gewalt zu regeln. Eine diplomatische Regelung sei indeß unwahrscheinlich.
— Die Blätter melden, in Toulon kamen zwischen aktiven Offizieren und Reserveoffizieren der Landwehr lebhafte Differenzen vor, wegen der Frage der Einladung zu dem von elfteren anläßlich der russischen Feste projektirten Balle.
Paris, 9. Okt. Wie verlautet, ist der Zustand Lesseps' hoffnungslos.
Amsterdams. Okt. Der Leichnam der Marie Schmitz, deren Ermordung de Jong verdächtigt wird, wurde heute im Amstelfluß gefunden.
Aus Bologna, 5. Okt. wird der „N. Fr. Pr." über die Hochwafferkatastrofe in Oberitalien berichtet: Während sich gestern über unserer Stadt ein Gewitter entlud, das 10 Stunden dauerte, barsten in Folge des reißenden Anwachsens des Renoflufses 3 Pfeiler der kaum einen Kilometer vor der Porta San Felice an der Linie Bologna-Florenz gelegenen Eisenbahnbrücke. Etwas höher hinauf, bei Vergato, etwa 40 Kilometer von Bologna entfernt, brachen auf derselben Eisenbahn-! Unie zwei andere Brücken gänzlich zusammen, und es geht das Gerücht, daß hoch oben auf den Apenmnen bei Porretta ein Gleiches geschehen sei. Rechtzeitig abgeschickte Telegramme an die betreffenden Eisenbahnstationen verhüteten Unheil, indem die Reisenden zwischen Bologna und Florenz den Weg über Faenza nahmen. Vor dem Thore Lame hatten die schnell steigenden Gewässer bei der Ortschaft Bertolia (ungefähr 5 Kilometer von Bologna entfernt) eine Anzahl Bauern überrascht, die einen Teil der Feldfrüchte von den am Ufer des Reno gelegenen Aeckern in Sicherheit
bringen wollten und sich nur noch auf die dort vereinzelt stehenden Bäume retten konnten, während die Flut bis auf 4 Meter Höhe stieg und die Bäume zu entwurzeln drohte. Vier Stunden mußten die Aermsten daselbst in Todesangst ausharren, bis aus Bologna das Militär mit Rettungsbooten hcrbeikam und sie rettete. Einem der Bauern hatte jedoch die Kraft gefehlt, sich so lange in den Aesten seines Baumes festzuhalten, und er war vor den Augen seiner Schicksalsgenoffen hinabgestürzt und von den Wellen fortgeriffen worden. Vor dem Thore San Jsaia, bei Castel Debole und beim Ponte Lungo ging es noch schlimmer zu. Die Häuser liegen daselbst unter dem Niveau des Wassers; die ebenerdigen wurden weggeschwemmt, nachdem die Einwohner sich gerettet, die mehrstöckigen Häuser bis zum 1. Stock überschwemmt. Eine große Schafheerde, die auf einer hochgelegenen Weide durch das Wasser abgeschnitten worden war, wurde gerettet, indem die Tiere mit Stricken einzeln ans Ufer gezogen wurden. Während dieses Rettungswerkes stürzten zwei Männer ins Wasser, von denen der eine sich mit genauer Not rettete, während der andere, nachdem er 2 Stunden lang, an Baumstäm- ! men und Gesträuch geklammert, mit den Wellen gekämpft hatte, zuletzt von denselben fortgeriffen wurde. Der Unglückliche hinterläßt eine zahlreiche Familie. Nicht genug daran, wurde bei Casalecchio, vor Porta Saragozza, der Damm bei der Schleuse des Reno weggerissen, wodurch die naheliegenden Häuser in eine solche Gefahr gerieten, daß sie teils ausgeräumt, teils abgetragen werden mußten, bei welcher Arbeit ein Witwer, der ein Zjähüges Töchterchen hinterläßt, ertrank. Um das Unglück zu vervollständigen, bedroht das Wasser gegenwärtig auch noch die Reismühls, bei Marzabotto, einer Besitzung des Grafen Aria,! deren Bestehen Hunderten von Arbeitern Lohn und Brot sicherte. Unter allen Ueberlchwem- mungen, die der Reno bis jetzt verursacht hat, erreicht noch keine die Höhe von 6 Metern 50 Centimetern, wie das diesmal der Fall war.
Catania, 9. Okt. In der Nähe von Catania verhaftete die Schutzwache 3 Räuber nach heftigem Kampfe.
Aus Athen, 5. Okt. wird gemeldet: Die Nachricht von einer verschütteten Stadt bei Laurion beruht auf starker Uebertreibung. Die dortigen antiken Metallsachen und Häuserreste waren bereits 2 Jahre bekannt und von archäologischer Seite besprochen.
Ist es richtig, Kindern Taschengeld zu gebe»?
Diese sehr wichtige Frage beantwortet eine Leserin der „Deutschen Warte" folgendermaßen :
Wenn Jemand in Unkenntnis von Geld- und Geldeswert groß geworden ist und ihm erst in den Jahren, in welchen er zur Selbständigkeit gelangte, die Augen aufgingen über die sehr realen Anforderungen dieses Lebens, so hat er am besten ein Urteil darüber ob diese Unwissenheit ihm zum Besten gereicht hat, oder ob es erziehlich richtiger gewesen wäre, ihn frühzeitig über obige Begriffe aufzuklären. Die Seibstprüfung erzielt in den meisten Fällen das Resultat, daß es allerdings besser ist, wenn Kinder von einem gewissen Alter an mit dem Werte des Geldes vertraut gemacht und an das Abwägen von Ausgabe und Einnahme zu einander gewöhnt werden.
Dieser Zweck wird nun am Leichtesten und es sei hinzugefügt, auch am harmlosesten
dadurch erreicht, daß man ihnen ein bestlmckteS Taschengeld aussetzt und sie dazu anhält, gewisse kleine Ausgaben davon zu bestreiten und über dieselben Buck zu fuhren.
Bis zu einem gewissen Alter freilich ist es wohlgethan, sie auch in diesem Punkte ganz Kind sein zu lassen; von der Zeit an jedoch, wo sie mit Beginn des Schulunterrichts allmählich den Begriff von Pflichten kennen lernen, die ihnen zu erfüllen obliegt, ist es gut, ihnen auch den Sinn des Geldwertes klar zu machen. Einstweilen in spielender Form. Sie erhalten eine Sparbüchse geschenkt, und die Eltern geben in jeder Woche 10 Pfg. hinein. Nach vier Wochen zählt das Kleine nach, es hat 40 Pfg. in seiner Büchse. Dafür kann es ein hübsches Spielzeug kaufen zu Brüderchens Geburtstag. So ungefähr gestaltet sich der Anfang. Späterhin wird erst das Taschengeld erhöht, das Kind erhält wöchentlich schon 40 Pfg., aber es hat dafür bestimmte Ausgaben zu bestreiten'.Griffeln, Federn, Bleistifte, Schreibhefte muß es selbst einkausen und über diese Anschaffungen Buch führen. So lernt es ausgeben, Rechnung legen und sparen zugleich. Im höheren Schulalter erhöht sich das Taschengeld und der Grad des dafür zu Leistenden. „Ich weiß nicht wo das Geld geblieben ist" diese Aeußernng und Anschauungsweise, die den guten finanziellen Verhältnissen Erwachsener so häufig den Untergang bereite!, muß dem sorgfältig erzogenen Kinde fremd sein. Leonie ist eigentümlicher Leute Kind: die Mutter ist Schriftstellerin, der Vater beschäftigt sich mit Nationalökonomie. Die Eitern wollen durch ihre Erziehung etwas ganz Besonderes heranbilden, sie experimentiren an Leonie. „Du hast nichts, was Du Dir nicht selbst erwirbst I" spricht der Vater. Leonie erhält für das Staubwischen wöchentlich 20 Pfg., sie muß der Mutter Manuskripte kopiren und bekommt von ihr für die Seite 5 Pfg.; sie zieht auf ihrem Gartenfleckchen Zwiebeln, Radieschen, Schnittlauch und Petersilie, welche sie in Mainas Küche verkauft. So verdient sich das Mädchen ihr Taschengeld und sie thut es mit Eifer und freudigem Stolze. Das Experiment der Eltern gelingt, sie wird einmal eine strebsame, kluge und haushälterische Frau werden, die den Wert eigener Arbeit zu schätzen und die Leistungen Anderer zu würdigen weiß.
Diese Erziehungsweise giebt zu denken.- „Ich werde doch mit meinem Kinde nicht Schacher treibenl" können distinguierte Mütter einwenden. Ueberlegt es nur! Seid Ihr denn so gewiß, daß nicht einst Euer Sprößlich fremder Leute Brot wird essen müssen? Bei der Unsicherheit der heutigen Lebensverhältniffe sollte jedes auch das vornehmste Kind in irgend einer Beziehung zum Erwerben reif gemacht werden. Almosennehmen ist bitter, aber arbeiten und dafür bezahlt werden ist nimmermehr beschämend; es ist Leistung und Gegenleistung. Das Selbsterworbene giebt Zuversicht ans die eigene Kraft, es spornt zu frober Thätigkett an und lehrt.Einieilen und Haushalten zehnmal bester als das, was uns mühelos in den Schoß fällt. Ohne Zweifel machen wir unser» Kindern ein Freude damit, wenn sie sich durch diese oder jene kleine Leistung etwas verdienen können; sie mögen das Erworbene nicht für ihre eigenen Bedürfnisse, die ihnen ausschließlich der Eltern Güte gewährt, sondern zu irgend einem lieben Zwecke, sei es zu Geschenken, sei es zu einer Handlung des Wohltuns verwenden, so fällt für