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ferner die Bestrafung des Bürgermeisters von Marseille verlange, weil dieser den nach Mar­seille gebrachten italienischen Verwundeten die, Aufnahme in die Krankenhänser verweigert hat.

Rom, 21. Aug. Wegen der Metzeleien in AigueS-Mortes i» Frankreich zwischen italienischen und französischen Arbeiter», wo­bei 30 Italiener getötet und 150 verwundet wurden, fanden gestern Abend Volksdemon- strationen aus dem Piazza Colonna statt. Die Menge drang trotz der Besetzung durch die Truppen auf den Piazza Farnese, wo sich die französische Botschaft befindet, und zer­trümmerte die Fenster scheiben der Botschaft. Ein Offizier wurde verwundet. Truppen säuberten darauf den Platz und verhinderten die Menge, zum Gebäude der französischen Botschaft beim Vatikan vorzndringen. Ir, Messina riß die Volksmenge das 'Wappen­schild des französischen Konsulats herab und verbrannte cs. In Genua wurden Wagen der französischen Trambahngesellschajt ver- brann!. Anch ans Turin, Neapel, Bologna, Tarent, werden Volksdemonstratione» ge­meldet.

Zürich, 21. Aug. Der heute vormittag um 10 Uhr von hier abgegangene Schnellzug Zürich-Stuttgart ist zwischen Herblingen und Schaffhausen entgleist. Zwei Wagen sind vollständig zertrümmert und der Schaden a» Material ist bedeutend.

Bern, 21 Aug. In der Volksabstim­mung wurde das Schächtverbot mit195 000 Stimmen angenommen, während sich 109 000 Stimmen gegen das Verbot ausgesprochen haben.

Aus Chicago wird geschrieben: »Wenn der Schein nicht trügt, so stehen Deutschland auf der Weltausstellung auch recht beträchtliche materielle Erfolge rn Aussicht. Nirgends in der Ausstellung ist bisher so flott verkauft worden, wie in den deutschen Abteilungen, und in vielen derselben sind schon jetzt be­trächtliche Aufträge für Lieferungen erteilt worden. Manche der deutschen Aussteller sind umdrängt von hiesigen Importeuren "

Unke chattendes.

An den Unrechten gekommen.

HnmoreskevonTH. Müller-Plattensteiner

(Nachdruck verboten.)

War das eine Kälte heute! Der Schnee quietschte nur so unter den Füßen und der Rauchfrost bedeckte die Zweige der Allee, auf die wir, von dem Fenster eines höchst kom­fortabel» Zimmers, in der Bel-Etage eines stattlichen Hauses, hinabsehen.

Man konnte sich keinen heimlicheren, an­genehmeren Raum denken, als gerade dieses Zimmer. Hier war alles so mollig: Möbel, Tapeten, Portieren und der ganze Krims­krams , welcher ein elegantes, modernes Heim zu schmücken pflegr, stimmte hier so fein zusammen, daß man sich wohl fühlen mußte. Dazu lag über dem Ganzen eine leichte, blaue Wolke aus Mokkaduft und dem Aroma einer außerordentlich feinen Cigarre. Fürwahr ein Winkel, dessen Besitzer zu beneiden war, das mußte doch ein glücklicher Mensch sei»!

Und doch schien dem nicht so. Der In­haber all' der beschriebenen Herrlichkeit, Herr Rentier Moser, der sich aus der Textilbranche H etzer gerettet hatte, saß mit einem furchtbar wütenden Gesichte vor seiner Kaffeetasse und kaute auf seiner teueren Importierten herum, daß sie einem leid thun konnte.

Seme Frau welche den Platz neben ihm eingenommen hatte, trommelte um ihrer Er­regung Herr zu werden, mit der linken Hand leise auf ihrer Serviette herum und das 19jährige Töchterchen der Beiden hatte beide Ellenbogen auf den Tisch gelegt, den Kopf in die Hände gestützt und weinte in ihr Taschentuch hinein, daß es einen Stein er­barmen mußte.

... Da könnten doch zehntausend Webstühle zum Stillstehen kommen, gerade das, was ich mir am wenigsten erträumte Himmelelement, habe ich dafür ein halbes Menschenleben gearbeitet, daß ich zum Schluffe znsehen sollte, wie ein solcher Windbeutel von Lieutenant als Herr Schwiegersohn das sauer verdiente Geld zum Fenster hinaus- wirft? Hat's nicht übel ausgefchnüffelt, säße freilich hübsch in der Wolle . . . Wolle?

. . . in purer Seide säße er aber ich will ihn wo hinsetzen, wen» er etwa zum Anhalten" kommen sollte, daß er . . ."

Na, na, Julius, rege Dich nicht auf!" unterbrach ihn die Gattin,ich habe Dich von der Sache in Kenntnis gesetzt, wie es meine Pflicht war; ich war ja selbst davon überrascht, und nicht gerade angenehm, weil ich Deine Aversion gegen die Osfizie e kenne. Helene hat mir noch gestern Abend, als wir kaum vom Museumsball zurück waren, ihre Liebe zu Lieutenant Armin gestanden und gesagt, daß sie nicht von ihm lassen wolle!'

Die kleine Helene weinte, daß der Tisch in's Wanken geriet.

So, so, der Herr von Armin also! der Artillerist, nicht?" Papa Moser entgegnete das mit mehr Ruhe, als man hätte erwarten sollen und Helenchen wagte einen halben Blick hinter ihrem Taschentuch hervor auf! des Vaters strenges Antlitz,und der wohnt, wen» ichsiücht irre, in derBergstraße draußen?" Die Gattin zuckte die Achseln, Helenchen aber wagte einen kleinen Nicker mit dem Kopfe.

So, so," fuhr er dann fast unheimlich lächelnd, fort, na, dem Herrn werde ich den Standpunkt auf dem ich stehe in seinen eigenen vier Pfählen klar machen ick suche ihn auf, dann wird mir wenigstens das Aufsehen erspart, das sein Besuch hier ma­chen würde!"

Es war ein förmlicher Aufschrei, den Helene nach diesen Worten des Papas aus­stieß, und selbst die Gattin hob mahnend den Finger wer sich aber nickt halte» ließ und nach Pelz und Hut wetterte, das war Herr Julius Moser, und bald darauf schob er schon seine kleine mit ziemlichem Embonpoint behaftete Gestalt durch die Kälte, die ihn nicht milder stimmte, gegen das andere Ende der Stadt, während die Mutter ihr trostloses Kind, so gut es ging, zu beruhigen suchte.

Es gab aus Gottes weiter Welt sicher keine» besseren, nachgiebigeren Menschen als Herrn Julius Moser es gab aber auch keinen, der das schwerer zugestehen mochte; er wollte zu Hause voll und ganz als der Gebieter" angesehen werden und dazu glaubte er hin und wieder ein Donnerwetter loslassen zu müssen, um so mehr als ihm die Natur ein Aenßeres gegeben hatte, das nichts wc- Niger als imponierte. Seine Frau ließ ihn ruhig gewähren, that scheinbar, als ob ein Zornesausbruck seinerseits sie auf das Tiefste niederschmetterte, im Grund geschah natür­lich doch, was sie wollte, und der Gatte fuhr gut dabei.

Was seinen Haß gegen den Offizierstand anbetraf, so^war ihr das ein noch unaufge­klärter Punkt und sehr unbequem. Sie hatte

die Liebe zwischen den beiden jungen Leuten entstehen sehen und nicht das mindeste gegen deren Verbindung und hätte den Herrn Gemahl sicher wie jedesmal noch, auch in diesem Falle,herumgekriegt," da lief er spornstreichs fort und der Himmel wußte, was er da jetzt anrichtete.

Was ihre» Gatten eigentlich zu diesem rascken verblüffenden Schritte trieb, war ihr trotz alles Nachsinnens nicht möglich zu ergründen wohl aber uns: es war das Gefühl aller rimiden Naturen, eure unange­nehme Sache so rasch wie möglich erledigt zu haben!

26 . . . 28 . . . 30," murmelte Herr Moser vor sich hin, als er die Halste der Bergstraße hinauf war,hier ist es also, na, wir wollen dem jungen Herrn das Ver­gnügen unseres Besuches machen!" und da­mit betrat er den Flur uud kletterte die Treppe hinan, von deren zweitem Absatz ihm das Geräusch des Kleidcrausklopfens entgegentönte.

., . . . Es giebt falsche Ang'n,

Falsche Haar, falsche Zähn'

Aba a Grüaberl, das falsch is

Hab' i mei Lebtag net g'sehg'n!"

Diese neckischen Worie des bekannten Liedes sang der Bursche des Lieutenants Armin zu oben erwähnter Beschäftigung und blinzelte dabei in das nächste Stockwerk hinauf, von dem sich leises Kicher» vernehmen ließ und von dem aus sich dann das gesunde blühende Gesicht, in dem sich die besungenen Grüaberln" befanden, errötend über das Treppengeländer herabncigte, als es jedoch den emporsteigenden Herrn, der eine so fin­stere Miene machte, erblickte, rasch wieder zurückfuhr.

Ist Herr Lieutenant von Armin zu sprechen?"

Ja mei', das kommt halt d'rauf an, wer Sie sind?"

Aha," knurrte Moser in sich hinein, der Herr Lieutenant fürchten die Gläubiger melden Sie Herrn Julius Moser," setzte er laut hinzu.

Der Herr möchten so gut sein und ein- treten," kam der Bursche nach kurzer Zeit zurück.

Poch, pock, poch!"

Herein!"

Der Lieutenant eihob sich von seinem Schreibtische und kam Herrn Moser ent­gegen.

Was verschafft mir schon am frühen Morgen die Ehre, Herr Moser, es sind kaum ein paar Stunden her, seitdem ich auf dem gestrigen Balle die Ehre hatte?" Der Lieutenant sprach etwas gepreßt und war dabei etwas blaß geworden,darf ich nicht bitte», Platz zn nehmen?"

Ich danke," entgegnete der gekränkte Pater,ich glaube unsere Auge egenheit auch

im Stehen abmachen zu können.

um ohne weitere Umschweife gleich auf unsere Angelegenheit zu kommen Sie haben gestern meiner Tochter eine Liebeserklärung gemacht und ich bin hier, um, da meine Tochter Ihnen keine abschlägige Antwort gegeben zu haben scheint, diese Sache rück­gängig z» machen ich gebe meine Tochter keinem Offizier!"

Der Kopf des Lieutenants, der bis jetzt leicht gesenkt mar, fuhr mit einem Rucke in die Höhe und es klang seinWarum" weder schüchtern »och ehrerbietig.

Herr Lieutenant, das ist meine Sache, Ihnen mag die Thatsache genüge», ich stelle an Sie, als Man» von Ehre, die Forder­ung, sich deshalb in der Folge meinem Kinde