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Berlin, 18. Juli. Für den neuen Deckungsplan soll die Absicht bestehen, unter den neuen Luxussteuern auch eine ausgiebige Ausgabe aus diejenigen Cigarren einzuführen, deren Genuß sich nur die wohlhabenden Klassen gestatten dürfen.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht folgende Cabinetsordre des Kaisers an de» Reichskanzler: Mit freudiger Genugthuung blickte ich auf den erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen über die Arweercform, welche durch die notwendige Verstärkung unserer Wehrkraft eine Bürgschaft für die Sicherheit des Reiches und damit für die gedeihliche Entwicklung unserer vaterländischen Verhältnisse darbietet. Neben der patriotischen Unterstützung, welche das von mir und meinen bvhen Verbündeten verfolgte Ziel in weiten Kreisen des deutschen Volkes, sowie der Mehrheit des Reichstags gefunden hat, ist das Zustandekommen des großen Werkes vor allem Ihr Verdienst, indem Sie mit fachmännischem Verständnis, staalsmännischem Blick und hingebender Thätigkeir in allen Stadien der stattgehabtcn Erörterung sich haben angelegen sein lassen, die Reform einem befriedigende» Ende entgegeuzuführe». In Wertschätzung Ihrer Verdienste weiß ich mich mit meinen hohen Verbündeten eins, und es ist mir eine angenehme Pflicht, Ihnen meine volle Anerkennung und meinen unauslöschlichen Dank mit dem Wunswe auszuspreche», daß Ihre unschätzbaren Dienste mir und dem Vater» lande noch lange mögen erhalten bleiben. Ihr wohlgeneigter Wilhelm.
— Das erste Verzeichnis der bei dem Reichstag eingegangenen Petitionen enthält wieder eine große Reihe von Gesuchen um Beibehaltung des Jesunengesetzes. Der evangelische Bund zu Gießen überreichte Petitionen dieses Inhalts aus zahlreichen Ortschaften mit 16 698 Unterschriften, Hr. Viermann zu Barmen Petitionen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands mit 94 374 Unterschriften. Auch die üblichen Petitionen wegen Beseitigung des Impfzwanges sind wieder erschienen. Zahlreiche Petenten bitten, in den Badeorten an den Sommer-Sonntagen den unbeschränkten Handel mit Galanterie-Artikeln u. dergl. mit Ausnahme der Zeit des Gottesdienstes zu gestatten.
Berlin, 19. Juli. Die Nationalzeitug teilt mit, vorgestern sei ein Vertrag über die Lieferung von 154 000 Repetiergewehren mit der Waffenfabrik Mauser in Oberndorf seitens der Türkei abgeschlossen worden.
Berlin, 19. Juli. Der Reichsrag wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Monats November wieder zusammenberufen.
— 19. Juli. Die erste Choleraverdächtige wurde heute Vormittag nach dem Ba- rackenlazaret überführt. Das Krankenzimmer wurde desinfiziert und verschlossen.
— 19. Juli. Nach den letzten Meldungen aus Neustettin wurde Förster (Antisemit) gegen Stöcker (kons.) mit großer Mehrheit gewählt.
Posen, 18. Juli. Die „Posener Ztg." meldet aus Schneidemühl: In einem Hause der neuen Kirchstrahe zeigen sich neue Risse. Aus der Erde dringt an verschiedenen Stellen wieder Wasser, so daß auf neue Bodensenkungen geschlossen wird. Vorläufig ist die Lage nicht bedenklich. — Die Staatsregierung hat ihre Genehmigung zur Veranstaltung einer Lotterie versagt und dagegen staatliche Hilfe in Aussicht gestellt.
Metz. Das hiesige Bezirkspräsidium ist offiziell über den Besuch des Kaisers und über die Herbstmannöver verständigt worden. Darnach trifft der Kaiser hier am 3. Sept.
! gegen Mittag ein und wird 6 Tage auf 'Schloß Urville Wohnung nehmen. Von den Gästen des Monarchen werden der König von Sachsen und der Großherzog von Baden die Kaisergemächer im Präsidialgebäude bewohnen. Von den übrigen Gästen haben, dem Vernehmen nach, bis jetzt nur Prinzregent Luitpold von Bayern und der König von Italien bestimmte Zusagen erteilt. Die Kaisermanöver beginnen am 5, September und weroen nicht eingeschränkt. Die Zusammenziehung großer Kavalleriemassen ist nicht vorgesehen; sie dürfte also unterbleiben. Die nötige Fourage wird schon jetzt angeliefert, und zwar meistens aus den Rheingegenden. Am 9. September be- giebt sich der Kaiser »ach Straßburg, wo er bis zum 11. verweilen wird.
Wien, 19. Juli. Der Ministerrat beschloß das Ausfuhrverbot für Heu, Stroh und Häcksel. Nach seiner Verlautbarung, die nächster Tage erfolgt, sollen auch früher abgeschlossene Lieferungen nach dem Auslande für unzulässig erklärt werden.
Pest, 17. Juli. Sicherem Vernehmen nach sind sämtliche Bitterwasser-Besitzungen der Firma Ignatz Ungar und Sohn (Viktoria, Attila, Hunyadi Arpad, Rakoczy György, Hunyadi Bela Bitterwasser) um 225 000 fl. käuflich in das Eigentum der Firma Andreas Saxlehner in Budapest übergegangen.
London, 19. Juli. Der durch das Niederbrennen von 30 Waarenhäusern in der City verursachte Schaden wird auf 2 Mill. Pfund Sterling (40 Millionen Mark veranschlagt.
London, 19. Juli. Nach einem Telegramm der „Times" aus Sydney hätten sich vaselbst 250 Personen eingeschifft, um in Paraguay eine sozialistische Niederlassung zu gründen. — Das wäre wohl der erste Versuch, das soziale Programm in die Praxis umzusetzen.
New-Dork, 18. Juli. Aus Valparaiso wird gemeldet, daß die Revolution in Brasilien sich ausdehne. —Nach Meldungen aus Kanton fand zwischen chinesischen Kriegsschiffen, welche eine Handelsflotte eskortirte, und Seeräubern ein heftiger Kampf stait. Die Seeräuber wurden gefangen genommen die Chinesen hatten 60 Todtc.
Chicago, 18. Juli. Die Hitze hat in den letzten Tagen derart zugenommen, daß täglich 8 biS 10 Personen an Sonnenstich sterbe».
SanFrancisco, 18.Juli. Nachrichten aus Canton zufolge fand in den chinesischen Gewässern ein Gesecht zwischen Piraien und drei Kanonenboten statt. 60 Mann der Besatzung der Kanonenboote wurden geiödtet und die Piraten schließlich gefangen genommen/
Stuttgart, 19. Juli (50jährige Jubelfeier des württemb. Hauplvereius der Gttstav-Adols-SttftUttg.) Wie sehr die evangelische Bevölkerung unseres Landes an den Bestrebungen dieses Vereins Anteil nimmt, geht aus der überaus zahlreichen Beteiligung an der Versammlung aufs glänzendste hervor, lieber die bisherige Wirksamkeit des Vereins ist zu verzeichnen, daß bis 1890/91 über 26 Millionen Mark an 3850 Gemeinden gegeben wurden. Die Gesamteinnahmen der Stiftung bezifferten sich pro 1892/93 auf 99 286 Mk. 96 Pfg. Abzüglich der Verwaltungskoften, der Gaben mit besonderer Bestimmung (ca. 19000 Mark) und des an den Zentralvorstand in Leipzig abzuliefernden Anteils 18 590 Mk.) verblieben zur freien Verfügung 55 572 Mk. 76 Pf., wozu noch das
sogenannt« Angebinde kommt, welches 15,000 Mark beträgt. Größere Beiträge an evang. Gemeinden Württembergs und Hohenzollerns für Kirchen-, Pfarrhaus-und Schulhausbauten rc. sind vorgesehen: Altshausen 1460 Mk., Saulgau 600 Mk., Atzenweiler 1160 Mk., Horb 1100 Mk., Neckarsulm 1600 Mark, Schramberg 1800 Mk., Schufsenried-Buchau 1000 Mk., Söflingen 900 Mk., Sontheim 1000 Mk., Tettnang 500 Mk., Wälde-Winterbach 700 Mk., Bavendorf 1400 Mk., Waldsee 1000 Mk., Wangen i. A. 1500 Mk., Kißlegg 670 Mk., Wasseralfingen 1500 Mk,, Weilderstadt 1500 Mk., Weingarten 500 Mk., für Hohenzollern 450 Mk., zusammen ca. 24,150 Mk. Größere Summen wurden für evangelisch-kirchliche und Schulzwecke nach Jerusalem, Paris, Bordeaux, Marseille, Nizza, Rom, Brüssel, Spanien, Venezuela abgeliefert und auch so ziemlich sämtliche öfter. Kronländer figurieren, wie üblich, unter den Empfängern, ferner russische und rumänische Gemeinden u. s. w. Der heutige Festtag wurde durch einen Festgottesdienst in der Stiftskirche eingeleitet. Hiebei warf Hofprediger Braun einen Rückblick auf die 50jährige Tätigkeit des württembergijchen Hauptvereins, sowie die Geschichte der württembergischen Diaspora. Die Diaspora Oberschwabens erhielt 1889 zusammen von der Gesamt- unteritützung 43,700 Mk. und 1877 47,500 Mk. In 21 evangelischen Diasporagemeinden ans der Alb erfreue» sich 7300 Seelen, darunter 687 Schulkinder, der Fürsorge des Vereins. Nach dem Gottesdienst wurde im Festsaal der Liederhalle von etwa 1000 Personen das Festmahl eingenommen Hierbei brachte den Toast auf die Königliche Familie Hofprediger Brau» aus, während Stadtschultheiß Rümelin die segensreiche Wirksamkeit des württembergischen Gustav- Adolf-Vereins in begeisterten Worten feierte. Später wurde der neuerbauten Friedens- kirche ein Besuch abgestattet und der Rest des Tages im Garten des Schützenhauses zugebracht.
Ver mischtes.
— Als Kuriosum wird aus Tauberbischofsheim mitaeteilt, daß im Laufe der letzten Woche daselbst ein Pferd um drei Gänse vertauscht wurde.
(Erinnerungen an ein trockenes Iah r.) Man schreibt aus Thüringen: 1842 hat Thüringen em ebenso trockenes Jahr erlebt, wie das heurige. In einer zu Oberweißbach auf dem Thüringer Wald geführten Chronik von 1842 sind u. A. folgende Notizen enthalten: Der Rasen war so ausgetrocknet, daß er aussah, als wenn er verbrannt wäre. Im Monat Oktober kostete ein Schock Stroh (der Bund 18 bis 20 Pfund wiegend) 10 Thaler preußisch; daher wurde viel Vieh geschlachtet. Alle Kühe wurden mit 8—10 Gulden bezahlt. Saugschweine kostete das Stück 6, 8, 12—50 Kreuzer. In Saalfeld wurden sogar viele solche Schwein- chen, die auf dem Markt nicht verkauft werden konnten, verschenkt. Die Kartoffelernte war ebenfalls nur mittelmäßig zu nennen. Im Dezember kostete das Achtel Kartoffel schon 32 Kreuzer. Die Lursdorfer Einwohner mußten den ganzen Sommer, vom Juni an, ihr Wasser in Oberweißbach holen. Sehr viele Mühlen standen still. In Greiz und Zeulenroda wurden die Mühlen unter der größten Anstrengung von Menschenhänden getrieben. Der Wassermangel verursachte Brod- not.